Einsatz für die Esel in Mauretanien
Seit 2006 engagiert sich die österreichische Tierschutzorganisation RespekTiere in Mauretanien mit einem sehr erfolgreichen Eselhilfe-Projekt. |
Ende November 2017 reiste ein RespekTiere-Team gemeinsam mit dem leitenden Tierarzt des Projekts, Dr. Matthias Facharani, wieder nach Mauretanien.
Ein Bericht von Tom Putzgruber, Obmann von RespekTiere International e.V.
Müde sind wir, keine Frage, Dr. Matthias Facharani, der diese Körper und Geist sehr fordernden Auslandseinsätze nun auch schon zum wiederholten Male mitmacht, und ich. Das Projekt Esel in Mauretanien ist das größte RespekTiere-Projekt, welches wir nun schon seit 12 Jahren aufbauen und das so viel Kraft und Zeit beansprucht. Aber es ist jede Sekunde der Anstrengung wert - mehr als wert: Rund 1.100 Esel behandeln wir jeden Monat. Um wie viel schlimmer wäre ihre Situation, würden wir nicht vor Ort sein?
Seit 2012 begleitet uns Dr. Facharani als leitender Tierarzt dieses Projekts einmal im Jahr. Der ausgebildete Tropentierarzt ist wahrlich eine große Bereicherung für RespekTiere: Neben seinem Wissen und seiner beispielhaften Tierliebe spricht er - sein Vater war Ägypter - hervorragend arabisch, was die Akzeptanz der Eselhalter deutlich erhöht! Wir sind unendlich froh darüber, dass dieser engagierte Veterinär, der in Bayerisch Gmain an der deutsch-österreichen Grenze eine beispielhafte Tierarztpraxis führt, für die Eselhilfe Mauretanien im Einsatz ist - und das ehrenamtlich!
Das Haupttransportmittel sind Arbeitsesel,
die viel zu schwere Lasten tragen und schwere Wasserfässer ziehen müssen. Die Esel sind übersät mit Wunden und Narben. Ihre Ernährung besteht aus zerkleinerten Kartons und der Suche nach Abfällen, wenn sie des Abends aus ihren Fesseln gelöst werden. · Bild: RespekTiere
schreit nach Erbarmen
Die Armut ist in Mauretanien allgegenwärtig bei Mensch und Tier. Der Alltag ist viel zu oft ein purer Überlebenskampf. Doch inzwischen sind immer öfter motorisierte dreirädrige Lastenfahrzeuge zu sehen. Dies könnte in Zukunft für die Esel einen unfassbaren Unterschied ausmachen - denn gedacht, so der mauretanische Präsident, sind die motorisierten Dreiradwagen vor allen als Ersatz für die Eselkarren. Aber für die meisten Einwohner ist dies zu teuer, selbst wenn die Fahrzeuge staatlich bezuschusst werden. Aber sie brauchen Benzin und der Esel - im Verständnis vieler Tierhalter - nur Pappe...
Auf dem Eselmarkt häufen sich zwischen Plastikresten und Metallabfällen die Leiber toter Tiere. Wie kleine Hügel, oft halb zugedeckt vom Sand, dann wieder völlig offen, verrotten die Ausgestoßenen der Gesellschaft vor sich hin - unbemerkt, unbeweint.
Kinder suchen im Inferno aus Müll nach Verwertbarem, hier und dort brennt ein Feuer, die Flammen scheinen ohnmächtig gegen die Menge an Abfall.
Weiter hinten befindet sich einer der wohl schlimmsten Arbeitsplätze für Menschen: eine Gerberei unter offenem Himmel! Die Gerbstoffe haben längst die Umgebung verändert, tauchen die Erde in gleißendes Weiß. Die Luft ist zum Schneiden dick, ein furchtbarer Gestank liegt über der unwirtlichen Landschaft. Menschen, in tief gebückter Haltung, gehen ihrem Tun nach, inmitten von blutigen Tierhäuten. Bottiche mit übel riechender Substanz köcheln vor sich hin. Dazwischen liegen die Leichen der Esel, nebenan suchen Kinderscharen nach einem Auskommen im Müll - einfach herzzerreißend!
Zwei Männer kommen mit einem Pickup auf uns zugerast. Auf der Ladefläche befindet sich allerlei Gerümpel - und mittendrinnen zwei Esel! Zuerst denken wir, die beiden müssten tot sein, völlig bewegungslos, die Köpfe in PVC-Säcke und unter Müll gesteckt. Dann aber werden sie entladen, einfach von der Ladekante geschmissen, jeglicher Bewegungsfreiheit durch festgezurrte Stricke beraubt. Sie klatschen im Wüstensand auf, die Fahrer beginnen die Fessel zu lösen - und siehe da, erste Bewegungen verraten: Sie sind tatsächlich am Leben! Sofort helfen wir die Bänder zu lösen, was sich als Schwerarbeit herausstellt - so eng sind sie festgezogen, dass jede Blutzirkulation unterbrochen war, tiefe Einschnitte an den Gelenken zurückbleiben...
Ein Eseltransport aus dem Landesinneren - er war ganze 500 mauretanische Straßenkilometer gefahren in größter Hitze - hat junge Tiere vom Land zum Markt gebracht. Ein Esel zollt den unfassbaren Strapazen Tribut: Er bricht zusammen, bleibt regungslos im Wüstensand liegen. Dr. Facharani und ich sind sofort zur Stelle, wenige Augenblicke später steht uns auch Dr. Dieng zur Seite. Zuerst geben wir dem Armen Wasser, er kann aber kaum den Kopf heben. Sein Kreislauf setzt aus; so flöße ich ihm die lebensrettende Flüssigkeit mittels einer Gießkanne ein, den Kopf auf den Schoß gestützt. Dr. Dieng setzt die Erstbehandlung fort, immer wieder übergießt er den Esel mit Wasser, reibt seinen Kopf damit ab. Dann verabreichen die beiden Veterinäre stärkende Medikamente. Langsam kehrt Leben in den malträtierten Körper zurück! Nun helfen wir ihm alle zusammen auf die Beine und führen ihn in den Schatten.
Der Arme wird es schaffen, was allerdings die Zukunft für ihn bereithält, ist ein ganz anderes Thema...
Dr. Dieng, unser Chefarzt vor Ort, will uns noch einen Platz zeigen. Nach wenigen Minuten Fahrt stehen wir vor einem Schlachthof für Esel, für jene Tiere, welche von chinesischen Investoren aufgekauft wurden, nur um deren Fleisch später ins Reich des Roten Drachens zu verschiffen. Der Hunger nach Eselfleisch ist groß in Asien, so groß, dass manche Länder Afrikas den Export bereits verboten haben, aus Angst, die Eselpopulationen im Land könnte daran zugrunde gehen... Tatsächlich sind hinter den Mauern des Schlachthofs viele Tiere zu sehen, auf kahlem Boden, verwirrt starren sie uns entgegen. Ob sie wissen, was mit ihnen passiert?
Am späteren Nachmittag gibt es erste Mannschaftsgespräche. Mit dabei sind Zappa, ein von uns ausgebildeter und der einzige echte Hufpfleger Mauretaniens, sowie sein Arbeitskollege Mohamed. Mohamed ist vor einigen Jahren zu unserem Team dazugestoßen. Er hatte uns beim Arbeiten beobachtet und fragte einfach, ob wir ihn nicht brauchen könnten. Zuvor war er schon im staatlichen Dienst unterwegs gewesen, um Rinderherden tief im Landesinneren Impfungen zu verabreichen. Wir sind sehr froh, Mohamed im Team zu haben, er ist ein überaus treuer und begeisterter Mitarbeiter. Überhaupt besteht das Team nun schon seit mehreren Jahren aus denselben Mitarbeitern; eine zusammengeschweißte Einheit, die sich des in sie gesetzten Vertrauens mehr als würdig erweist.
Was uns Zappa und Mohamed im Laufe der Unterredung erzählen, stimmt uns sehr hoffnungsvoll! Sie berichten engagiert, wie deutlich sich die Situation für die Esel nun verbessere, wie viel die Eselhalter dazugelernt hätten; wohl nur durch das unentwegte Aufklären unseres Teams. Die Eselhalter haben offenbar zu einem großen Teil verstanden: Es geht ihnen selbst besser, wenn es den Tieren gut geht! Noch vor zwei bis drei Jahren waren Gespräche mit Eselhaltern in der Regel so verlaufen: Schlagt den Esel nicht, dann wird er es euch mit Gesundheit und Willen hundertfach danken! Antwort: Gib ihm die Medikamente, der Rest ist nicht deine Angelegenheit!
Heute sieht die Situation - Gott sei es gedankt - anders aus: Die Menschen kommen oft von weit her und fragen nach Rat. Sie behandeln die Tiere wesentlich humaner, viele bauen eine echte Beziehung zu ihren vierbeinigen Arbeitskräften auf und selbst die Fütterung ist vielseitiger geworden.
Es gibt noch eine weitere Tierschutzorgansiation in der Hauptstadt Nouakchott, welche sich den Eseln verschrieben hat: SPANA aus England. Diese arbeitet vorwiegend in einem festen Zentrum. SPANA ( sea of neglected suffering ) wurde bereits 1921 von zwei Engländerinnen gegründet, um Arbeitstieren in Afrika zu helfen.
Das Ansehen unseres Teams ist groß geworden, wir dürfen es jeden Tag aufs Neue an den Einsatzorten erleben. Denn im Gegensatz zu anderen Organisationen ist unser Team in der ganzen Stadt unterwegs. Wir betreiben die einzige echte mobile Klinik, und genau eine solche ist es, die die Esel so dringend gebraucht haben! Zappa berichtet, viele Eselhalter sagen: Geh zu RespekTiere, da wirst du bestens betreut!
RespekTiere hat in der Hauptstadt Nouakchott
eine mobile Eselstation aufgebaut. An den Wasserstellen versorgen drei Tierärzte und ihre Mitarbeiter sowie einige Hufpfleger kostenlos die geschundenen Esel. Die Eselhalter werden aufgeklärt, dass sie ihre Tiere nicht mehr schlagen sollen. Sie erhalten Halfter für ihre Esel geschenkt, damit Richtungsänderungen nicht mehr durch Stockhiebe, sondern durch die Halfter eingeleitet werden. · Bild: RespekTiere
Die schlechten Geschirre schneiden ins Fleisch,
was zu Verletzungen führt. Die Eselhalter erhalten von den RespekTiere-Mitarbeitern kostenlos eine weiche Auflage, welche die Wunden schützt und die Geschirre abpolstert. RespekTiere lässt diese Auflagen speziell von Näherinnen aus einem Armenviertel herstellen. · Bild: RespekTiere
Auch die Hufe der Esel werden geschnitten
und behandelt, zusätzlich bekommen sie eine Vitaminspritze. · Bild: RespekTiere
Am nächsten Tag fahre ich mit Houda zu einem unserer Einsatzorte an den Wasserstellen, wo Zappa und Mohammed bereits zugegen sind. Der Platz ist etwas außerhalb, von den Eselhaltern gut besucht. Was aber vielleicht sogar noch wichtiger ist: Da sich nebenan eine Schule befindet, beobachten uns immer viele Kinder. Deshalb gilt - wie überall, aber ganz besonders hier - ein Hauptaugenmerk der Aufklärung. Immer wieder halten wir von der Arbeit inne, um der Jugend die übergeordnete Wichtigkeit im Umgang mit Tieren zu erklären. Und die Bemühungen fruchten, man kann einen einsetzenden Wandel regelrecht erspüren!
An der Wasserstelle gibt es für uns jede Menge zu tun: Esel werden entwurmt, kleinere Blessuren behandelt, Vitamine verabreicht. Zappa schneidet Hufe - wie wunderbar er das macht! Die Eselhufe sind jetzt wesentlich gesünder, nachdem er die meisten der Tiere an diesem Ort schon einmal grundbehandelt hat. Voller Stolz erkennen wir einmal mehr die Wichtigkeit des Tuns hier - das so ehrgeizige Projekt wird uns wohl ein Leben lang begleiten, gar keine Frage!
Außerdem montieren wir auf den Eselkarren mitgebrachte dreieckige Rückstrahler und kleben reflektierende Folie auf das Gestänge der Karren. In Zukunft werden sie vielleicht das eine oder andere Leben retten! Denn die Eselkarren sind völlig unbeleuchtet, was des nachts schnell zur tödlichen Gefahr für Mensch und Tier werden kann. Unzählige Esel sind bereits durch Kollisionen im teilweise wirklich höllischen Verkehr elendig verstorben oder - vielleicht noch schlimmer in dieser so gnadenlosen Umgebung - verkrüppelt zurückgeblieben.
Einstündige Operation unter freiem Himmel
Der Tag hatte eher behaglich begonnen, doch schon in der nächsten Sekunde bereitet sich der furchtbare Wahnsinn ein weiteres Mal vor unseren Augen aus: Ein Mann bringt einen Esel, und im ersten Augenblick gibt sich das Grauen gar nicht so klar zu erkennen. Aber beim zweiten Blick erstarrt die Seele, man kann es kaum glauben. Das arme Tier ist von einem Unbekannten angegriffen und malträtiert worden, mit einem Messer auf schlimmste Art und Weise, und es wurden ihm gar furchtbare Wunden zugefügt: Tiefe Stiche im Rückenbereich, die Haut klafft über 20 Zentimeter hinweg weit auseinander. Ein weiterer Schnitt oder Stich ist an der Seite zu sehen, ebenso tief, ebenfalls gut 20 Zentimeter lang. Das Kniegelenk ist offen, Blut läuft in dicken Strömen vom Bein. Dazu kommt eine klaffende, grauenhafte Schnittwunde am Oberschenkel. Jetzt gilt es schnell zu handeln: Zappa trägt Lokal-Anästhesie auf, dann näht Dr. Facharani die erste Wunde. Der Esel hält sich unglaublich tapfer. Es vergehen quälende 20 Minuten, bis das Nähgarn die Wunde schließlich gänzlich verschließt. Das Halten des Tieres stellt sich als wahre Schwerstarbeit heraus. Welche Kraft so ein Eselchen hat - man glaubt es kaum. Bei der zweiten Verletzung gestaltet sich der Eingriff noch schwieriger, in einer Operation unter freiem Himmel sind die Möglichkeiten leider sehr begrenzt. Der Esel ist schließlich nahe dem Zusammenbruch, so laufe ich schnell Wasser kaufen und lasse ihn immer wieder aus der Flasche trinken. Letztendlich dauert die Operation eine Stunde: 60 qualvolle Minuten, die sich anfühlen wie ein ganzer langer Tag. Wie die Esel den unbändigen Schmerz, die Angst, den Druck, aushalten - es ist immer wieder ein Wunder. Unfassbare Tiere sind es, gesegnet mit nicht zu vergleichender Würde... Endlich ist das Notwendige getan, der Esel darf aufspringen; noch bekommt er eine Entwurmung verpasst, natürlich ein Antibiotikum und Schmerzmittel, dann nehmen wir den Halter in die Pflicht.
Am nächsten Tag sehen wir nach dem Esel. Der Eselhalter ist sehr bekümmert, leidet mit seinem Gefährten merklich mit. Schnell säubern wir zuerst einmal die Wunden, besonders jene an den Beinen sind doch infiziert. Dann werden sie vorsichtig bandagiert. Der Esel bekommt mehrere Spritzen, was ihm gar nicht gefällt. Einige Karotten haben wir mitgebracht, die nimmt der Liebe dankbar an. Sein Halter bringt schließlich den eigenen Umhang, mit welchem wir den Esel umwickeln. So kann er sich jetzt auch halbwegs gefahrlos in den Sand legen.
Viele Esel werden besser behandelt
Heute arbeiten wir an einem Scheidepunkt zwischen zwei Hauptmärkten. Hier stehen hunderte Esel, die allesamt unsere Hilfe benötigen. Und sofort sind wir umringt von Eselhaltern, welche eine Betreuung für ihre Tiere haben möchten. Manche Esel sehen übrigens wirklich gut aus. Natürlich belohnen wir gerade diese Halter mit mitgebrachten Sonnenbrillen, Warnwesten und Baseball-Kappen! Für viele Esel allerdings ist die Unterstützung durch das RespekTiere-Team dringend nötig... Bis weit nach Mittag arbeiten wir nun, die Handgriffe sind größtenteils bereits Routine.
Am darauffolgenden Tag ist der Fischmarkt am endlosen Strand von Nouakchott unser Einsatzort. Dadurch, dass die Esel in dieser Umgebung viel häufiger durch den Wüstensand laufen, bekommen ihre Hufe wenig Abrieb - es kommt zu unglaublichen Verwachsungen. Schwerstarbeit also für Zappa! Doch der ist eine wahre Koryphäe auf seinem Gebiet! Unfälle bleiben bei dem harten Handwerk natürlich leider nie aus. So hat er sich heute mit den scharfen Hufmessern in einem unachtsamen Moment böse in den Finger geschnitten. Aber tapfer macht er einfach weiter, der von uns angelegte Verband schützt die tiefe Wunde.
Die große Anzahl der Esel sind in überwiegend gutem Zustand. Viele haben aber dennoch die typischen Wunden entlang der Wirbelsäule, welche vom oft abenteuerlichen Zuggeschirr stammen. Deshalb geben wir auch rund 30 Wundauflagen weiter, welche wir speziell von Näherinnen in einem Armenviertel herstellen lassen. Diese kosten zwar rund 4 Euro pro Stück, aber sie bieten eine enorme Erleichterung für den Esel. Augensalben sind ebenfalls sehr wichtig, und fast jeder Vierbeiner bekommt zusätzlich eine Vitaminspritze.
Am Ende unseres Einsatzes lassen wir das Erlebte Revue passieren. Mauretanien ist ein Land, welches selbst jenen, die auf der Sonnenseite des Lebens gelandet sind, alles abverlangt. Dass darunter besonders die Schwächsten der Gesellschaft - und das sind wie überall die Tiere - entsetzlich leiden, wird als gegeben angesehen. Man verschwendet viel zu oft gar keinen Gedanken an das Schicksal der Tiere, solange man die eigenen Kinder nicht satt bekommt. Diesen Zustand gilt es zu ändern! Es ist eine Misere, die zum allergrößten Teil die Kolonialmächte ausgelöst haben. Auch daran sollten wir bei jedweder Beurteilung denken.
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