Interview mit Fledermausspezialist Christian Kutschenreiter: »Jede Fledermaus hat eine eigene Persönlichkeit«
Interview mit Fledermausspezialist Christian Kutschenreiter: »Jede Fledermaus hat eine eigene Persönlichkeit«
Wie wird man nebenberuflicher Fledermausspezialist? Und wie fotografiert man eigentlich die Flugakrobaten der Nacht? FREIHEIT FÜR TIERE sprach mit Christian Kutschenreiter, von dem alle Fledermausfotografien auf dieser und den vorausgegangenen Seiten stammen. Gemeinsam mit seiner Frau Bettina setzt er sich in der Freizeit nach der Arbeit und am Wochenende für Fledermäuse, Biber und andere freilebende Tiere ein.
![]() |
Bettina Kutschenreiter und Christian Kutschenreiter, beide 1974 geboren, entdeckten 2002 die Naturfotografie für sich. Ihre Foto- und Filmarbeiten werden in Vorträgen gezeigt und in Zeitschriften, Magazinen, Büchern und im Fernsehen veröffentlicht.
|
»Nachdem wir unsere erste Fledermaus groß gezogen hatten, rutschten wir immer mehr in die Fledermauspflege hinein...«
FREIHEIT FÜR TIERE: Ihre Fotografien von Fledermäusen sind atemberaubend! Sie fotografieren nicht nur, Sie geben gemeinsam mit Ihrer Frau Bettina den Fledermäusen eine Stimme. Erzählen Sie uns: Wie kam es dazu? Was fasziniert Sie an den nächtlichen Flugkünstlern?
Christian Kutschenreiter: Wir sind ganz zufällig in die Fledermauspflege »gerutscht«. Erst haben wir bei einem Fledermaus-Film etwas assistiert. Dadurch entstanden Kontakte zu offiziellen Stellen und schon hatten wir den ersten Pflegling. Am Anfang waren es nur wenige und auch eher selten, aber es spricht sich schnell herum, wenn es jemanden gibt, der sich um Fledermaus-Findlinge kümmert - und so werden es immer mehr.
Fledermäuse sind extrem faszinierende, sensible, intelligente, »knuffige«, robuste aber auch verletzliche Tiere. Jede hat ihre eigene Persönlichkeit und Verhaltensweisen, es ist faszinierend so etwas erleben zu können. Sie können über 30 Jahre alt werden und bekommen, bis auf wenige Arten, nur ein Jungtier im Jahr.
FREIHEIT FÜR TIERE: Wie entstehen Ihre beeindruckenden Fotos von Fledermäusen? Fliegen Ihnen Fledermäuse mehr »zufällig« vor die Linse oder liegen Sie stundenlang draußen auf der Lauer, um das perfekte Motiv zu fotografieren?
Christian Kutschenreiter: Fledermäuse zu fotografieren ist äußerst aufwändig bezüglich Zeit und Technik - und das erfordert auch viel Wissen über die Tiere. Natürlich ist das nur nachts möglich. Da sind schlaflose Nächte und viele Rückschläge natürlich vorprogrammiert.
»Fledermaus Willi kam zu uns, als er eine Woche alt war - und er erkannte uns nach seiner Auswilderung wieder!«
FREIHEIT FÜR TIERE: Gibt es ein besonderes Erlebnis mit Fledermäusen, von dem Sie uns berichten möchten?
Christian Kutschenreiter: Unser Erlebnis mit dem »Willi«, einer grauen Langohrfledermaus. Willi kam zu uns, da war er eine knappe Woche alt, noch nackt und winzig. Wir haben ihn zusammen mit einer Mückenfledermaus, die ein paar Tage später zu uns kam, großgezogen. Er wurde von uns mit einem extra Fledermauskasten am Fundort wieder ausgewildert. Nach sechs Wochen wollten wir den Kasten wieder abholen. Willi nutzte den Kasten immer noch als Quartier, und als wir mit der Leiter hochstiegen und mit ihm redeten, kletterte er heraus, holte sich einen Mehlwurm und schlüpfte wieder rein. Es ist unglaublich, dass er uns nach dieser Zeit sofort wiedererkannte und auch das Vertrauen hatte, sofort zu uns rauszuklettern. Das war ein echter Gänsehaut-Moment - offensichtlich hatten wir alles richtig gemacht und er hat sich in all den Wochen selbständig versorgt.
FREIHEIT FÜR TIERE: Leider sind Fledermäuse in Deutschland, wie viele andere Tierarten, bedroht. Was können wir tun, um Fledermäusen zu helfen?
Christian Kutschenreiter: Viele Gärten gleichen leider eher mehr grünen Wüsten ohne jegliche Blühpflanzen. Mit ein wenig einheimischen Blühpflanzen, einer liebevoll vernachlässigten Ecke des Gartens oder auch blühenden Balkonen würden sich wieder viel mehr Insekten und heimische Tierarten einfinden.
Das wäre auch für die Fledermäuse sehr wichtig, da diese bedauerlicherweise immer weniger Nahrung aufgrund des Insektensterbens finden. Wichtig wäre auch, Fledermausquartiere zu erhalten und neue zu schaffen. Oft gehen leider Quartiere verloren, meist in Unkenntnis von seinen heimlichen »Untermietern«. Fledermäuse nutzen diese Quartiere über viele Jahre und Jahrzehnte, daher stellt ein Quartierverlust ein großes Problem für die Tiere dar. Dazu zählen natürlich auch Baumquartiere. Vor entsprechenden Eingriffen sollte ein Spezialist zur Begutachtung hinzugezogen werden.
Es werden im Sommer oft sogenannte »Bat Nights« angeboten, das ist eine tolle Gelegenheit, die faszinierenden Tiere wirklich näher kennenzulernen!
Fledermaus gefunden: Was nun?
Von Christian Kutschenreiter
Wenn Sie eine verletzte, junge oder geschwächte Fledermaus gefunden haben gilt es einiges zu beachten. Meist ist die Sache dringlich und Sie wissen nicht, an wen Sie sich wenden können. Versuchen Sie bitte nicht die Fledermaus selber zu pflegen, hierzu ist sehr viel Erfahrung nötig und vermutlich wird dies nicht zum Wohl der Fledermaus sein. Übergeben Sie die Fledermaus schnellstmöglich einem Fledermausspezialisten! Erfahrungsgemäß ist der Versuch, einen Tierarzt oder ein Tierheim zu kontaktieren, verlorene Zeit, da die Annahme von »Wildtieren« verweigert wird.
1. Fledermäuse bitte nicht mit der bloßen Hand anfassen, sondern sehr vorsichtig mit einem übergeworfenen dünnen Geschirrtuch, das Sie langsam von außen zur Fledermaus hin zusammenschieben. Nehmen Sie die Fledermaus mit dem Tuch vorsichtig auf, denn die Tiere können empfindlich beißen und in Ausnahmefällen auch Krankheiten übertragen.
2. Setzen Sie die Fledermaus dann in eine Notfallbox, hierzu reicht ein Karton mit ein paar zuvor hineingestochenen Luftlöchern. Achten Sie darauf, dass kein Klebeband ein Festkleben der Fledermaus oder eine nach innen ragende Metallklammer eine Verletzung verursachen kann. Die Box muss gut verschlossen werden, denn Fledermäuse sind »Ausbrecherkönige«: Bereits kleine Spalten von 6-10 mm reichen ihnen, um sich hindurch zu zwängen.
3. Fledermäuse dehydrieren sehr schnell. Wenn Sie sich es zutrauen, bieten Sie mit einer Pipette oder einem kleinen Löffel Wasser an. Sie nehmen es meist dankbar an und trinken ein paar Tropfen. Mund und Nasenlöcher liegen sehr nahe beieinander, darum darf das Wasser nur von unten angeboten werden.
4. Kontaktieren Sie bitte umgehend einen Fledermausspezialisten!