Grundstücke in Rohrbronn (Baden-Württemberg) jagdfrei!
Von Julia Brunke, Redaktion FREIHEIT FÜR TIERE
Die Grundstücke von Eva Maria Leitner in Remshalden-Rohrbronn nahe Stuttgart sind seit 1.4.2023 offiziell jagdfrei. Im Februar 2023 erhielt die Tierfreundin den Bescheid des Kreises Rems-Murr, dass ihrem Antrag auf jagdrechtliche Befriedung zum Ablauf des Jagdjahres zugestimmt wurde – nur 10 Monate nach der Antragstellung!
Eva Maria Leitner kann die Jagd auf ihren Streuobstwiesen (insgesamt etwa 4000 Quadratmeter) nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Wie alle Grundstückseigentümer außerhalb geschlossener Ortschaften war sie automatisch Mitglied in der Jagdgenossenschaft. Die Jagdgenossenschaft verpachtet die Flächen an Jäger. Dies bedeutet, dass Jäger auf den privaten Grundstücken, die zwangsweise Teil einer Jagdgenossenschaft sind, die Jagd ausüben dürfen. Sie dürfen Hochsitze errichten und Futterstellen anlegen, Tiere schießen, Fallen aufstellen und sogar Treibjagden abhalten.
Grundstückseigentümerin kann das Töten von Tieren auf ihren Streuobstwiesen nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren
Der Antrag der Grundstückseigentümerin auf jagdrechtliche Befriedung aus ethischen Gründen war am 17.3.2022 bei der zuständigen Unteren Jagdbehörde beim Landratsamt Rems-Murr eingegangen. Ihre Beweggründe formulierte Eva Maria Leitner so: »Aus ethischen Gründen lehne ich generell das Töten von Tieren jeglicher Art ab. Mit meinem Gewissen ist nicht zu vereinbaren, dass Jäger auf meinen Grundstücken Wildtiere oder gar Haustiere (wie schon geschehen) töten. Aus ethischen Gründen kann ich dafür mein Land nicht zur Verfügung stellen. Das Jagen und Töten von Wildtieren auf meinem Boden stellt für mich eine enorme psychische Belastung dar und wird von mir aus ethischen Gründen abgelehnt. Auf Grund dieses belastenden Gewissenskonfliktes ist es für mich unzumutbar, die Jagd auf meinem Grundstück gegen meine ethische Überzeugung weiter hinzunehmen.«
Eva Maria Leitner berief sich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der mit seinem Urteil vom 26.06.2012 festgestellt hatte: Die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft verstößt gegen die Menschenrechte, sofern der Eigentümer die Jagd aus ethischen Gründen ablehnt. Es ist nicht mit dem in der Menschenrechtskonvention garantierten Schutz von Eigentum zu vereinbaren, wenn Grundstückseigentümer zwangsweise Mitglied einer Jagdgenossenschaft sind und somit die Jagd auf ihrem Grundstück dulden müssen.
Am Schluss ihres Antrags auf jagdrechtliche Befriedung schrieb Eva Maria Leitner daher: »Ich bitte sie meinem Antrag so schnell als möglich zu genehmigen. Bei Ablehnung werde ich gerichtliche Schritte einleiten, da ein negativer Bescheid nicht mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Einklang steht.«
Nur ein Jahr nach dem Antrag auf jagdrechtliche Befriedung: Die Grundstücke sind seit 1.4.2023 jagdfrei!
Weniger als ein Jahr später, im Februar 2023 erhielt die Tierfreundin den Bescheid des Kreises Rems-Murr, dass ihrem Antrag auf jagdrechtliche Befriedung ihrer Grundstücke zum Ablauf des Jagdjahres am 31.3.2023 zugestimmt wurde. »Der Antrag wurde problemlos genehmigt«, berichtet die Grundstückseigentümerin. »Ich war sehr verwundert, dass es verhältnismäßig schnell ging.« Die Kosten für die Befriedung: 640 Euro. »Die 640 Euro zahle ich sehr gerne, wenn dadurch mein Grundstück jagdfrei wird«, so die engagierte Tierfreundin.
»Ich habe sehr viele Berichte von Grundstückseigentümern gelesen, bei denen die Beantragung auf jagdrechtliche Befriedung sehr schwierig verlief und mehrere Jahre dauerte. Ich will Mut machen durch meine Geschichte!«
Zwangsbejagung verstößt gegen Menschenrechte
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seinem Urteil vom 26.06.2012 im Verfahren Herrmann gegen Bundesrepublik Deutschland eine Verletzung von Artikel 1 Protokoll Nr. 1 (Schutz des Eigentums) zur Europäischen Menschenrechtskonvention festgestellt: Es ist nicht mit dem in der Menschenrechtskonvention garantierten Schutz des Eigentums zu vereinbaren, wenn Grundstückseigentümer, welche die Jagd nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, zwangsweise Mitglied in Jagdgenossenschaften sind und damit die Jagd auf ihrem Eigentum dulden müssen. |
»Keine Jagd auf meinem Grundstück!« - Die rechtliche Grundlage
Generell unterliegen alle Flächen in Deutschland dem Jagdrecht. Jäger haben also grundsätzlich das Recht, überall außerhalb geschlossener Ortschaften die Jagd auszuüben. Alle Grundstücke im Außenbereich sind in einer Jagdgenossenschaft zusammengeschlossen, welche die Flächen an Jäger verpachtet. Dies bedeutet, dass Jäger auf privaten Grundstücken, die Teil einer Jagdgenossenschaft sind, die Jagd ausüben dürfen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte am 26.06.2012 entschieden, dass die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft gegen die Menschenrechte verstößt, sofern der Grundeigentümer die Jagd aus ethischen Gründen ablehnt. Am 6.12.2013 ist der § 6a Bundesjagdgesetz »Befriedung von Grundflächen aus ethischen Gründen« in Kraft getreten.
Der Antrag auf jagdrechtliche Befriedung
Eigentümerinnen und Eigentümer von Grundstücken, die im Außenbereich liegen und Teil einer Jagdgenossenschaft sind, können einen »Antrag auf jagdrechtliche Befriedung aus ethischen Gründen« bei der zuständigen Unteren Jagdbehörde (Teil des Landratsamtes oder der Stadt) stellen. Dazu benötigen Sie auf jeden Fall die Flurnummern. Sie müssen den Antrag immer für alle in Ihrem Besitz stehenden Grundstücke stellen.
Die Ablehnung der Jagd sollten Sie ausschließlich mit ethischen Motiven begründen und Ihren Gewissenskonflikt darlegen:
• Sie lehnen aus ethischen Gründen generell das Töten von Tieren ab (Vegetarier/Veganer).
• Sie können es nicht mit Ihrem Gewissen vereinbaren, wenn Jäger auf Ihrem Grundstück Wildtiere tot schießen und Sie Ihr Grundstück dafür gegen Ihren Willen und gegen Ihre ethische Überzeugung zur Verfügung stellen müssen.
• Sie lehnen aus Gründen des ethischen Tierschutzes und der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf ab, wildlebende Tiere zu jagen und hierbei durch Duldung der Jagd auf den eigenen Grundstücken mitzuwirken. Sie berufen sich auf das Tierschutzgesetz: »Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.« (§ 1 TierSchG) Die Hobbyjagd ist in Ihren Augen kein vernünftiger Grund.
Helfen Sie mit!
Viele Grundstückseigentümer, welche die Jagd auf ihrem Grund und Boden nicht länger dulden wollen, kommen erst durch die Hilfe eines Rechtsanwalts zum Ziel. Da dies für den einzelnen Tierfreund, der sein Grundstück jagdfrei stellen möchte, hohe Kosten bedeuten kann, können Sie mit einer Spende unterstützen. Je mehr Grundstücke in einem Bundesland bereits jagdfrei gestellt wurden, desto leichter wird es für weitere Grundstückseigentümer, die ebenfalls den Antrag auf jagdrechtliche Befriedung stellen. So können in Deutschland endlich die dringend benötigten Rückzugsgebiete für Wildtiere geschaffen werden.
Helfen Sie mit!
Wollen Sie die Bürgerbewegung Zwangsbejagung ade und damit betroffene Grundstückseigentümer, welche die Jagd auf ihren Flächen nicht länger dulden wollen, unterstützen? |