Darum brennt der Regenwald auch für Leder
Von Johanna Fuoß, Fachereferentin bei PETA Deutschland
Zwischen 2011 und 2020 wurden allein in Brasilien mehr als 6,7 Millionen Hektar Amazonas-Regenwald vernichtet. Eine Fläche, die fast so groß ist wie Bayern. Dazu kommen erschütternde Rekorde im Jahr 2022: Knapp 1,95 Hektar wurden allein in den ersten vier Monaten zerstört. Mit jedem weiteren Tag schwindet unsere Chance, den Amazonas vor dem Kipppunkt zu retten, bevor er sich in eine Savanne zu verwandeln beginnt, und die Klimakatastrophe zu stoppen. Während den meisten Menschen klar ist, dass die Produktion von Fleisch und Palmöl ein maßgeblicher Grund für die verheerenden Rodungen ist, bleibt ein Akteur oftmals unbeachtet: die Lederindustrie.
Riesige Flächen Regenwald für Leder abgeholzt
Der Amazonas-Regenwald ist der größte zusammenhängende und vermutlich artenreichste Regenwald unseres Planeten. Ausgerechnet dort floriert die Leder- und Fleischindustrie und hinterlässt eine Spur der Zerstörung. Zwei Drittel der gerodeten Flächen des Amazonas und der südamerikanischen Region Cerrado wurden vernichtet, um Rinder zu züchten Futtermittel für die Massentierhaltung herzustellen. Die Zucht von mittlerweile knapp 260 Millionen Rindern in Brasilien ist damit für ein Fünftel aller Emissionen aus der rohstoffbedingten Entwaldung in den gesamten Tropen verantwortlich.
Doch nicht nur im Amazonas wütet die Lederindustrie. Weltweit ist die Zucht und Haltung von Rindern an etwa 36 Prozent des gesamten weltweiten Waldverlustes schuld. Dabei ist der Wald im Kampf gegen die Klimakrise mit seiner unvergleichbaren Fähigkeit, riesige Mengen an Kohlenstoff und Wasser zu speichern, unverzichtbar.
80 Prozent des Leders aus dem Amazonas werden exportiert; mit China und Italien als Hauptzielländer. Von dort werden die Häute zu Produkten wie Schuhen, Taschen oder Möbeln verarbeitet und landen in Geschäften auf der ganzen Welt oder im Online-Handel - und dadurch auch in deutschen Haushalten. Das Exportvolumen von Tierhäuten, die aus Brasilien in die ganze Welt verkauft werden, wird auf etwa 1,4 Milliarden US-Dollar geschätzt. Ein Milliardengeschäft, dessen Kosten nicht nur die gewaltsam getöteten Tiere bezahlen, sondern jeder Einzelne von uns.
Artenvielfalt durch Lederprodukte massiv bedroht
Im Amazonas-Regenwald leben rund zehn Prozent aller bekannten Tier- und Pflanzenarten. Nicht nur Säugetiere wie Baumozelot, Weißwangenklammeraffe und Flachlandtapir, sondern auch unzählige Insekten, Pflanzen und Pilze, deren Existenz und Aufgabe im Ökosystem wir noch nicht einmal begriffen haben. Sie alle werden bei den Rodungen verbrannt oder vertrieben.
Vor allem junge Tiere und sich langsam fortbewegende Arten wie Faultiere oder Schildkröten fallen den Flammen zum Opfer. Selbst aquatische Systeme mit seltenen Arten wie dem Amazonas-Delfin sind bedroht. Durch die Regenwaldrodungen wird das gesamte ökologische Gleichgewicht auf unserem Planeten massiv bedroht. Artenvielfalt ist für unser Überleben jedoch unersetzbar. Wir setzen somit unser eigenes Leben aufs Spiel, nur für ein paar Schuhe oder ein Auto mit einer Innenausstattung aus Leder. Hinzu kommt unvorstellbare Gewalt gegenüber den Rindern, aus deren Haut das Leder hergestellt wird.
Tierqual für Leder
Die Initiative Stand Earth untersuchte 2020 über 400 Lieferketten-Verbindungen und bringt darauf basierend knapp 100 weltweit bekannte Modeunternehmen mit Lederprodukten in Verbindung, für deren Produktion Regenwald abgeholzt wurde.
Als stärkster Treiber der Abholzung des Amazonas gilt JBS, einer der größten Leder- und Fleischproduzenten der Welt. 2016 veröffentlichte PETA eine Enthüllung, die zeigt, wie auf Rinderbetrieben von JBS Tiere in Brasilien für Autoleder mit Elektroschocks malträtiert und Kälber im Gesicht gebrandmarkt werden.
Zusätzlich haben in den vergangenen Jahren Lebendtransporte für Leder stark zugenommen. Allein die Türkei, deren Lederindustrie stark gewachsen ist, importierte 2017 etwa 895.000 lebende Rinder aus aller Welt - auch aus Brasilien. Eine Aufsehen erregende Video-Enthüllung von PETA und dem Dokumentarfilmer Manfred Karremann aus dem Jahr 2020 zeigt, dass die Tiere auf oftmals wochenlangen Transporten in der Regel unzureichend mit Nahrung und Wasser versorgt werden. Sie sind Hitze wie Kälte ausgesetzt, während sie dicht zusammengedrängt in ihrem eigenen Kot stehen. Beim Transport mit Schiffen wurden verletzte oder entkräftete Tiere qualvoll und mit ihrem gesamten Gewicht an einem Bein hängend via Kran von den Schiffen gehievt.
Was können Sie tun?
Jedes Tierleder - egal woher es kommt - trägt zum weltweiten Raubbau an unserem Planeten bei - auch bei uns in Europa. Indem wir Leder im Regal liegen lassen und stattdessen zu veganen, tierfreundlichen Alternativen wie Kunstleder, Ananasleder oder Kork greifen, können wir ohne große Anstrengungen einen Beitrag dazu leisten, das Leid von Tieren zu reduzieren und die Abholzung der überlebenswichtigen Regenwälder zu stoppen.