Kühe aus Anbindehaltung gerettet
Von Gabi Hermann-Kollig
Birgit Kruszek konnte nicht mehr zusehen, wie sechs Kühe und ein kleiner Ochse angebunden in einem Stall bei Traitsching im Landkreis Cham (Bayern) standen: Eisenketten, die an Decke und Boden befestigt waren, fixierten die Kühe am Hals, sodass kaum ein Schritt vor oder zurück möglich war. Ausgestrecktes Niederlegen verhinderte die Kette ebenfalls. Ein würdeloses und erbärmliches Dasein. Birgit Kruszek hat auf diesem Hof ihre 34 Schafe eingestellt und dafür einen Teil des Stalles gepachtet, so dass sie immer wieder Zeugin dieses Tierleids wurde. Als nun die Kühe nach mehr als acht Jahren Anbindehaltung keine Leistung mehr erbrachten, sollten sie von einem Schlachter abgeholt werden. Der Landwirt wollte den Hofbetrieb aus Altersgründen einstellen.
Den Tieren die Freiheit schenken
Den Tieren die Freiheit schenken, ein Leben auf einer Weide mit Artgenossen ermöglichen, das wünschte sich Birgit für die Kuhmädels und den kleinen Ochsen. Sie sollten Sonne spüren, frisches Weidegras schmecken und keine Leistung mehr erbringen müssen. In einem langen Gespräch konnte Birgit den Bauern überzeugen, die Tiere leben zu lassen. Sie fand weitere Tierschützerinnen - und das »Abenteuer Kuhrettung« begann.
Die Kuh-Patinnen Petra Pöschl, Daniela Thebuss und Gabi Hermann-Kollig leben vegan und fühlen sich dem Tierschutzgedanken verpflichtet. Begeistert, das Leben der Tiere zu retten, packten alle tatkräftig an. Erste Maßnahme im Plan: den Schlachter abbestellen.
Die monatlichen Unterbringungs- und Futterkosten betragen 100 Euro pro Tier. Die zweite Maßnahme war daher, weitere Kuh-Paten zu suchen und von dem Vorhaben zu überzeugen. Mit Erfolg: 63 Menschen konnten sich für dieses Herzensprojekt begeistern und erklärten sich bereit, gemeinsam die monatliche Unterbringung sowie die Futterkosten zu finanzieren! Aufgrund der Coronakrise verzögerten sich die Umbaumaßnahmen im Außenbereich, der ausbruchsicher gestaltet werden musste.
Endlich: Die Ketten werden gelöst
Am 9. Mai war es endlich soweit: Vorsichtig wurden die Ketten von Maria, Lisbeth, Rita, Berta, Lisa, Lina und Jonas gelöst. Ein spannender Moment! Noch ungläubig traten die Mutigsten unter ihnen in den offenen Bereich ein. Plötzlich erfüllte eine Lebensfreude die Tiere, sie sprangen geradezu in die Freiheit! Ein sehr berührendes Erlebnis.
Inzwischen sind die Tiere sehr ruhig und zutraulich geworden, sie genießen die Streicheleinheiten und zeigen ihre Dankbarkeit auf vielfältige Weise. Sie konnten Muskeln aufbauen und die Gelenke beanspruchen. Einigen fällt das Gehen noch immer schwer. Sie befinden sich in ärztlicher Obhut.
Im Juli sollen die Kühe auf einen Lebenshof umziehen. Eine erneute finanzielle Herausforderung: Der Bauer möchte pro Tier den Schlachtpreis von 1200 Euro erzielen, der Transport der sieben Tiere kostet zwischen 1500 und 2000 Euro.
Millionenfaches Tierleid für Milch
Das Leid dieser Tiere entsteht durch den Konsum von Milch und Milchprodukten. Kuhmilch ist MUTTERmilch, die wir selbstverständlich zu uns nehmen. Was viele jedoch nicht wissen: Der Verzehr von Muttermilch im Erwachsenenalter entspricht nicht den biologischen Bedürfnissen eines menschlichen Körpers. Kuhmilch ist in ihrer Zusammensetzung auf die Bedürfnisse eines Kälbchens abgestimmt.
Viele Menschen glauben, eine Kuh gibt automatisch Milch und muss gemolken werden. Das ist falsch, denn der natürliche Milchfluss beginnt erst mit der Geburt eines Kalbes, so wie bei uns Menschen. Darum werden bereits junge Kühe, die noch nicht ausgewachsen sind, künstlich befruchtet und müssen jedes Jahr Nachwuchs zur Welt bringen. Sie befinden sich ständig in schwangerem Zustand, damit der Milchfluss nicht versiegt. Unmittelbar nach der Geburt wird der Mutter das Kind entrissen. Ein traumatisches Erlebnis für beide und ein hoher Preis, den die Tiere für unseren Milchkonsum zahlen. Viele Kälbchen werden kurz nach der Geburt getötet, weitere gehen in die Mast und werden jung geschlachtet. Das ist die traurige Wahrheit, die sich hinter Milch und deren Produkten verbirgt.
Den Tierfreunden, die sich in »Herzensprojekt für Tiere« zusammengefunden haben, ist es ein Herzensanliegen, diesen sechs Kühen und dem Bullen Jonas ein würdiges Leben in Freiheit zu ermöglichen, sie wissen und spüren zu lassen: Das Leben kann so schön sein. Diese sechs Kühe und Jonas stehen für Millionen Tiere, denen dieses Geschenk verwehrt bleibt.
Lesen Sie auch: Was können Sie tun, wenn Sie Zeuge von Tierquälerei werden?