Europarat senkt Schutzstatus: Feuer frei auf Wölfe
Wölfe waren in Europa bislang durch die Berner Konvention streng geschützt. Doch unter dem Druck populistisch agierender Lobbyverbände, getrieben von Nutztierhaltern und Jagdfunktionären, stimmte ein Ausschuss des Europarats am 3.12.2024 dafür, den Schutzstatus von »streng geschützt« auf »geschützt« herabzusetzen. Damit wird ein schneller Abschuss von Wölfen möglich. Zuvor hatte die Mehrheit der über 40 EU-Länder des Europarats für die Herabsetzung des Wolfsschutzes gestimmt. Diese politisch motivierte Entscheidung widerspricht allen wissenschaftlichen Fakten über die Lebensweise des Wolfes und seine Auswirkungen auf die Weidewirtschaft. Dabei dürfte eine Herabstufung im europäischen Artenschutzrecht nach dem eigenen Anspruch der Berner Konvention nur auf streng wissenschaftlicher Grundlage erfolgen.
Herabstufung des Wolfschutzes dürfte nur auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgen
Die Herabstufung des Schutzes von Wölfen ist eine besorgniserregende Kehrtwende in der bislang überwiegend wissenschaftlich basierten Naturschutzpolitik der EU und des Europarates. Naturschutzorganisationen befürchten, dass in der Folge die Schranken des Artenschutzes für weitere streng geschützte Tierarten wie den Biber oder den Fischotter fallen könnten.
Die mit der Herabsenkung erhoffte erleichterte »Entnahme« von Wölfen oder gar die flächendeckende Bejagung wird nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht zu weniger Wolfsangriffen auf ungeschützte Nutztierherden führen.
Schafe werden oft ohne Schäfer und ohne Herdenhund im Freien gehalten - da kann es schon einmal vorkommen, dass ein Wolf ein Schaf als leichte Beute fängt.
Für Schafe ist der Wolf das kleinste Problem
Wenn Schafe von einem Wolf gerissen werden, sorgt das jedes Mal für Schlagzeilen. Doch tatsächlich sind nur zwei Prozent der toten Tiere auf einen Wolfsangriff zurückzuführen. Dies zeigt eine Statistik aus der Schweiz. 98 Prozent der Schafe, die noch vor ihrer Schlachtung sterben, verenden an Krankheiten, der Haltung im Freien bei schlechter Witterung und sonstigen schlechten Haltungsbedingungen. Seit 2020 werden Tiere, die durch Vernachlässigung oder Krankheit verenden, an die Tierverkehrsdatenbank Identitas gemeldet. Sie Statistik zeigt: Die Zahl der verendeten Schafe nimmt rasant zu, obwohl die Anzahl Schafe gleich bleibt. Starben 2021 noch 40.000 Tiere, waren es 2024 schon über 56.000. Etwa tausend Schafe im Jahr wurden demnach von Wölfen gerissen.
Die medialen Aufschreie, wenn ein Schaf oder ein Kalb von einem Wolf gefangen wurde, erfolgen im Übrigen nicht aus Tierliebe, sondern aus rein wirtschaftlichem Interesse. Schafe und Kälber werden bei uns in der Regel nicht aus Tierliebe gehalten, sondern weil sie geschlachtet werden.
Herdenschutz statt Wolfsabschuss
Bei all der Aufregung um groß aufgemachte Berichte über Wolfsangriffe auf Nutztiere ist es wichtig zu wissen: Nutztiere machen lediglich 1,1 Prozent der Beute von Wölfen aus. Dies zeigen Untersuchungen aus Deutschland, die das Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz 15 Jahre lang anhand von Kotproben durchgeführt hat.
Außerdem erhalten Nutztierhalter von den Bundesländern finanzielle Unterstützung für Herdenschutzmaßnahmen wie den Bau von wolfssicheren Zäunen, Herdenschutzhunde sowie Entschädigungen, wenn tatsächlich ein Wolf Schafe oder ein Kalb geholt hat.
Dass Herdenschutz funktioniert, zeigen die jahrelangen Erfolge der IG Herdenschutz plus Hund in Sachsen-Anhalt. Dort haben Weidetierhalter mit 25.000 Tieren seit sechs Jahren nicht einen einzigen Riss zu verzeichnen.
Für viele Jäger ist der Wolf ein Feindbild
Viele Jäger sehen den Wolf als Konkurrenten, der ihnen Rehe, Hirsche und Wildschweine wegfängt. Unter dem Motto »Der Wolf frisst die Wälder leer« werden immer öfter Forderungen von Jägern laut, den Wolf zu bejagen.
Bisher rechtfertigten Jäger die Jagd damit, dass wegen des Fehlens der großen Beutegreifer Wolf, Luchs und Bär Wildbestände durch den Menschen reguliert werden müssten. Nun wird von Jägern argumentiert, man müsse die Wildtiere vor dem Wolf schützen. Die Wahrheit ist: Wölfe rotten keine Wildtiere aus. Wölfe halten Wildtierbestände gesund, da sie vor allem alte und kranke Tiere erbeuten.
Zwei große Studien aus Frankreich zeigen, dass trotz der Entnahme eines Fünftels (!) der Wolfspopulation die Risse von Weidetieren nicht zurückgingen, sondern sogar eher gestiegen sind. Wölfe leben in Familienverbänden mit komplexen Sozialstrukturen. Zerschossene Sozialverbände führen immer auch dazu, dass durch führungslose Jungwölfe Übergriffe auf Weidetiere eher zunehmen. Werden durch Abschuss von Leitwölfen Reviere frei, besetzen revierlose Wölfen diese sofort wieder und es entsteht ein neues Rudel. Sind dagegen alle Reviere besetzt, sinkt die Vermehrung drastisch.
Klage beim Europäischen Gerichtshof
Fünf Umwelt- und Tierschutzorganisationen aus mehreren europäischen Ländern haben nach der Absenkung des Schutzstatus von Wölfen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die Unterzeichnerstaaten der Berner Konvention eingelegt - wegen Fehlern in den Abläufen der EU, fehlender demokratischer Prozesse und fehlender wissenschaftlicher Grundlage. Um die Annahme der Herabstufung in der EU zu erwirken, hatte sich die Europäische Kommission direkt an die Berner Konvention gewendet. Dabei wurde die übliche 60-Tage-Frist ignoriert, so dass keine Nichtigkeitsklagen gegen diese Entscheidung eingelegt werden konnten. Die Herabsetzung des Wolfsschutzes sei wissenschaftlich nicht fundiert und es gebe keinen wissenschaftlichen Überprüfungsprozess. Mehr als 700 Wissenschaftler sowie eine Gruppe von IUCN-Spezialisten hatten empfohlen, dass der Schutzstatus des Wolfes bei der Berner Konvention nicht herabgesetzt wird.
Quellen und weiterführende Lektüre:
· Der Wolf ist für die Schafe das kleinste Problem. naturschutz.ch, 9.1.2025
Informationen zu Herdenschutzmaßnahmen:
NABU-Projekt »Herdenschutz Niedersachsen« www.herdenschutz-niedersachsen.de IG Herdenschutz plus Hund e.V. |