Hannes Jaenicke: »Die große Sauerei«
"Seit 30 Jahren wird das Tierschutzgesetz wissentlich gebrochen"
Buchvorstellung von Julia Brunke, Redaktion FREIHEIT FÜR TIERE
»Die Milch macht's«, »Milch macht müde Männer munter«, »Fleisch ist ein Stück Lebenskraft« - wir alle sind mit diesen Werbe-Slogans aufgewachsen. In seinem investigativen Enthüllungsbuch »Die große Sauerei« deckt Hannes Jaenicke die dreistesten Industrie- und Werbelügen auf und erklärt, was Verbraucherinnen und Verbraucher über Fleisch, Milchprodukte und Eier unbedingt wissen sollten, um vor dem Kauf und Verzehr die richtige Entscheidung zu treffen.
und was das für unsere Ernährung bedeutet
Eigentlich ist Hannes Jaenicke Schauspieler, doch Schlagzeilen macht er seit Jahren als Tierschützer. Schon bevor er als Schauspieler berühmt wurde, engagierte er sich für Tier- und Umweltschutz. Hannes Jaenicke hat in unzähligen Kino- und Fernsehfilmen mitgespielt: von »Tatort« und den »Amsterdam-Krimi« über Serien wie »Mirage - Gefährliche Lügen« bis zu Filmdramen. Auf der anderen Seite macht er seit vielen Jahren seine großartige »Im Einsatz für«-Reportagen: über Orang-Utans, Eisbären, Haie, Elefanten, Löwen, Delphine, Lachse, Wölfe und zuletzt Wölfe und Schweine. Und er deckt in seinen Dokumentarfilmen schonungslos die Sünden von uns Menschen an Natur und Tieren auf - und er schreibt Bücher darüber.
Jetzt hat er sich mit der industriellen Massentierhaltung und Lebensmittelindustrie beschäftigt. In seinem Buch »Die große Sauerei« sucht Hannes Jaenicke gemeinsam mit seinem Co-Autor Fred Sellin Antworten auf Fragen, die uns weder die Industrie noch staatliche Institutionen geben wollen: Wie werden Fleisch, Wurst, Eier, Käse und Milch im Zeitalter der industriellen Massentierhaltung produziert - und mit welchen Folgen?
Skandalöse Produktionsbedingungen und Tierquälerei für Fleisch und Milch
Wussten Sie, dass Kühe von Natur aus 20 bis 25 Jahre alt werden, Milchkühe aber im Schnitt nach 5 Jahre zum Schlachter kommen? Wussten Sie, dass männliche Kälbchen in der Milchindustrie als Abfallprodukte betrachtet werden? Wussten Sie, dass ein großer Teil des Futters, das in den Trögen der Massentierhaltung landet, aus Gen-Soja besteht - und wir somit Milch trinken und Fleisch essen von Tieren, die damit gefüttert wurden? Längst ist bekannt, dass für den Anbau des Tierfutters die Regenwälder vernichtet werden oder dass für die Herstellung von einem Kilo Rindfleisch rund 15.000 Liter Wasser verbraucht werden (zum Vergleich: für ein Kilo Gemüse werden nur 320 Liter benötigt). Aber wussten Sie auch, dass in der Massentierhaltung mehr Antibiotika verabreicht werden ais in der Humanmedizin? Dass auf dem vermeintlich so gesunden Putenfleisch erschreckend oft antibiotikaresistente Keime nachgewiesen werden? Dass Tausenden von trächtigen Pferdestuten Blut abgezapft wird, um mit ihren Hormonen die Schweinezucht zu steuern?
»Wir lassen uns von einer milliardenschweren Nahrungsmittelindustrie belügen, betrügen und krank machen«
»Wir lassen uns von einer milliardenschweren Nahrungsmittelindustrie belügen, betrügen und krank machen, insbesondere bei Milch- und Fleischprodukten«, ist Hannes Jaenicke überzeugt. »Die Hersteller drucken zwar auf fast alles, was wir kaufen, hübsche Bildchen, Pseudo-Siegel, Kilojoule- und Kalorienangaben, aber nichts über Medikamente, Hormone, Chemikalien, Giftstoffe, genmanipulierte Organismen, C02-Bilanzen, Produktionsmethoden, Umweltschäden.« Mit allerlei »Siegeln« werde eine hohe Qualität der Produkte vorgegaukelt, Studien über Gesundheitsrisiken würden unterdrückt, ignoriert oder geschönt, andere von der Wirtschaft finanziert.
Auch die Politik spiele auf verantwortungslose Weise mit: Industrielobbys würden massiv Einfluss auf Gesetzgebung und Ernährungsempfehlungen nehmen, mit Ziel, die Profite zu maximieren. In der seit langem geführten Diskussion über das Tierwohl und entsprechende Zertifizierungen schiebe die Politik dem Verbraucher die Verantwortung zu, während die industrielle Massentierhaltung mit allen ihren skandalösen Auswüchsen weiter erlaubt bleibe und faktisch nicht kontrolliert werde.
»In Deutschland erkranken jedes Jahr eine halbe Million Menschen an Krebs, mehr als 10 Prozent der Bevölkerung leiden an Diabetes. 67 Prozent der Männer und 54 Prozent der Frauen sind übergewichtig, knapp ein Viertel der Bevölkerung ist adipös, also stark übergewichtig. Liegt das wirklich nur an unserer Zügellosigkeit, an mangelnder Selbstdisziplin und der Lust an Völlerei?«, fragt Hannes Jaenicke. Seine Antwort ist: Nein. Denn seit Jahren und Jahrzehnten würden uns Lebensmittel verkauft, die die Bezeichnung »Lebensmittel« nicht verdienten. »Die große Sauerei ist, wie gewissenlos unser elementarstes Bedürfnis, nämlich uns zu ernähren, für den maximalen Profit ausgenutzt wird, und wie kompliziert es geworden ist, gesund zu essen.« Und noch schlimmer als für unsere Gesundheit sind die Folgen für die Tiere...
Hannes Jaenicke beginnt sein über 250 Seiten starkes Buch nicht mit dem Thema Fleisch, sondern mit Milch. Denn: »Milchkühe sind die bemitleidenswertesten Tiere in der Nahrungsmittelindustrie«. Bislang hatte er Muttersauen im Kastenstand für die am meisten gequälten Tiere gehalten. Seit seinen umfangreichen Recherchen für das Buch weiß er: Milchkühen geht es noch schlechter. Ihre Wirklichkeit hat nichts mit der Werbung für Milch und Käse und die Bildchen auf den Verpackungen im Supermarkt zu tun, die uns suggerieren, ein gesundes Produkt von glücklichen Kühen auf bunten Blumenwiesen zu kaufen. »Was auf den Verpackungen von Milchprodukten von industriell gehaltenen Hochleistungskühen nicht gezeigt wird, sind die monströsen Euter, die ihnen angezüchtet werden, so groß und schwer, dass diese Tiere mit den Hinterbeinen kaum richtig laufen können, sich wund scheuern und ihre Gelenke dadurch überstrapaziert werden«, schreibt er.
Die überzüchteten Tiere mit einer völlig unnatürlichen Milchleistung sind besonders krankheitsanfällig. Durch ihr riesiges Euter haben sie Schmerzen an Rücken, Hinterbeinen und Klauen. Viele Kühe lahmen, haben also dauerhaft Schmerzen beim Laufen. Hochleistungskühe bekommen nicht Heu und Gras, sondern spezielles Kraftfutter, das aber für den Kuhmagen nicht geeignet ist. Die Folge sind oft Magenerkrankungen. Die hohe Milchleistung macht sie auch anfälliger für Stoffwechselerkrankungen. Viele Milchkühe leiden an Mastitis, einer Entzündung des Euters. Ihre Milch enthält durch die enorme Belastung sowie Entzündungen oft viel mehr Eiterzellen. Weil eine hohe Keimbelastung den Milchpreis senken kann, kommen oft Antibiotika zum Einsatz. Mastitis gehört zu den häufigsten Gründen, aus denen Kühe vorzeitig getötet werden.
»Im Grunde ist das ganze Leben einer Milchkuh in der industriellen Massentierhaltung eine einzige Quälerei, vom ersten Tag an«, schreibt Hannes Jaenicke. »In der Regel wird ein Kalb nur wenige Stunden nach der Geburt von der Mutterkuh getrennt, worunter beide wochenlang leiden«, Weibliche Kälbchen erleiden das gleiche Schicksal ihrer Mutter: Sie werden Milchkühe. Weil Kühe nur Milch geben, wenn sie ein Kind bekommen, werden sie künstlich geschwängert. Nach neun Monaten bekommen sie ihr erstes Kälbchen, dass ihnen kurz nach der Geburt weggenommen wird. Kurz darauf werden sie erneut künstlich befruchtet, so dass sie weiter viel Milch geben. Erst sechs Wochen vor der Geburt des zweiten Kälbchens mit wird die Kuh »trockengestellt«. Ihr Organismus soll sich in dieser kurzen Zeit erholen und das Eutergewebe regenerieren.
Mit der Geburt des Kälbchens beginnt die zweite »Laktationsperiode«. »Ich habe irgendwo gelesen, dass eine Kuh in der Hochphase des Milchgebens so viel Energie verbraucht wie ein Mensch, der drei Marathons läuft - an einem Tag«, so Hannes Jaenicke. »Eine ausgewachsene Milchkuh, die zwischen 600 und 650 Kilo auf die Waage bringt, hat etwa 50 Liter Blut im Körper. Damit nur ein einziger Liter Milch entstehen kann, muss dieses Blut mindestens zehn Mal durchs Euter gepumpt werden. Das heißt: Nicht nur das Euter, auch das Herz arbeitet auf Hochtouren.« In den 1950er Jahren gab eine Milchkuh rund 2.600 Liter Milch im Jahr. »Heute liegt die Ausbeute bei 8.000 bis 12.000, sogar 14.000 oder 15.000 Liter können erreicht werden. Das sind bei 300 Melktagen im Jahr ein Durchschnitt von 46 bis 50 Litern. Pro Tag!« Mit natürlicher Evolution habe all dies nichts zu tun: »Hier wurde - und wird - genetisch nachgeholfen, seit Jahren und Jahrzehnten, in einem Ausmaß, dass inzwischen von Qualzucht gesprochen wird.« Das Tierschutzgesetz verbietet eigentlich in §11b »Wirbeltiere zu züchten oder durch biotechnische Maßnahmen zu verändern«, so dass »hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten«.
Nach nur zwei oder drei Schwangerschaften werden die Hochleistungskühe unwirtschaftlich: sie werden anfällig für Krankheiten - vor allem Euterentzündungen - ihr Organismus ist ausgelaugt, so dass die »Milchleistung« nachlässt. So enden sie im Alter von durchschnittlich fünf Jahren im Schlachthof. Da eine Kuh erst nach zwei Aufzuchtjahren ein Kalb zur Welt bringt, geben Kühe heute im Durchschnitt nur noch etwas mehr als zwei Jahre lang Milch! Sie sind zu Wegwerfkühen geworden.
Männliche Kälbchen und auch überzählige weibliche Kälber gelten als Abfallprodukte. »Viele dieser Kälber landen auf direktem Weg im Schlachthof, um zu Tierfutter verarbeitet zu werden«, erklärt Hannes Jaenicke. »Oder sie werden ins Ausland verscherbelt, wo kostengünstiger gemästet wird, mit weniger Kontrollen.« Nicht selten lasse man männliche Kälbchen nach der Geburt auch einfach sterben. »Ein neugeborenes Kalb muss erst nach sieben Tagen in der nationalen Datenbank registriert werden. Verschwindet es vorher, auf welche Weise auch immer, erfährt das niemand.« Und es scheine auch niemanden zu interessieren. »Die Akademie für Tierschutz des Deutschen Tierschutzbundes hat hochgerechnet, dass jährlich etwa 600.000 Kälber sterben, die nicht sterben müssten. Da sind die rund 180.000 ungeborenen Föten, die bei der Schlachtung von ausrangierten, weil kranken, trächtigen Kühen im Mutterleib ersticken, nicht mitgezählt.«
Und von noch einer grausamen Tierquälerei berichtet Hannes Jaenicke in seinem Buch: Die Kälbchen werden enthornt - eine Tortur, die gemäß Tierschutzgesetz als Amputation gelte und dementsprechend eigentlich verboten sei, für die aber im selben Gesetz eine Ausnahmeregelung geschaffen wurde. »Das darf man den Tieren in den ersten sechs Lebenswochen antun. Ohne Betäubung, nur mit Sedation und Schmerzmittel. Und mit Brennstab, elektrisch oder gasbetrieben - wichtig ist, dass er heiß genug wird, extrem heiß, 450 bis 600 Grad, deutlich über der Zündtemperatur etwa von Holz. So wird er auf die Lederhaut am Hornansatz, aus dem das Horn wachsen würde, aufgesetzt, angedrückt, dann leicht gedreht. Es zischt und raucht, bis eine etwa fünf Millimeter tiefe Furche entsteht. Die Prozedur nennt sich Ringbrennen oder Veröden. Zehn, fünfzehn Sekunden, länger sollte der Eingriff nicht dauern, doch der Schmerz wirkt ungefähr acht Wochen nach. So lange braucht die Wunde, um zu verheilen.« Diese qualvolle Prozedur soll verhindern, dass sich die Kühe später gegenseitig verletzen oder Menschen verletzen. »Solche Verletzungen passieren aber hauptsächlich, weil die Tiere in den Ställen zu wenig Platz haben und zu eng beieinander stehen. Anstatt mehr Platz zu schaffen oder weniger Kühe zu halten, werden sie massenhaft verstümmelt.« Dabei werde ignoriert, dass Hörner keine tote Materie sind, sondern mit Blutgefäßen und Nervenbahnen durchzogen sind und Sinneseindrücke wahrnehmen.
Seit Jahren kauft Hannes Jaenicke keine Kuhmilch mehr, sondern Hafermilch. »Wäre ich bei der Arbeit an diesem Buch noch Milchtrinker gewesen, spätestens beim Thema Enthornung wäre ich auf das wachsende Angebot pflanzlicher Alternativen umgestiegen. Und das gilt natürlich nicht nur für Milch, sondern auch für Milchprodukte wie Käse und Butter. Apropos Butter: »Um ein Kilo herzustellen, werden etwa 18 Liter Milch benötigt sowie riesige Mengen an Wasser und Energie für die einzelnen Verarbeitungsschritte«, erklärt der Umweltschützer. »Bevor Milch fließt, müssen Kühe fressen. Das Futter enthält oft Soja, für dessen Anbau in Südamerika Regenwälder gerodet werden.« Und auch, wenn das Futter aus unseren Breitengraden stamme, müssen Pflanzen gesät, gedüngt, bewässert und geerntet werden. Die Gülle, die die Kühe ausscheiden, gelangt wieder auf die Felder, ins Grundwasser oder als Gas - hauptsächlich Methan - in die Atmosphäre. »Egal wie man es dreht: Butter ist als Klimakiller der unrühmliche Spitzenreiter unter den Lebensmitteln, noch vor Fleisch.«
Vor 40 Jahren gab eine Kuh etwa 8 Liter Milch
am Tag – so viel, wie ein Kälbchen braucht, um heranzuwachsen. Moderne Turbo-Kühe bringen 30, 40 oder sogar 60 Liter Milch am Tag. Die dermaßen überzüchteten Tiere sind besonders krankheitsanfällig – ihr Leben endet mit nur vier bis fünf Jahren im Schlachthof. Sie sind zu Wegwerfkühen geworden. · Bild: Sukpaiboonwat - shutterstock.com
Unsere Gesundheit: Warum es die Milch (eben) nicht macht
Entgegen vollmundiger Werbesprüche zeigen wissenschaftliche Studien der letzten Jahre und Jahrzehnte, dass (Kuh-)Milch für uns Menschen gar nicht so gesund ist.
Mehrere große Studien kommen zum Beispiel zu dem eindeutigen Schluss, dass Milchkonsum keinesfalls gut für die Knochen ist: Das Risiko von Knochenbrüchen und Osteroporose steigt sogar, je mehr Milch und Milchprodukte verzehrt werden.
Milchkonsum fördert nachweislich Prostatakrebs: Einer aktuellen Studie zufolge erhöhen bereits zwei Gläser Milch am Tag das Prostatakrebs-Risiko um etwa 25 Prozent im Vergleich zu Männern, die nicht mehr als ein Dreiviertel Glas pro Woche trinken.
Bei Frauen fördert Milchkonsum die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken - und zwar bereits bei kleinen Mengen. Hannes Jaenicke verweist in seinem Buch auf eine Studie, der zufolge bereits eine Tasse Milch (240 Milliliter) das Krebsrisiko um 50 Prozent steigt. Bei täglich zwei bis drei Tassen Milch ist es ein 80 Prozent höheres Risiko. »Um es anschaulicher zu machen: Allgemein liegt das Brustkrebsrisiko bei etwa 10 Prozent. Durch eine Tasse Milch täglich würde es gemäß der Studie auf 15 Prozent steigen, durch zwei oder drei Tassen auf bis zu 18 Prozent.« Als mögliche Ursache vermuten Forscher die Wirkung von Hormonen. »Milchkühe werden in der industriellen Tierhaltung fast das ganze Jahr über trächtig gehalten, deshalb ist ihre Milch reich an Geschlechtshormonen. Diese begünstigen die Entstehung von Brustkrebs - und vermutlich auch anderer Arten wie Hoden- oder Eierstockkrebs.«
Kuhmilch enthält das Wachstumshormon IGF-1. Das ist in den ersten Monaten nach der Geburt wichtig für das schnelle Wachstum des Kälbchens. Wenn Menschen Kuhmilch trinken, steigt der insulinähnliche Wachstumsfaktor IGF-1 im Blut. IGF-1 fördert Studien zufolge das Wachstum von Krebszellen. Jede Muttermilch hat nun einmal die Aufgabe, für die begrenzte Zeit des Stillens das Wachstum des Kindes zu fördern.
Viele Menschen können Laktose (Milchzucker) und Milcheiweiß gar nicht richtig verstoffwechseln. Laktoseintoleranz kann zu Darmentzündungen, Zöliakie (Glutenunverträglichkeit), Diabetes oder Morbus Crohn führen. Milcheiweiß-Unverträglichkeit kann zu Allergien, Akne, Neurodemitis, Hormonstörungen, Entzündungen und Autoimmunerkrankungen führen.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung DGE empfiehlt dennoch Milch und Milchprodukte. »Gräbt man tiefer, erfährt man, dass in manchen Arbeitskreisen und Beiräten dieser vorgeblich unabhängig agierenden Gesellschaft Vertreter der Milchwirtschaft oder ihrer Interessenverbände sitzen. Es ist also wenig überraschend, dass die DGE der Milch überaus wohlgesonnen zu sein scheint«, erklärt Hannes Jaenicke. Und er kommt zu dem Schluss: »Auch wenn Milch seit unserer Kindheit das selbstverständlichste und alltäglichste Nahrungsmittel zu sein scheint: Der Lack am Image der guten alten Milch ist ab. Trotz aller Werbekampagnen verliert sie den Nimbus eines gesunden Produkts.« Wer das bestreite, ignoriere die Realität. »Fakt ist, dass der Mensch als einziges Lebewesen die Muttermilch einer anderen Art trinkt, und das sein ganzes Leben lang. Im gesamten Tierreich gibt es keine Spezies, die nach dem Abstillen weiterhin Milch konsumiert«.
Die ARD-Reportage »Warum Islandponys
für unser billiges Schnitzel bluten müssen« schockte 2022 nicht nur Pferdefreunde: Tausenden schwangeren Stuten werden literweise Blut abgezapft. Das daraus gewonnene Hormon PMSG wird in der industriellen Schweinefleischproduktion eingesetzt. Auch in Deutschland gibt es mindestens eine »Stutenblutfarm«. Auf dem Haflingergestüt Meura werden schwangeren Stuten alle zwei Tage etwa vier Liter Blut abgenommen - völlig legal und staatlich gefördert. · Bild: Animal Welfare Foundation
» Echte Kerle essen Fleisch - aber wissen sie auch, wie ihr Schnitzel herangemästet wird?«
Natürlich geht es beim Thema industrielle Massentierhaltung, Klima- und Umweltzerstörung und fragwürdigen Qualitätssiegeln der Lebensmittelindustrie neben Milch und Käse um Fleisch: »Jeden Frühling beginnt ein deutsches Ritual, das aus Männern wahlweise Neandertaler oder vermeintlich echte Kerle und aus männlichen Küchenmuffeln leidenschaftliche (Chef-)Köche macht: die Grillsaison.« Nach einem langen Winter mit nasskaltem Wetter ist die Begeisterung fürs Grillen unter freiem Himmel mit netten Leuten natürlich absolut nachzuvollziehen. Fragwürdig sei dabei allerdings nur, was auf teuren Weber- oder billigen Einweg-Grills lande, um gebraten zu werden, ohne dass die Grillmeister und ihre Gäste auch nur ahnen, wie es produziert wurde, schreibt Hannes Jaenicke. »Das wird uns seitens der Fleischindustrie aus guten gründen verheimlicht. Ich denke aber, dass jeder Freund von Kotelett, Rostbratwürstchen, Steak oder Burger ein Recht darauf hat, zu wissen, was auf seinem Grill vor sich hin brutzelt, wo es herkommt und wie es hergestellt wurde.«
Und das beginnt mit schwangeren Haflinger- und Isländerstuten, denen unter tierquälerischen Bedingungen literweise Blut abgezapft wird, um in der industriellen Schweinemast die Trächtigkeit der Sauen zu erhöhen und zu synchronisieren, damit der billige Nachschub für die Fleischindustrie nicht abreißt. Denn die Pharmaindustrie gewinnt aus dem Blut schwangerer Pferde das Hormon PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin). Setzt man es bei Muttersauen ein, werden sie schneller und alle zum gleichen Zeitpunkt trächtig - und bringen ihre Ferkel gleichzeitig zur Welt. Für die industrielle Schweinefleischproduktion werden so alle Arbeitsschritte getaktet: künstliche Befruchtung, Geburt, Mast, Schlachtung. (»Freiheit für Tiere« berichtete über diesen Skandal ausführlich in Ausgabe 3/2022)
»Nutztieren« gegenüber verhalten wir uns wie gefühllose Sadisten, ist Hannes Jaenicke überzeugt. »Für Grillabend und Wurstsemmel sperren wir sie lebenslang ein, trennen sie von Familie und Nachwuchs, treten jedes Tierschutzgesetz mit Füßen, transportieren sie eingepfercht in LKWs kreuz und quer durch Europa und schlachten sie auf bestialische Weise.« Der Begriff »Nutztier« suggeriere, dass ihr Wesen und ihre Existenzberechtigung einzig und allein darin bestehen würde, einen Nutzen für uns Menschen zu haben - in erster Linie als Nahrungsmittellieferant und Einnahmequelle. »Erzeugt, nicht gezeugt, werden sie sowieso nur, um sie schnellstmöglich zu mästen und zu schlachten, sobald sie die so genannte Schlachtreife erreicht haben. Auch das ist ein perverser Begriff. Als wäre ‚schlachtreif’ ein natürlich anzustrebender Zustand, wie ‚erntereif’ bei Obst oder Gemüse.«
Mastschweine haben etwa fünf bis sechs Monate nach ihrer Geburt das »Schlachtgewicht« von 110 bis 120 Kilo erreicht. Gemeint ist damit der aus ökonomischen Gründen optimale Zeitpunkt zur Tötung: Am Anfang werden etwa zwei Kilo Futter benötigt, damit die Ferkel ein Kilo Fleisch ansetzen. Nach fünf bis sechs Monaten müssen sie für jedes weitere Kilo Fleisch mehr als das Doppelte an Futter bekommen. Das rentiert sich nicht. Schweine sind zum Zeitpunkt der Schlachtung noch Kinder - ihre natürliche Lebenserwartung beträgt 15 bis 20 Jahre.
»Kürzlich habe ich mit meinem Team eine ZDF-Doku über diese erstaunlichen Tiere gedreht. Der Film kam bei Zuschauern und Medien hervorragend an, nur nicht bei der Agrarlobby, also den Bauern- und Schweinezüchter-Verbänden.« In der ZDF-Doku wurde bewusst auf Schockbilder aus der industriellen Schweinehaltung, von grausamen Tiertransporten und dem qualvollen Tod im Schlachthof verzichtet. »Wir wollten einmal zeigen, was für tolle Geschöpfe das sind, wie intelligent, sozial, neugierig, empfindsam. Und wie reinlich. Das wusste ich vor den Dreharbeiten selbst nicht«, erklärt Hannes Jaenicke. »Schweine haben wir Hunde einen extrem gut ausgeprägten Geruchssinn. Sobald man sie ins freie lässt und sie selbst entscheiden dürfen, wo sie sich aufhalten, würden sie sich nie in den eigenen Exkrementen suhlen. In Mastanlagen haben sie gar keine andere Möglichkeit.«
Mutterschweine: Die Hälfte des Lebens eingepfercht im engen Metallkäfig
»Schweine sind gesellige Wesen. Könnten sie es sich aussuchen, sie würden in Rotten leben, Freundschaften schließen, im Stroh kuscheln, das älteste Weibchen wäre die Herden-Chefin«, schreibt Hannes Jaenicke. Stattdessen müssten Muttersauen, die üblicherweise mehr als zweimal im Jahr zur Trächtigkeit gezwungen werden, insgesamt sechs Monate in Einzelhaft verbringen. Zum Besamen und nach der Besamung, zum Gebären und während der Wochen, in denen sie ihre Ferkel säugen. »Einzelhaft heißt im Fachjargon Kastenstand, eine überaus brutale Erfindung, die wegen Verstoßes gegen die Tierhaltungsverordnung eigentlich seit 1992 verboten ist. Das wird allerdings seit 30 Jahren ungestraft ignoriert. Kastenstand beutet: Betonboden mindestens die halbe Fläche mit Spalten, damit die Exkremente darin verschwinden, rundherum Metallstangen und Gitter. Und eine Enge, die Menschen als klaustrophobische Folter erleben würden.«
Für die Zeiten, die die Sauen im Kastenstand verbringen dürfen und wie groß dieser sein muss, gibt es in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung genaue Vorschriften. »Ich weiß nicht, wer die Idee hatte, das Wort Tierschutz für diese Verordnung zu missbrauchen. Meines Erachtens ist es reine Heuchelei«, bringt es Hannes Jaenicke auf den Punkt. Und er zeigt am Beispiel Kastenstand erneut auf, wie die Lobbyisten der Tierhaltungsindustrie Einfluss auf die Politik nehmen und bessere Gesetze verhindern. Wir erinnern uns: Eigentlich ist der Kastenstand bereits seit 30 Jahren verboten. Die Tierhaltungsverordnung schreibt sogar bereits seit 1988 vor, dass Schweine, die auf der Seite liegen, ihre Gliedmaßen frei ausstrecken können müssen. Schweinehalter sollten in einer Übergangsfrist bis spätestens 1992 dafür sorgen, dass dies möglich ist. Aber das geschah nicht. Die Bundesregierung und das Landwirtschaftsministerium verschlossen jahrzehntelang die Augen vor dieser tierquälerischen Haltungsform - zugunsten der Agrarlobby. 2015 wurde in einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg festgestellt, dass die üblichen Kastenstände nicht den Vorgaben der Haltungsverordnung entsprechen und deshalb illegal sind. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte das Urteil 2016. Doch anstatt endlich dafür zu sorgen, dass Tierschutzgesetze eingehalten und Kastenstände abgeschafft werden, plante Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner 2019, die Auflage, dass Sauen ihre Beine im Kastenstand ungehindert ausstrecken können, aus der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zu streichen - und so das Urteil auszuhebeln. Zudem kündigte sie an, dass Schweinebetrieben eine Übergangsfrist von bis zu 17 Jahren eingeräumt wird.
Hannes Jaenicke beschreibt diesen Tierschutz-Skandal so: »Nach jahrelanger Kritik, vor allem von Tierschützern und Tierärzteverbänden, wurde um eine Änderung der Vorschriften gerungen. Damit einher gingen politische Debatten über Tierwohl und Haltungsbedingungen. Die Lobbyisten und Strippenzieher im Hintergrund liefen zur Hochform auf, wieder vergingen Jahre. Was ein Bestandteil der Taktik gewesen sein dürfte - hinauszögern, verschieben, taktieren, schmieren, aussitzen. 2021 endlich kam eine Änderung zustande, genauer gesagt: ein (fauler) Kompromiss. Die Kastenstände bleiben, die Tiere dürfen nur nicht mehr ganz so lange darin eingesperrt werden. Und der Clou: Als Übergangsfrist, bis die neuen Regelungen gelten, wurden 8 bis 15 Jahre festgelegt.«
»Purer Zynismus ist die Behauptung der Bauern- und Schweinezüchter-Verbände, der Kastenstand sei eine Tierschutzmaßnahme zum Wohle der Tiere«, schreibt er weiter. Die engen Metallkäfige sollen angeblich verhindern, dass die Sauen nach der Geburt ihre Ferkel erdrücken. Natürlich würde ein Mutterschwein niemals die eigenen Kinder erdrücken - sofern genug Platz da ist. Der wahre Grund für Kastenstände ist die »Produktion« von möglichst vielen Schweinen in möglichst kurzer Zeit auf möglichst kleinem Raum. Die Mutterschweine können sich in den Kastenständen kaum bewegen und nicht einmal umdrehen. Jedes Mutterschwein möchte vor der Geburt ein Nest bauen und sich nach der Geburt um ihre Kinder kümmern - im Kastenstand ist ihr all das nicht möglich.
Das Leid der Ferkel für die Fleischproduktion
Die Mutterschweine sind auf höchste Fruchtbarkeit und maximale Wurfgröße gezüchtet - oft bringen sie daher mehr Ferkel zur Welt, als sie Zitzen haben. Damit die Ferkel in der Enge und im Gerangel um die Zitzen mit ihren scharfen Eckzähnen nicht einander oder die Zitzen der Mutter verletzen, werden die Spitzen der Zähne nach der Geburt abgeschliffen oder abgekniffen, erklärt Hannes Jaenicke. »Ein kurzer Blick ins Tierschutzgesetz: Eigentlich verboten - und doch erlaubt. Die üblichen Ausnahmen, selbstverständlich nur zum Schutz der Tiere.«
Bei der Gelegenheit werden meist gleich auch die Ringelschwänzchen geschnitten. »EU-Recht verbietet das sogenannte Kupieren, wobei nicht der komplette Schwanz, sondern nur ein Teil abgeschnitten wird. Es sei denn, das Kupieren verhindert, dass die Tiere sich ihre Ringelschwänze gegenseitig abbeißen«, schreibt er weiter. »Aber wer überprüft vorher, ob das wirklich so ist und nicht vorsorglich das Messer gewetzt wird? Mastbetriebe in Deutschland werden im Schnitt nur alle 14 bis 17 Jahre von Amts wegen kontrolliert, und dann in der Regel mit Voranmeldung. Der Züchter kann sich also in aller Ruhe auf die Kontrolle vorbereiten. Niedergelassene Tierärzte kommen öfter mal vorbei, aber wer will es sich mit einem guten Kunden verscherzen und auf Einnahmen verzichten?«
Männliche Ferkel werden außerdem nach der Geburt kastriert - bis vor kurzem sogar ohne jegliche Betäubung. Dabei schreibt das deutsche Tierschutzgesetz in Paragraph 5 vor, dass ein schmerzhafter Eingriff bei einem Wirbeltier nicht ohne Betäubung durchgeführt werden darf. Bis Ende 2020 gab es aber die Ausnahmeregelung, dass Ferkel bis zu ihrem siebten Lebenstag ohne Betäubung kastriert werden durften. Hierdurch soll der unappetitliche Ebergeruch des Fleisches vermieden werden. Seit dem 2021 ist die Betäubung bei der Kastration vorgeschrieben - aber das darf der Schweinemäster nach einem Schnellkurs mit »Sachkundeerwerb« auch selbst durchführen. Doch wer kontrolliert, ob die Eingriffe richtig durchgeführt werden oder ob Schweinemäster vielleicht aus Zeitgründen verbotenerweise die Betäubung weglassen?
Nur drei bis vier Wochen dürfen die Ferkelchen bei ihrer Mutter bleiben. Dann kommen die Ferkel in die Mast und ihre Mutter wird erneut künstlich besamt.
Antibiotikaresitente Keime: Steak mit Risikobeilage
»Das Leben und Leiden der Mastsauen im Akkord bleibt nicht ohne Folgen«, so Hannes Jaenicke. »Verschiedenste Krankheiten, Entzündungen, Gelenkveränderungen, Fruchtbarkeitsstörungen - spätestens mit drei Jahren sind die meisten Tiere ein Fall für den Schlachthof. Das ist im Vergleich zu ihren Ferkeln, die im Maststall landen, ein relativ langes Dasein. Auf die wartet bereits nach fünf oder sechs Monaten die Betäubungskammer.« Was nicht bedeute, dass ihnen bis dahin Leid erspart bliebe: »Niemand, nicht einmal die Lobbyisten der Fleischindustrie, würden behaupten, dass Ferkel hierzulande auch nur ansatzweise artgerecht gehalten werden.«
Und natürlich führt diese Form der Haltung von vielen Tieren, eingesperrt auf engstem Raum, im eigenen Dreck, ohne frische Luft und ohne Sonnenlicht zu Krankheiten. Darum gehört das Verabreichen von Antibiotika in der Massentierhaltung zur Routine. Und das sei die nächste Baustelle, so Hannes Jaenicke: »Der latente Antibiotika-Missbrauch hat dazu geführt, dass die Zahl resistenter Keime massiv zunimmt, was zu einer echten Bedrohung geworden ist, nicht nur bei uns. Solche Keime können von Mensch zu Mensch, von Tier zu Mensch, aber eben auch von Nahrungsmitteln wie Fleisch auf Menschen übertragen werden.«
In Deutschland werden jährlich rund 700 Tonnen Antibiotika an Schweine, Puten, Hühner, Rinder verabreicht (Stand 2020). Darunter befinden sich auch Präparate, die für den Menschen so genannte Reserveantibiotika darstellen - Antibiotika, die die letzte Rettung sein sollen, wenn andere Präparate zuvor aufgrund von Resistenzbildungen unwirksam geworden sind. Mit der Gülle, die auf die Felder ausgebracht wird, gelangen resistente Keime in die Umwelt. Und so werden multiresistente Keime in Intensivmastanlagen und Megaställen gezüchtet - mit der Folge, dass Antibiotika für Menschen wirkungslos werden. Doch wenn man eines Tages selbst einfache Wundinfektionen nach einer Operation nicht mehr zuverlässig behandeln kann, dann ist unser gesamtes Gesundheitssystem in ernsthafter Gefahr.
»Warum werden Fleisch und Milchwaren nicht - ähnlich wie Zigaretten und Tabak - mit realistischen Fotos aus industriellen Tierfabriken, aus Schlachthäusern oder von kranken, leidenden Tieren versehen?«, schlägt Hannes Jaenicke vor.
Wie wir mit Tieren umgehen gefährdet inzwischen unser aller Lebensgrundlagen
Wie wir mit Tieren umgehen, hat längst eine Dimension erreicht, die unser aller Lebensgrundlagen und damit unser Überleben auf diesem Planeten gefährdet. »Es geht nicht mehr nur ums persönliche Wohlergehen und individuelle Überzeugungen, sondern um dringende Fragen unserer Zukunft: Umweltzerstörung, Klimakrise, Welternährung«, so Hannes Jaenicke. »Täglich sehen, hören, lesen wir Berichte über Wasserknappheit, Dürren, Feuersbrünste, Flutkatastrophen, über Artensterben, Regenwaldvernichtung für Futtermittelanbau, Rekordhitze, Gletscherschmelze, steigende Meeresspiegel - die Liste wird ständig länger. Und dass die Fleischproduktion eine der Hauptursachen für die Klimakrise ist, hat sich zum Leidwesen der Fleischindustrie auch herumgesprochen.«
»Die Einhaltung des deutschen Tierschutzgesetzes wäre das Ende der Massentierhaltung hierzulande«
Am Schluss seiner 250-seitigen Bestandsaufnahme steht die Frage: Was nun? »Was seitens der Politik und Industrie passieren muss, lässt sich mit einer simplen Forderung zusammenfassen: die Einhaltung des deutschen Tierschutzgesetzes. Es wäre das Ende der Massentierhaltung hierzulande«, so der prominente Tier- und Umweltschützer. »Da dies zum jetzigen Zeitpunkt unrealistisch scheint, weil es offenbar von den Verantwortlichen nicht gewollt wird, bleibt es uns Verbrauchern und Verbraucherinnen überlassen, zu handeln. Per Stimmzettel, Petitionen, Bürgerinitiativen, Demo-Teilnahmen und - last but not least: mit unserem Kaufverhalten.« Als Verbraucherinnen und Verbraucher haben wir mehr Macht, als wir denken. Was wir nicht kaufen, wird auch nicht mehr produziert.
Verzicht auf Krankheiten, Tierquälerei und Umweltzerstörung ist ein Gewinn
»Was zunächst nach Verzicht klingt und sich anfangs auch oft so anfühlt, sollten wir neu definieren - nämlich positiv«, so Hannes Jaenicke. »Verzicht als Gewinn? Ganz genau.« Pflanzliche Ernährung gehe einher mit dem Verzicht auf ein erhöhtes Risiko, bestimmte Krankheiten zu bekommen: Herzinfarkt, Schlaganfall, Übergewicht, Krebs. Und es gebe viele weitere Argumente, die das Wort Verzicht positiv aufladen: Verzicht auf Tierleid. Verzicht auf Lebensmittelskandale. Verzicht auf Zoonosen. »Nicht zu vergessen die Umwelt- und Klimakrise, die Vernichtung des Regenwaldes und ihre Folgen, CO2- und Methan-Ausstoß, Gletscherschmelze, steigende Meeresspiegel, das Auftauen des Permafrostes, Dürrekatastrophen und Wassermangel, Waldsterben, Bodenerosion, Artensterben bis hin zur
Unbewohnbarkeit unseres Planeten. All das sollte uns klar machen: Unser vermeintlicher Verzicht wäre ein immenser Gewinn.«
An den Schluss seines Buches stellt Hannes Jaenicke ein Zitat, das sein eigenes Einkaufs- und Essverhalten wesentlich geprägt habe. Es stammt von Rabindranath Tagore (1861-1941), dem indischen Philosophen und Nobelpreisträger für Literatur:
»Wir sollten essen, was die Natur uns freiwillig gibt. Das, was vor uns wegläuft, und das, was wir erst einfangen müssen, ist nicht für uns bestimmt. Das ist eine Grausamkeit, und nur wer nicht zu lieben gelernt hat, kann dies tun. Wenn eine Frucht reif wird, verändert sie ihre Farbe. Sie wird größer und sie sagt uns: ‘Ich bin reif, bitte pflücke mich! Wenn du mich nicht isst, werde ich herunterfallen und verderben.’ Ebenso ist es mit dem Getreide und anderen Pflanzen. All das erhalten wir als Geschenk Gottes, und dies ist zu unserer Nahrung bestimmt.«