Haft für Massentierhalter wegen Tierquälerei
Katastrophale Zustände in den Ställen, qualvolle Enge, ammoniakverseuchte Luft, Schweine mit abgebissenen Ohren und offenen Wunden, verletzte Tiere und tote Tiere, die in den Gängen zwischen anderen Tieren verwesen: Erstmals hat ein Gericht einen Schweinezüchter wegen schwerer Tierquälerei zu einer Haftstrafe verurteilt. Der Richter sprach von einer "Massentierhölle". Tierschützer begrüßten das Urteil als "historisch", denn noch nie war ein Massentierhalter in Deutschland aufgrund von Tierquälerei zu einer Haftstrafe verurteilt worden.
Das Amtsgericht Ulm hat am 15. März 2019 einen 56-jährigen Schweinezüchter aus Merklingen wegen Tierquälerei zu drei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Hunderte Schweine seien aufgrund katastrophaler Zustände in den Ställen verendet oder hätten wegen ihrer Verletzungen auf Weisung des Veterinäramtes getötet werden müssen. Zwei verletzte Tiere soll der Schweinezüchter mit einem Vorschlaghammer erschlagen haben.
Tierschützer Friedrich Mülln vom Verein SOKO Tierschutz hatte die katastrophalen Zustände 2016 undercover gefilmt, Anzeige gegen den Betrieb erstattet und der Polizei einen Film- und Fotomaterial übergeben. Mit den Filmaufnahmen schockierte STERN TV bereits 2016 das TV-Publikum: Schweine vegetieren in qualvoller Enge und im eigenen Dreck, mit offenen Wunden, tellergroßen Geschwüren und angefressenen Ohren, schwerverletzte Ferkel, daneben Kadaver verwesender Tiere.
Der Betrieb war für 700 Schweine zugelassen, der Landwirt hielt jedoch rund 1600 Schweine, aufgeteilt in zwei Hallen. Aufgefallen war dies bei Kontrollen jedoch nie. Der zuständige Veterinär gab vor Gericht an, die Halle "übersehen" zu haben.
Während des Gerichtsverfahrens sagte ein Polizist im Zeugenstand, Friedrich Mülln habe ihm Datenträger mit Film- und Fotomaterial aus dem Betrieb ausgehändigt und auch vom Kontrollbesuch eines Veterinärs berichtet. Dieser habe sich 25 bis 30 Minuten im Stall umgeschaut und dann erklärt: "Alles super." Er habe anschließend selbst mit dem Veterinär telefoniert. Dessen Angaben zufolge seien zehn bis zwölf Schweine in dem Stall verletzt gewesen: "Ein paar abgebissene Ohren, ein abgebissener Schwanz." Dies berichtete die Südwest Presse am 2.10.2019.
Richter Oliver Chama sprach bei der Urteilsverkündung im März von einer "Massentierhölle". In der Urteilsbegründung übte der Richter massive Kritik an der Verquickung der Behörden mit der Massentierhaltungsindustrie. Die Massentierhaltung sei ein rechtsfreier Raum, der Tierquälerei aus Profitstreben verursache.
Die Fleischprodukte des Betriebs, den der Richter als "Massentierhölle" bezeichnete, hatten mehrere Gütesiegel: das staatliche QS-Siegel, das Siegel "Qualität aus Baden-Württemberg" und das Siegel der Initiative Tierwohl.
Aktivisten der SOKO Tierschutz waren wegen unerlaubten Filmens in den Ställen angezeigt worden. Das Verfahren wurde nach Zahlung der eher symbolischen Summe von 100 Euro eingestellt.
Informationen:
www.soko-tierschutz.org
Quellen:
- Wegen Verletzungen der Tierschutzgesetze: Zum ersten Mal soll ein Züchter ins Gefängnis. STERN TV, 16.3.2019
- Mehr als 1600 Schweine sterben in "Massentierhölle": Historisches Urteil gegen Schweinezüchter. Infranken.de, 18.3.2019
- "Massentierhölle": AG Ulm verurteilt Schweinezüchter wegen Tierquälerei zu drei Jahren Haft. Beck-online, 18.3.2019
- Missstände im Schweinestall: Amtstierarzt vor Gericht. SWP, 2.10.2018