»Freiheit für Tiere«-Interview mit Hannes Jaenicke
»Die einzige Antwort auf die Massentierhaltung ist der Verzicht auf ihre Produkte«
»Freiheit für Tiere« sprach mit dem Schauspieler und bekannten Umweltschützer Hannes Jaenicke über die Recherchen zu seinem neuen Buch, warum er vor 40 Jahren zum Vegetarier wurde, warum er Hafermilch trinkt, über das Problem, dass immer noch zu viele Menschen schlecht informiert sind und was dagegen zu tun ist.
Freiheit für Tiere: Ihr Buch trägt den Titel »Die große Sauerei« und entstand im Anschluss an Ihre ZDF-Doku »Im Einsatz für das Schwein«, die im Mai 2022 gesendet wurde. Hier zeigten Sie bewusst nicht das millionenfache Leid in der Massentierhaltung - sondern Sie zeigten, dass Schweine sehr liebenswerte, freundliche, überaus soziale und unglaublich intelligente Wesen sind: Sie erkennen sich im Spiegel - haben also ein Ich-Bewusstsein -, hören auf ihren Namen, sie schließen Freundschaften, sind unglaublich sozial und kommunizieren über eine subtile Sprache, sie sind unglaublich lernfähig, verfügen über ein Langzeitgedächtnis und sie zählen zu den intelligentesten Säugetieren auf unserem Planeten. Was hat Sie persönlich bei Ihren Recherchen besonders bewegt?
Hannes Jaenicke: Drei Dinge: Wie sehr sich das Sozialverhalten von Schwein und Mensch ähneln. Auch dass während unserer Drehzeit einem Amerikaner erfolgreich ein Schweine-Herz transplantiert wurde, weil die jeweilige DNA so ähnlich ist, hat mich überrascht. Und wie reinlich Schweine sind, wenn sie nicht in Ställen eingepfercht sind.
Freiheit für Tiere: Wenn sie in großen Ställen mit Auslauf leben, legen Schweine sogar Toiletten an - der Futterplatz und der Schlafplatz werden immer penibel getrennt. Sie haben mindestens so empfindliche Nasen wie Hunde. Und wir Menschen stecken Schweine in viel zu kleine Ställe, in denen sie sich kaum bewegen können, und lassen diese reinlichen Tiere in ihren eigenen Fäkalien und in furchtbarem Gestank vegetieren, so dass sie von dem ganzen Ammoniak in der Luft entzündete Augen bekommen. Was die Schweine betrifft, stimmt der Titel »Die große Sauerei« also nicht - müsste es nicht eigentlich »Die große Menscherei« heißen?
Hannes Jaenicke: Da haben Sie vermutlich recht. Aber da wir ‚Sauerei’, ‚dumme Sau’, ‚Drecksau’ als Schimpfwörter benutzen, fanden wir diesen Titel dann doch ganz passend.
Freiheit für Tiere: Sie waren bei Ihren Recherchen selbst in einem Schweine-Massenstall. Was möchten Sie uns davon berichten?
Hannes Jaenicke: Je weniger, desto besser. Es war traurig, ekelhaft, bemitleidenswert. Die einzige Antwort auf diese Art der Massentierhaltung ist der Verzicht auf ihre Produkte.
Freiheit für Tiere: In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Milchkühe die bemitleidenswertesten Tiere in der Nahrungsmittelindustrie sind. Warum geht es den Milchkühen noch schlechter als den Schweinen?
Hannes Jaenicke: Weil dort die Qualzucht meiner Ansicht nach noch perversere Ausmaße angenommen hat als in der Schweinezucht. Die Milchleistung dieser Tiere wurde ich den letzten 40 Jahren durch Zucht in etwa vervierfacht.
Freiheit für Tiere: Ihrem Buch »Die große Sauerei« prangern Sie eklatante systemimmanente Missstände in der industriellen Fleischproduktion an. Und Sie weisen auch in jeder Talkshow zu diesem Thema darauf hin: »In Deutschland wird faktisch das Tierschutzgesetz wissentlich und absichtlich gebrochen.« Wie ist das möglich? Der Tierschutz steht doch seit 2002 sogar im Grundgesetz und wurde zum Staatsziel erhoben?
Hannes Jaenicke: Das müssen Sie leider die Politik und Industrie fragen. Und den Verbraucher, der seine Haustiere liebt und verwöhnt, sogenannte Nutztiere aber gedankenlos verzehrt, wohl wissend, wie es in der Massentierhaltung und bei Tiertransporten zugeht.
Freiheit für Tiere: Sie haben schon vor vier Jahrzehnten aufgehört, Fleisch zu essen. Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Hannes Jaenicke: Zwei Drehtage als Nachwuchsschauspieler in einer Hühnerfabrik Anfang der 1980er haben mir den Appetit auf Fleisch nachhaltig verdorben.
Freiheit für Tiere: Sie haben einmal erzählt, dass Sie vor 20 oder 30 Jahren der Einzige am Film-Set waren, der sich vegetarisch ernährte. Heute gibt`s für mindestens ein Drittel der Crew fleischlos. Was hat sich verändert?
Hannes Jaenicke: Es spricht sich langsam aber sicher herum, dass Fleisch ein umweltschädliches und nur bedingt gesundheitlich verträgliches Nahrungsmittel ist. Und dass die industrielle Massentierhaltung ein Umwelt- und Tierschutz-Verbrechen ist.
Freiheit für Tiere: In so ziemlich jeder Talkshow, in die Sie in Zusammenhang mit Ihrem neuen Buch eingeladen wurden, haben Sie gesagt, dass Sie seit Jahren statt Kuhmilch Hafermilch trinken. Wie kam es dazu?
Hannes Jaenicke: Ich meide tierische Produkte soweit es irgend geht, und Hafermilch schmeckt mir mindestens genauso gut wie Kuhmilch. Am wichtigsten ist mir, dass sie ohne Tierleid hergestellt wird.
Freiheit für Tiere: Inzwischen geht es beim Thema Fleisch und Milch um unser Überleben auf diesem Planeten. Denn um Fleisch und Milchprodukte zu produzieren, vernichten wir unser Klima und unsere Lebensgrundlagen: Grundwasser, Böden, Artenvielfalt ... Verstehen Sie Ihr Buch und die dazugehörigen Auftritte in Talkshows, Interviews und so weiter auch als eine Art »Weckruf« an Politik und Gesellschaft?
Hannes Jaenicke: Ja, es ist ein hoffentlich nicht völlig wirkungsloser Teil meiner Umweltaktivitäten. Wer Umweltschutz ernst nimmt, muss vor allem über die überfällige Agrarwende und eine Reduktion unseres Konsums von tierischen Lebensmitteln nachdenken.
Freiheit für Tiere: Und was kann jeder Einzelne tun - für den Schutz der Tiere, für das Klima, für unseren Planeten?
Hannes Jaenicke: Idealerweise auf tierische Produkte verzichten - oder zumindest zum Sonntagsbraten zurückkehren. Kein Essen mehr wegschmeißen, Plastik meiden und Gebrauchtes kaufen, wo es nur geht, und unseren Energiekonsum auf das Notwendige reduzieren.
Freiheit für Tiere: Was möchten Sie den Leserinnen und Lesern von »Freiheit für Tiere« noch sagen?
Hannes Jaenicke: Ich vermute, dass Eure Leser bereits sehr gut informiert sind. Trotzdem würde ich mich freuen, wenn sie die Recherchen und Erkenntnisse unseres Buches weiterverbreiten würden. Es gibt immer noch zu viele Menschen, die schlecht informiert sind und keine Ahnung haben, was uns Agrar-Lobby und Lebensmittelindustrie als sogenannte ‚Lebensmittel’ andrehen.
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