Die Vermessung der Ernährung
Buchvorstellung von Julia Brunke, Redaktion FREIHEIT FÜR TIERE
Haben Sie sich schon einmal überlegt, welche Auswirkung unsere Ernährung, also das, was wir jeden Tag essen, auf die Gesundheit, auf Tiere und Natur, auf Böden und Grundwasser, auf die Artenvielfalt, auf die Regenwälder, auf Menschen in den ärmeren Ländern und auf das Klima hat? Dass der hohe Fleischkonsum klimaschädlich ist und pflanzliche Ernährung Klima und Umwelt schont, ist inzwischen bekannt. Doch sollten wir vor dem Hintergrund einer sich abzeichnenden Umwelt- und Klimakatastrophe, welche unser aller Lebensgrundlagen bedroht, nicht viel mehr über diese Zusammenhänge wissen? Prof. Dr. Jan Wirsam, der an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin über Innovationsmanagement, Produktionswirtschaft, Operationsmanagement und pflanzenbasierte Wertschöpfung lehrt und forscht, und der renommierte Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Claus Leitzmann haben aus einer Unmenge von Daten unsere Hauptlebensmittelgruppen auf ernährungsphysiologische, ökonomische, ökologische und klimarelevante Fragen durchleuchtet. Nach über vierjähriger Arbeit legen die beiden Wissenschaftler mit ihrem 450 Seiten starken Werk Die Vermessung der Ernährung nun erstmal eine Synthese der Daten vor. Der rote Faden führt von den verschiedenen Eigenschaften unserer Lebensmittel, ihrer Nährstoffgehalte sowie der ökonomischen Bezugspunkte der Ernährung zu aktuellen Aspekten der Bewertung sowie zur Nachhaltigkeit , so die beiden Autoren. Dabei sind klimarelevante Merkmale von großer Bedeutung, wie klimaschädliche Emissionen oder die Relationen zwischen Nährstoffgewinnung und Ressourceneinsatz.
Für 1 Kilo Rindfleisch werden 15.500 Liter Wasser verbraucht
»Recht bekannt sind hier plastische Darstellungen, dass beispielsweise für die Erzeugung von 1 kg Rindfleisch etwa 15.500 l Wasser benötigt werden«, so die Wissenschaftler. »Diese überraschenden Ergebnisse sind es aber, die uns motivieren, die Wertschöpfung von Lebensmitteln besser zu analysieren, um Vergleiche unterschiedlichster Art zu ermöglichen und neue Erkenntnisse zu gewinnen.«
Der Vergleich der Lebensmittel sowie der Ernährungsformen ergibt Hinweise und Erklärungsansätze dafür, in welchem Ausmaß und mit welcher Geschwindigkeit das weiterhin rasante Wachstum der Weltbevölkerung die begrenzten planetaren Ressourcen beanspruchen wird. Dazu werden ernährungsphysiologische, ökologische, ökonomische und geographische Vermessungswerte in Relation zueinander gesetzt.
Wir in Deutschland verbrauchen rein rechnerisch 3 Erden für unseren Jahresbedarf an Ressourcen
Auch die Anbaumethoden führen zu unterschiedlichen Beanspruchungen der natürlichen Lebensgrundlagen. So schont die ökologische Anbaumethode Ressourcen. Dagegen führt der konventionelle Anbau mit hohem Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln zwar zu höheren Ertragsmengen, dabei werden jedoch irreparable Eingriffe in das natürliche Ökosystem und die Biodiversität in Kauf genommen, so die Autoren. Die Folge sind einerseits die Belastung von Gewässern und Grundwasser, der Böden, der Luft und der Lebensmittel mit giftigen Schadstoffen, anderseits der weltweite Artenschwund bei Pflanzen und Tieren, wie der dramatische Rückgang von Insekten und Vögeln.
»Die anhaltende Abholzung der Tropenwälder für die Rinderhaltung und den Sojaanbau zum Einsatz in der weltweiten Tiermast ist unumkehrbar«, schreiben die Wissenschaftler. Die Entstehung neuer Tropenwälder braucht Jahrhunderte. Die Bodenzerstörung durch Erosion, Verdichtung, Versalzung, Versteppung, Verwüstung und Überbauung verringert den Bestand an fruchtbaren Ackerböden mit erschreckender Geschwindigkeit. Hinzu kommt die dramatische Überfischung und Verschmutzung der Meere.
Zur Deckung des weltweiten Jahresbedarfs an Ressourcen sind rein rechnerisch mindestens 1,7 Erden erforderlich. Bei uns in Deutschland waren die natürlich verfügbaren Ressourcen in den letzten Jahren rechnerisch bereits Anfang Mai aufgebraucht (Erdüberlastungstag), so dass die Bedarfsdeckung hierzulande sogar bei 3 Erden liegt. Hinzu kommt, dass unsere derzeitige an Profiten ausgerichtete Wirtschaftweise nicht nur Ressourcen und Natur zum Teil unwiederbringlich ausbeutet, sondern auch die Menschenrechte in den Anbauländern untergräbt.
Das Hauptproblem ist die massenhafte Fleischproduktion
Ein Hauptproblem ist die massenhafte Produktion von Fleisch und Milch, die weltweit weiterhin zunimmt. »Dabei wird immer deutlicher, dass genau das Gegenteil eintreten müsste, um die Gesundheit der Menschen, den Zustand der Umwelt und die Voraussetzungen für Artenvielfalt zu verbessern«, schreiben die Wissenschaftler. »Die Produktion tierischer Nahrungsmittel trägt überdurchschnittlich zur Schädigung der Umwelt, insbesondere zum Klimawandel bei. Durch eine Verringerung des Verzehrs tierischer zugunsten pflanzlicher Lebensmittel lassen sich die negativen Umweltwirkungen des globalen Ernährungssystems am effektivsten reduzieren.« Den zweitstärksten positiven Einfluss hat die ökologische Erzeugung von Lebensmitteln.
»Eine weitere Folge des hohen Fleisch- und Milchkonsums ist die große Zunahme der ernährungsbedingten Krankheiten. Dies hat auch enorme wirtschaftliche Aspekte: Die Kosten für die Krankheitswirtschaft steigen rapide an, ohne die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern«, schreiben die Autoren. In der Entscheidung für eine vollwertige pflanzliche Ernährung liege somit ein großes ungenutztes Sparpotential.
Die Vermessung von 20 Lebensmittelgruppen
Die vermessenen Lebensmittel sind in 20 Gruppen unterteilt: Getreide, Gemüse, Pilze, Kartoffeln, Obst, Beeren, Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen, pflanzliche Fette und Öle, Kräuter, Gewürze, Honig, Fleisch, Fisch, Milch, Ei, Wasser, Zucker und Salz.
Für jede Lebensmittelgruppe werden exemplarisch die wichtigsten Arten, die in Deutschland oder weltweit am häufigsten produziert und verzehrt werden, ausführlich mit Zahlen und Graphiken analysiert.
Die Kapitel sind nach folgendem Muster aufgebaut:
· Ernährungsphysiologische Parameter
· Ökonomische Bezugspunkte
· Nachhaltigkeitsanalyse
· Fallstudien
· Kernaussagen
Im Folgenden stellen wir Ihnen wesentliche Aussagen und Vermessungsergebnisse von einigen ausgewählten Lebensmittelgruppen komprimiert vor: Getreide, Gemüse, Hülsenfrüchte - und im Vergleich dazu Fleisch.
Getreide
Das weltweit wichtigste Grundnahrungsmittel ist Getreide: Es liefert für die Menschheit etwa 65% sowohl der Nahrungsenergie als auch des Proteins. In Deutschland und anderen Wohlstandsländern macht Getreide aber nur etwa 20% des Bedarfs an Nahrungsenergie und Protein aus. Dabei ist Getreide ernährungsphysiologisch sehr wertvoll: Neben Protein ist es ein bedeutender Lieferant von Kohlenhydraten, Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen , erklären die Wissenschaftler.
Doch der Großteil des weltweit angebauten Getreides landet in den Futtertrögen der industriellen Massentierhaltung: Fast 48% des weltweiten Getreideverbrauchs sind Futtermittel, nur 35% dienen der Ernährung des Menschen und etwa 17% entfallen auf sonstige Bereiche, vor allem die Chemische Industrie.
Und noch eine Messgröße macht nachdenklich: Der Anteil von ökologisch angebautem Getreide ist noch sehr gering. So liegt bei Weizen der Flächenanteil von Bio-Weizen bei nur 2,07%.
Gemüse
In Deutschland werden 104,3 kg Gemüse pro Person verzehrt (2018). Damit liegt der durchschnittliche Gemüseverbrauch deutlich unter der Empfehlung von 146 kg im Jahr oder von 400 g pro Tag.
Mit ihren hohen Gehalten an Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen sollten die verschiedenen Gemüsesorten ein zentraler Bestandteil der Ernährung sein. Sie enthalten kein Cholesterin, kaum Fett, wenig Kalorien, dafür aber eine hohe Nährstoffdichte. Damit führt ein hoher Gemüsekonsum zu einer Verbesserung der Gesundheit: Das Risiko für Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und vorzeitige Sterblichkeit wird Studien zufolge deutlich gesenkt.
Die beliebtesten Gemüsesorten in Deutschland sind Tomaten, Möhren, Zwiebeln und Gurken. Die Kartoffel zählt streng genommen nicht als Gemüse, sonst wäre sie mit 55 kg/Person/Jahr der absolute Spitzenreiter , schreiben die Autoren. Eine derzeit noch geringe Rolle spielen Erbsen, ihre Bedeutung als pflanzenbasierte Proteinquelle nimmt aber zu.
Die in Deutschland produzierten Gemüsemengen ergeben einen Selbstversorgungsgrad von gerade einmal 36 Prozent. Dabei verursacht der Gemüseanbau im Vergleich mit tierischen Produkten nur sehr geringe Umweltbelastungen.
Ökologisch angebaute Gemüse aus der Region sind besonders umweltfreundlich, schonen Ressourcen und enthalten deutlich weniger Schadstoffe. Der Anbau von Gemüse verbraucht wesentlich weniger Fläche als Getreide.
Hülsenfrüchte
Zu den Hülsenfrüchten zählen Erbsen, Bohnen, Ackerbohnen, Linsen, Kichererbsen, Lupinen und Soja. Sie sind besonders reich an Proteinen. Mit einem Proteingehalt von 19 % bis 24 % enthalten sie so viel Protein wie Fleisch. Bei Soja und Lupinen liegt der Proteingehalt sogar bei 35 %. Damit sind sie die proteinreichsten Lebensmittel überhaupt. Hülsenfrüchte liefern viele wertvolle Inhaltsstoffe wie die Vitamine B1, B6, Folat, die Mineralstoffe Kalium, Magnesium, Calcium und Zink, Eisen sowie viele gesundheitsfördernde Phytonährstoffe. Die löslichen Ballaststoffe sind gut für die Darmgesundheit.
In Deutschland ist der Verzehr von Hülsenfrüchten in den letzten 150 Jahren von durchschnittlich 20 kg pro Person im Jahr auf nur noch 2,5 kg gesunken. In Deutschland werden lediglich auf 1,4 % der Ackerflächen Hülsenfrüchte angebaut.
Dabei sind Hülsenfrüchte nicht nur sehr gesund, sie verbessern auch die Böden: Durch eine Symbiose mit Rhizobien in ihren Wurzelknöllchen sind viele Arten in der Lage, den Ackerboden mit Stickstoff aus der Luft anzureichern und schwer lösliches Phosphat im Boden zu mobilisieren. Durch diese Eigenschaft können Hülsenfrüchte auch auf nährstoffarmen Böden wachsen und bereiten den Boden zum Beispiel für den Anbau von Getreide auf. Folglich muss weniger gedüngt werden. Darum werden Erbsen und Lupinen als Vorkultur oder Zwischenfrucht auf Feldern gesät. Mit ihrem umfangreichen Wurzelsystem lockern Hülsenfrüchte gleichzeitig den Boden auf und wirken einer Verdichtung entgegen.
Die weltweit am häufigsten angebaute Hülsenfrucht ist Soja mit 348 Mio. Tonnen. Obwohl Soja ernährungsphysiologisch sehr wertvoll ist, wird ein Großteil als Futtermittel verwendet. Prof. Wirsam und Prof. Leitzmann weisen in »Die Vermessung der Ernährung« auf die schwerwiegenden ökologischen Auswirkungen hin: Der Sojaanbau nimmt sehr große Flächen in Anspruch, die auch durch die Rodung der Urwälder in Südamerika gewonnen werden. Die Anbaugebiete dringen immer weiter in das Amazonas gebiet vor, obwohl die Böden für den Sojaanbau nicht gut geeignet sind. Getrieben wird die starke Nachfrage nach Soja insbesondere durch die Futtermittelindustrie. Zu den Folgen zählen riesige Monokulturen mit irreparablen Auswirkungen auf die Umwelt. Traditionelle kleinbäuerliche Strukturen werden vernichtet, Landflucht und Verarmung sind weitere Folgen.
Auch der intensive Einsatz von genverändertem Soja führt zu teils unerforschten Folgeschäden. Weltweit sind inzwischen knapp 80 % der Sojaernte genmanipuliert, in den USA und Argentinien bereits über 90 %. Beim genmanipulierten herbizid-resistenten Sojasaatgut RoundupReady werden massiv hochgiftige Glyphosat-Spritzmittel eingesetzt - und dramatischen Folgen für die Natur und die Gesundheit der Menschen.
Die Vermessung von Fleisch
Weltweit werden pro Person im Schnitt rund 16 kg Schweinefleisch, 15,5 kg Geflügelfleisch und 9,1 kg Rindfleisch im Jahr konsumiert. Angetrieben durch die weltweite Nachfrage stellt Fleisch inzwischen einen beachtlichen Exportfaktor dar.
Während in den USA, Australien und Hong Kong pro Person im Jahr deutlich über 100 kg Fleisch verbraucht werden, liegt der Fleischverbrauch in Indien bei unter 4 kg pro Person im Jahr und ist seit 1961 etwa gleich geblieben. In China dagegen hat sich der Verbrauch seit 1961 dagegen etwa verfünffacht.
In Deutschland ist der Fleischkonsum seit Jahren rückläufig: Wurden 1991 im Jahr noch 63,9 kg Fleisch pro Peron verzehrt, waren es laut Statista 2021 noch 55 kg. Die Diskussion über Fragen des Tier- und Umweltschutzes werden verstärkt in der Öffentlichkeit und Politik thematisiert , so die Autoren. Hinzu kommt eine intensivere Auseinandersetzung mit den gesundheitlichen Aspekten des Fleischkonsums. Der anhaltende Trend zur vegetarischen und veganen Ernährung lässt auf einen weiteren Rückgang in den nächsten Jahren schließen.
Doch während der Fleischkonsum sinkt, steigt die Produktion von Fleisch in Deutschland immer weiter:
· 27 Millionen Schweine werden durchschnittlich in 40.000 Betrieben gehalten. Da Schweine meist nach nur 120 Tagen geschlachtet werden, sind es im Jahr insgesamt 59 Millionen.
· 12,5 Millionen Rinder werden im Schnitt gehalten, darunter etwa 4,2 Millionen Milchkühe.
· 1,06 Millionen Tonnen Geflügelfleisch werden in etwa 3.300 Mastbetrieben produziert.
»Die gesamte Fleischindustrie setzt in Deutschland etwa 45 Mrd. Euro um«, schreiben die Forscher. Bemerkenswert ist der starke Anteil des Exports für Schweinefleisch, der im Jahre 1995 gerade einmal 5 % betrug und sich inzwischen der 50%-Marke nähert.
Während wir in Deutschland beim Gemüseanbau einen Selbstversorgungsgrad von gerade einmal 36 % haben, beläuft sich der Selbstversorgungsgrad bei Fleisch etwa auf stolze 115 % (!). Das deutsche Exportvolumen von Fleisch umfasse mittlerweile etwa 2,3 Millionen Tonnen, erfahren wir in »Die Vermessung der Ernährung«.
Die Ernährungsexperten weisen auch daraufhin, dass Fleisch und Wurstwaren aus ernährungsphysiologischer Sicht in mehrfacher Hinsicht problematisch sind und eine Vielzahl ernährungsbedingter Krankheiten verursachen können, allen voran Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs, bekanntlich Todesursache Nr. 1 und Nr. 2 in Deutschland. So erhöhen gesättigte Fettsäuren und Cholesterin in Fleisch und Innereien das Risiko für Herzinfarkt. »Der Verzehr von geräucherten sowie stark verarbeiteten Fleischwaren ist mit einem hohen Risiko für Tumore des Darms verbunden«, erläutern die Ernährungswissenschaftler. Die Gesamtaufnahme von rotem und verarbeitetem Fleisch erhöhe das Risiko für Darmkrebs, Brustkrebs und Prostatakrebs. Die Zufuhr von weißem Fleisch (Geflügelfleisch) erhöhe das Risiko für Krebserkrankungen von Lymphe und Blut.
»Die Nachfrage nach Fleisch ist weltweit ungebremst«, schreiben Prof. Wirsam und Prof. Leitzmann. »Die negativen Auswirkungen der Haltung von Nutztieren in diesem Ausmaß auf das Klima und die Gesundheit sind bekannt, werden aber immer noch größtenteils ignoriert bzw. in Kauf genommen.«
Denn neben den gesundheitlichen Folgen des Fleischkonsums sind die ökologischen Auswirkungen verheerend: »Die Produktion von Fleisch verursacht eine Überbeanspruchung der planetaren Ressourcen«, erklären die Forscher. »Insbesondere durch Eingriffe in den Stickstoff- und Phosphorkreislauf entstehen massive Schäden an der Biosphäre in der Weise, dass ökologische Funktionen verloren gehen und durch Artensterben ein irreparabler Biodiversitätsverlust eintritt. Abholzungen, insbesondere im Amazonasgebiet in Brasilien, um Weideflächen oder Anbauflächen für Futtermittel zu generieren, führen zu Landnutzungsänderungen, die der Natur massiv schaden.«
So sei die Anbaufläche von Soja für die Futtermittelindustrie in den letzten 20 Jahren von 67 auf über 120 Millionen Hektar gestiegen. Da durch Dünger, Genmanipulation und Pestizideinsatz bereits maximale Erntemengen erreichen werden, sei eine weitere Steigerung nur durch Ausweitung der Anbauflächen zu erreichen, um den steigenden Futtermittelbedarf der Fleischindustrie zu decken. Die Regenwälder werden also weiter gerodet und die Böden durch Monokulturen ausgelaugt. »Der Verlust der Biodiversität durch Artensterben und die Klimabeeinträchtigungen nehmen zu«, erklären die Wissenschaftler.
Die Vermessung verschiedener Ernährungsformen
Im 3. Teil des Buches werden verschiedene Ernährungsformen und Nährstoffempfehlungen vorgestellt und verglichen:
· Der Durchschnittsverzehr weltweit
· Der Durchschnittsverzehr in Deutschland
· Der Ernährungskreis der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
· Die Empfehlungen der EAT: Planetary Health Diet
· Vegane Ernährung
· Vollwert-Ernährung (vegetarisch) nach Bircher-Benner/Bruker
In ihrer Zusammenfassung kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss: »Unser Planet Erde wird eine Nahrungsversorgung, wie sie heute in den wohlhabenden Ländern praktiziert wird, nicht länger ermöglichen können. Die zunehmende Bevölkerungszahl, immer weniger Ackerland und ein sich veränderndes Klima zeigen, dass die Grenzen der Belastbarkeit bereits jetzt deutlich überschritten sind.« Die Vermessungen der Ernährung belegen: Der Erdüberlastungstag ist ein schrilles Signal auch für die Ernährung der Menschheit. Eine Wende in allen Bereichen der Produktion, Verarbeitung und Zubereitung der Lebensmittel sei dringend erforderlich, so die Autoren.
Die Berechnungen zeigen, dass pflanzliche Ernährungsformen insgesamt energiesparender und umweltschonender sind als herkömmliche. Dies zeigt die Graphik aus »Die Vermessung der Ernährung« deutlich auf. Am schonendsten für Umwelt und Ressourcen (und am gesündesten) sind pflanzliche Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft und mit regionaler Herkunft. Somit habe der Bereich Ernährung auch das Potential, eine bessere Welt zu schaffen.
Doch die Autoren legen neben diesen Lösungsansätzen auch den Finger sehr deutlich in die Wunde: »Die internationale Agrarlobby verhindert mit ihrer Macht bzw. ihrem Einfluss immer wieder die dringend erforderlichen und wissenschaftlich begründeten Umsteuerungen.« Die Vertretung eigener Interessen sei zwar legitim, aber es sei unredlich, sie auf Kosten der Umwelt, des Klimas und der Gesundheit durchzusetzen. Hier kommt die Macht von uns als Verbrauchern ins Spiel, die wir noch viel mehr nutzen sollten!
In »Die Vermessung der Ernährung« werden verschiedene Ernährungsformen und -empfehlungen vorgestellt und miteinander verglichen im Hinblick auf Energie (kcal) und Proteinmenge sowie Umwelt- und Klimaverträglichkeit anhand von Co2-Emission, Wasserverbrauch und Flächenbeanspruchung. Es wird deutlich, dass die durchschnittliche Ernährung in den USA und in Deutschland mit vielen Fleisch- und Milchprodukten am meisten klimaschädliche Emissionen erzeugt, am meisten Wasser verbraucht und am meisten Flächen beansprucht. Am schonendsten für Umwelt und Ressourcen ist die vegane Ernährung.
Die Macht als Verbraucher nutzen
»Ganzheitliches Denken und Handeln vieler Menschen und in Institutionen kann einen positiven Beitrag zur Verbesserung der ökonomischen Verwerfungen unseres Ernährungssystems leisten«, sind die Wissenschaftler überzeugt. »Dabei ist die pflanzliche Ernährung ein wichtiger Baustein.« Deutlich machen dies die im Buch erarbeiteten Kreuzrelationstabellen, die aufzeigen, welche Lebensmittel welche Nährstoffe enthalten und die günstigsten Wirkungen haben. Dabei geht es um die Gesundheit des Menschen, des Klimas, der Natur und des Planeten Erde insgesamt.
Die Autoren
Prof. Dr. Claus Leitzmann, geb. 1933, ist einer der renommiertesten Ernährungswissenschaftler Deutschlands. Der ehemalige Direktor des Institutes für Ernährungswissenschaft der Universität Gießen wurde 2013 in die Liste der Living Legends der International Union of Nutritional Sciences aufgenommen. |
Prof. Dr. Jan Wirsam, geb. 1976 in Gießen, ist seit 2015 Inhaber des Lehrstuhls für Operations- und Innovationsmanagement an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Innovation, Digitalisierung, Zukunft der Gesundheit und Ernährung, pflanzenbasierte Wertschöpfung, Food-Start-ups. Der Betriebswirtschaftler lebt seit vielen Jahren vegan. |