Faszinierende Flugkünstler: Fledermäuse
Von Julia Brunke, Redaktion FREIHEIT FÜR TIERE
Fledermäuse sind intelligente und lernfähige Tiere, hochsozial und überaus faszinierend. Sie »sehen« mit den Ohren, denn sie orientieren sich mit Ultraschall. Mit 800 Herzschlägen pro Minute sausen sie im Dunkeln durch die Lüfte auf der Suche nach Insekten, die sie meist im Flug fangen. Dabei stoßen sie Ultraschallwellen aus, die als Echos zurückgeworfen werden. Die einzelnen Echos werden von ihrem Gehirn in die richtige Abfolge gebracht. So können Fledermäuse die Umgebung erfassen und somit orten, wie weit ein Baum oder ein Insekt entfernt ist und sogar mit welcher Geschwindigkeit und in welche Richtung es sich bewegt. Ultraschallrufe liegen weit über der menschlichen Hörfähigkeit. Fledermäuse kommunizieren mit einem differenzierten Lautrepertoire. Sie haben ein gutes Gedächtnis, können komplexe Entscheidungen treffen und sich über tausende Kilometer zurecht finden. Und wie bei uns Menschen geben erwachsene Fledermäuse ihr erlerntes Wissen und die Sprache an ihre Kinder weiter.

Graue Langohrfledermaus.
Fledermäuse sind überaus nützliche Tiere und ökologisch von großer Bedeutung als Bestäuber, Samenausbreiter und Vertilger von Schadinsekten. So können Fledermäuse im Garten und in der Landwirtschaft Pflanzen vor Schädlingsbefall bewahren. Und: Wer Fledermäuse im Garten hat, wird weniger von Mücken gestochen. ·
Fledermauserwachen im Frühling
Mitte März bis Anfang April, wenn es langsam wärmer wird, erwachen die Fledermäuse aus ihrem Winterschlaf und machen sich auf den Weg in ihre Sommerquartiere, die hunderte Kilometer von ihren Winterquartieren entfernt sein können. Die Sommerquartiere der Fledermäuse befinden sich, je nach Fledermausart, in Baum- oder Felshöhlen, in Dachstühlen von Gebäuden, an der Außenfassade in kleinen Mauerritzen, in Ställen oder Tunneln.
Den Sommer verbringen weibliche und männliche Tiere in getrennten Quartieren. Die weiblichen Fledermäuse bilden »Wochenstuben«, in denen sie im Frühsommer ihre Kinder gebären und aufziehen. Eine Fledermausmutter bringt nur ein Kind im Jahr zur Welt, selten auch zwei. Bei kleinen Arten wiegen neugeborene Fledermausbabys weniger als ein Gramm. Sie werden etwa einen Monat von der Mutter gesäugt. Bis sie flügge sind, bleiben die Kleinen in den Wochenstuben. Wenn die Mütter nachts auf Beutefang fliegen, kehren sie mehrmals in der Nacht zurück, um ihre Kinder zu säugen und zu wärmen. Nach vier bis sechs Wochen werden die jungen Fledermäuse flügge und lernen von der Mutter das Insektenfangen und alles, was sie zum Leben brauchen.
Spannendes Lernen der Sprache
Forschungen zeigen, dass Fledermäuse genauso lernen wie wir Menschen. Die Sprache entwickelt sich wie bei unseren Kindern: Erst wird gebabbelt, dann nachgeahmt. Sie lernen, aus Einzelsilben verschiedene Lautäußerungen zusammenzusetzen, mit denen sie kommunizieren. Dabei ist die Reihenfolge der Silben wichtig, um Sinn zu ergeben. Komplexe Lautäußerungen müssen erlernt werden.
Am Tag schlafen die Fledermäuse. Bei Schlechtwetterperioden bleiben sie in diesem Tagesschlaf, ähnlich wie beim Winterschlaf, wobei die Körperfunktionen aber nicht so stark abfallen. Nach einigen Tagen brauchen sie wieder Nahrung.
Das Winterhalbjahr wird verschlafen
Im September und Oktober futtern sich die Fledermäuse in sehr kurzer Zeit 20 bis 30 Prozent an Gewicht und einen großen Fettvorrat an, um den langen Winterschlaf zu überstehen. Sie verlassen ihre Sommerquartiere und machen sich auf den oft langen Flug zurück in die Winterquartiere. Ab Mitte September und oft während des Zuges in die Winterquartiere paaren sich die Fledermäuse. Die männlichen Fledermäuse locken mit ihren Balzrufen die Fledermausdamen in Baumhöhlen, die sogenannten Balzquartiere, um sich zu paaren. Die Befruchtung und Entwicklung der Embryonen erfolgt aber erst nach fünf bis sechs Monaten Winterschlaf im nächsten Frühjahr.
Die Winterquartiere bewohnen weibliche und männliche Fledermäuse gemeinsam. Um den Wärmeverlust so gering wie möglich zu halten, kuscheln sich viele eng aneinander.
Während des Winterschlafs senkt sich die Körpertemperatur auf fünf bis drei Grad Celsius herab. Dafür verlangsamen die Fledermäuse ihren Herzschlag und Atmung bis um das 40-fache. Fällt die Körpertemperatur unter drei Grad, heizen sie durch Verbrennung von Fettreserven nach.
Fledermäuse sind bedroht
In Deutschland leben 25 Fledermausarten, die gefährdet und darum alle streng geschützt sind. Fledermäuse können bis zu 38 Jahre und noch älter werden. Doch die meisten sterben früher: durch Verlust ihrer Lebensräume, Vergiftung durch Pestizide, Nahrungsmangel durch das Insektensterben, durch den Verkehr oder Windräder. So werden Fledermäuse im Schnitt nur fünf bis sechs Jahre alt.
Zur Hauptbedrohung unserer heimischen Fledermäuse zählen Umweltgifte, vor allem Pestizide aus der industriellen Landwirtschaft. Durch die Vernichtung der Lebensräume von Insekten und die Vergiftung mit Pestiziden verlieren Fledermäuse ihre Nahrungsgrundlage. Weil alte Bäume mit Baumhöhlen abgeholzt werden und Totholz ausgeräumt wird, weil strukturreiche Gebiete mit Hecken und Auen der industriellen Landwirtschaft oder der Versiegelung zum Opfer fallen und weil durch Sanierungen Quartiere und Nischen an Gebäuden verschlossen werden, gehen die Lebensräume der Fledermäuse verloren.
Fledermaus gefunden: Was nun?
Von Christian Kutschenreiter
Wenn Sie eine verletzte, junge oder geschwächte Fledermaus gefunden haben, gilt es einiges zu beachten. Meist ist die Sache dringlich und Sie wissen nicht, an wen Sie sich wenden können. Versuchen Sie bitte nicht, die Fledermaus selber zu pflegen, hierzu ist sehr viel Erfahrung nötig und vermutlich wird dies nicht zum Wohl der Fledermaus sein. Übergeben Sie die Fledermaus schnellstmöglich einem Fledermausspezialisten! Erfahrungsgemäß ist der Versuch, einen Tierarzt oder ein Tierheim zu kontaktieren, verlorene Zeit, da die Annahme von »Wildtieren« verweigert wird.
1. Fledermäuse bitte nicht mit der bloßen Hand anfassen, sondern sehr vorsichtig mit einem übergeworfenen dünnen Geschirrtuch, das Sie langsam von außen zur Fledermaus hin zusammenschieben. Nehmen Sie die Fledermaus mit dem Tuch vorsichtig auf, denn die Tiere können empfindlich beißen und in Ausnahmefällen auch Krankheiten übertragen.
2. Setzen Sie die Fledermaus dann in eine Notfallbox, hierzu reicht ein Karton mit ein paar zuvor hineingestochenen Luftlöchern. Achten Sie darauf, dass kein Klebeband ein Festkleben der Fledermaus oder eine nach innen ragende Metallklammer eine Verletzung verursachen kann. Die Box muss gut verschlossen werden, denn Fledermäuse sind »Ausbrecherkönige«: Bereits kleine Spalten von 6-10 mm reichen ihnen, um sich hindurch zu zwängen.
3. Fledermäuse dehydrieren sehr schnell. Wenn Sie sich es zutrauen, bieten Sie mit einer Pipette oder einem kleinen Löffel Wasser an. Sie nehmen es meist dankbar an und trinken ein paar Tropfen. Mund und Nasenlöcher liegen sehr nahe beieinander, darum darf das Wasser nur von unten angeboten werden.
4. Kontaktieren Sie bitte umgehend einen Fledermausspezialisten!
Informationen:
Interview mit Fledermausspezialist Christian Kutschenreiter: »Jede Fledermaus hat eine eigene Persönlichkeit«
Wie wird man nebenberuflicher Fledermausspezialist? Und wie fotografiert man eigentlich die Flugakrobaten der Nacht? FREIHEIT FÜR TIERE sprach mit Christian Kutschenreiter, von dem alle Fledermausfotografien auf dieser und den vorausgegangenen Seiten stammen. Gemeinsam mit seiner Frau Bettina setzt er sich in der Freizeit nach der Arbeit und am Wochenende für Fledermäuse, Biber und andere freilebende Tiere ein.
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Bettina Kutschenreiter und Christian Kutschenreiter, beide 1974 geboren, entdeckten 2002 die Naturfotografie für sich. Ihre Foto- und Filmarbeiten werden in Vorträgen gezeigt und in Zeitschriften, Magazinen, Büchern und im Fernsehen veröffentlicht.
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»Nachdem wir unsere erste Fledermaus groß gezogen hatten, rutschten wir immer mehr in die Fledermauspflege hinein...«
FREIHEIT FÜR TIERE: Ihre Fotografien von Fledermäusen sind atemberaubend! Sie fotografieren nicht nur, Sie geben gemeinsam mit Ihrer Frau Bettina den Fledermäusen eine Stimme. Erzählen Sie uns: Wie kam es dazu? Was fasziniert Sie an den nächtlichen Flugkünstlern?
Christian Kutschenreiter: Wir sind ganz zufällig in die Fledermauspflege »gerutscht«. Erst haben wir bei einem Fledermaus-Film etwas assistiert, dadurch entstanden Kontakte zu offiziellen Stellen und schon hatten wir den ersten Pflegling. Am Anfang waren es nur wenige und auch eher selten, aber es spricht sich schnell herum, wenn es wieder jemanden gibt, der sich um Findlinge kümmert - und so werden es immer mehr.
Fledermäuse sind extrem faszinierende, sensible, intelligente, »knuffige«, robuste aber auch verletzliche Tiere. Jede hat ihre eigene Persönlichkeit und Verhaltensweisen, es ist faszinierend so etwas erleben zu können. Sie können über 30 Jahre alt werden und bekommen, bis auf wenige Arten, nur ein Jungtier im Jahr.
FREIHEIT FÜR TIERE: Wie entstehen Ihre beeindruckenden Fotos von Fledermäusen? Fliegen Ihnen Fledermäuse mehr »zufällig« vor die Linse oder liegen Sie stundenlang draußen auf der Lauer, um das perfekte Motiv zu fotografieren?
Christian Kutschenreiter: Fledermäuse zu fotografieren ist äußerst aufwändig bezüglich Zeit und Technik - und das erfordert auch viel Wissen über die Tiere. Natürlich ist das nur nachts möglich. Da sind schlaflose Nächte und viele Rückschläge natürlich vorprogrammiert.
»Fledermaus Willi kam zu uns, als er eine Woche alt war - er erkannte uns nach seiner Auswilderung wieder!«
FREIHEIT FÜR TIERE: Gibt es ein besonderes Erlebnis mit Fledermäusen, von dem Sie uns berichten möchten?
Christian Kutschenreiter: Unser Erlebnis mit dem »Willi«, einer grauen Langohrfledermaus. Willi kam zu uns, da war er eine knappe Woche alt, noch nackt und winzig. Wir haben ihn zusammen mit einer Mückenfledermaus, die ein paar Tage später zu uns kam, großgezogen. Er wurde von uns mit einem extra Fledermauskasten am Fundort wieder ausgewildert. Nach sechs Wochen wollten wir den Kasten wieder abholen. Willi nutzte den Kasten immer noch als Quartier, und als wir mit der Leiter hochstiegen und mit ihm redeten, kletterte er heraus, holte sich einen Mehlwurm und schlüpfte wieder rein. Es ist unglaublich, dass er uns nach dieser Zeit sofort wiedererkannte und auch das Vertrauen hatte, sofort zu uns rauszuklettern. Das war ein echter Gänsehaut-Moment - offensichtlich haben wir alles richtig gemacht und er hat sich in all den Wochen selbständig versorgt.
FREIHEIT FÜR TIERE: Leider sind Fledermäuse in Deutschland, wie viele andere Tierarten, bedroht. Was können wir tun, um Fledermäusen zu helfen?
Christian Kutschenreiter: Viele Gärten gleichen leider eher grünen Wüsten ohne jegliche Blühpflanzen. Mit ein wenig einheimischen Blühpflanzen, einer liebevoll vernachlässigten Ecke des Gartens oder auch blühenden Balkons würden sich wieder viel mehr Insekten und heimische Tierarten einfinden.
Das wäre auch für die Fledermäuse sehr wichtig, da diese bedauerlicherweise immer weniger Nahrung aufgrund des Insektensterbens finden. Wichtig wäre auch Fledermausquartiere zu erhalten und neue zu schaffen. Oft gehen leider Quartiere verloren, meist in Unkenntnis von seinen heimlichen »Untermietern«. Fledermäuse nutzen diese Quartiere über viele Jahre und Jahrzehnte, daher stellt ein Quartierverlust ein großes Problem für die Tiere dar. Dazu zählen natürlich auch Baumquartiere. Vor entsprechenden Eingriffen sollte ein Spezialist zur Begutachtung hinzugezogen werden.
Es werden im Sommer oft sogenannte »Bat Nights« angeboten, das ist eine tolle Gelegenheit, die faszinierenden Tiere wirklich näher kennenzulernen!