Mutterliebe - Die ergreifende Tiergeschichte von Manfred Kyber jetzt als Film

Manfred Kyber (1880-1933) war ein Schriftsteller und Tierschützer, der vor allem durch seine besonderen Tiergeschichten bekannt geworden ist. Aus zwei seiner Geschichten, »Stumme Bitten« und »Der Hase und der Tod« hat der Verlag Das Brennglas einen Zeichentrickfilm auf DVD produziert, der die »stumme Bitten« hörbar macht und den Tieren mit ergreifenden Bildern eine Stimme gibt. Nun ist der Film »Mutterliebe« online erschienen:

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Zeichnungen aus dem Film: Jana und Vlado

In einem Heukorb oben auf der Dachkammer lag eine Katzenmutter mit zwei Katzenkindern. Die Kinder waren erst vor wenigen Tagen zur Welt gekommen, und sie waren noch sehr hilflos - kleine Pfoten hatten sie, die immer ausrutschten, und unverhältnismäßig große Köpfe mit blinden Augen, die sich suchend im Bauchfell der Mutter vergruben. Sehr sonderbar sahen sie aus. Aber die Katze fand sie über die Maßen schön, denn es waren ja ihre Kinder - das eine grau und schwarz getigert, wie sie selbst, eine Schönheit also, wie man wohl ohne falsche Bescheidenheit sagen durfte - das andere ganz der Vater, der bunt war, mit eleganten weißen Hosen und weißen Handschuhen und einem Tupf auf der Nase, und der so gefühlvoll sang. Wie hatten sie beide so herrlich zusammen gesungen an den ersten Märzabenden im Garten, zweistimmig, viele hübsche Lieder ... Sehr begreiflich, dass diese Kinder mit den kleinen rutschenden Pfoten und den großen Köpfen so prachtvolle Geschöpfe geworden waren, nicht nur Katzen, was an sich schon der Gipfelpunkt ist, wie jeder weiß, nein, Katzenkinder, wie sie die Erde noch nicht gesehen!

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Wie hatten sie beide so herrlich zusammen gesungen...

Zeichnungen aus dem Film: Jana und Vlado

Stolz reckte sich die Katzenmutter in die Höhe und betrachtete liebevoll schnurrend die kleinen Wunder ihrer Welt. Hier diese angenehme Bodenkammer schien übrigens in jeder Hinsicht der richtige Ort zu sein, still und ungestört. Ein weicher heugefüllter Korb, warm und überaus geeignet für die ersten Kletterversuche, viel Gerümpel ringsherum, voller Spannungen und Entdeckungsmöglichkeiten, freundlich vom Maimond beleuchtet, der durch die Fenster lugte, weite Flächen zum Spielen, und dann - welch ein berühmtes Mausrevier, welch ein weites Gebiet zur sachgemäßen Ausbildung der beruflichen Fähigkeiten!

»Ich sollte doch selbst mal ein wenig nach Mäusen sehen«, sagte die Katze, »die Kleinen schlafen, und eine Ablenkung würde mir gut tun, Kinderpflege ist angreifend, und mir ist auch so, als hätte ich einen beachtenswerten Appetit.«

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Zeichnungen aus dem Film: Jana und Vlado

Die Katze erhob sich vom Heulager, beleckte schnell noch einmal ihre Kinder und strich dann auf leisen Sohlen, schnuppernd, an Kisten und Körben entlang. Es hatte doch, auch wenn man allmählich etwas in die Jahre gekommen war, immer noch etwas angenehm Aufregendes, so nach Mäusen zu schnüffeln. Und jetzt - raschelte da nicht jemand? Roch es nicht so erbaulich nach Mäusen? War das nicht der feine Duft, unverkennbar für eine kätzliche Nase?

Noch einige vorsichtige Schritte, auf Samtpantoffeln - niemand machte ihr das nach - , und dann stand sie vor einem Mäusenest, in dem zwei kleine nackte Junge lagen. Bloß Junge? dachte die Katze, da wären die Samtpantoffeln überflüssig gewesen, die können weder laufen noch sehen. Es lohnt überhaupt kaum, zwei kleine Bissen, weiter nichts. Aber man kann ja immerhin, zur Stärkung sozusagen ...

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Zeichnungen aus dem Film: Jana und Vlado

Sie wollte zupacken. Aber etwas in ihr redete. »Sie können weder laufen noch sehen, ganz wie deine Kinder. Sie sind völlig hilflos, und die Mutter wird wohl tot sein. Sie sind so hilflos wie deine Kinder, wenn du nicht da bist. Es ist wahr, dass es Mäuse sind, aber es sind kleine Mäuse, sehr kleine, es sind Kinder - nicht wahr, du weißt es, was Kinder sind?«

Es war die Mutterliebe, die redete, und in ihr redete die All-Liebe. Sie kann nur reden in einer Mutterliebe, die sehr groß ist, so groß wie die Mutterliebe einer Katze, denn sie ist eine der größten. »Nicht wahr, du weißt es, was Kinder sind?«, fragte die Stimme.

Die Katze beugte sich herab, fasste die eine kleine Maus vorsichtig mit den Zähnen und trug sie in ihren Heukorb. Dann ging sie zurück und holte das andere Junge.

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Zeichnungen aus dem Film: Jana und Vlado

Sie nahm beide an die Brust und säugte sie, mit ihren zwei Katzenkindern zusammen. Die kleinen Mäuse waren schon halb erstarrt, aber sie erwärmten sich sehr bald im Bauchfell der Katze. Sie waren halb verhungert, aber sie sättigten sich bald an der Brust der Katze. Sie fühlten sich völlig geborgen bei einer Mutter und ahnten es nicht, dass diese Mutter eine Katzenmutter war. Wie sollten sie das wissen? Sie waren blind und hilflos. Über ihnen lag schützend die krallenlose, weiche, samtene Katzenpfote.

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Zeichnungen aus dem Film: Jana und Vlado

Die Katzenkinder wuchsen, und die Mäusekinder wuchsen, beide öffneten die Augen, und das erste, was beide sahen, war die gleiche Mutter und die gleiche große Mutterliebe. Sie waren Kinder, und sie spielten miteinander, und die Maisonne sah zum Fenster herein und spielte mit. Und sie wob einen goldenen Schein um den Kopf der Katzenmutter.

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Zeichnungen aus dem Film: Jana und Vlado

Es ist dies eine wahre Geschichte. Sie ist nur klein, und doch ist sie sehr groß. Es ward eine neue Welt in ihr geboren von einem kleinen Geschöpf und in einer ärmlichen Dachkammer. Es wird auch nicht immer so sein, noch lange nicht; aber es ist ein großes Ereignis, dass dies geschehen ist. Die Gesetze der alten Welt sind stark und schwer, aber sie werden überwunden, Stufe um Stufe, denn die All-Liebe ist eine lebendige Kraft in der Seele dieser Erde. Langsam, sehr langsam wird die neue Welt aus der alten geboren, und das geschah schon oft in einer ärmlichen Dachkammer, und die Menschen wussten nichts davon.

Die Menschen wissen so wenig, und am wenigsten wissen die, welche am meisten zu wissen meinen. Sie wissen auch nicht, ob Tiere beten. Aber ich glaube, dass auch Tiere in ihrer Not eine Macht anrufen, die über ihnen ist - und wenn die Katze bitten würde, die Liebe Gottes würde sie erhören.

Der Autor

Manfred Kyber

Manfred Kyber (1880-1933) war ein deutscher Schriftsteller und Tierschützer, der vor allem durch seine besonderen Tiergeschichten bekannt geworden ist. Aus zwei seiner Geschichten, »Stumme Bitten« und »Der Hase und der Tod«, hat der Verlag Das Brennglas einen Zeichentrickfilm auf DVD produziert, der die »stumme Bitten« hörbar macht und den Tieren mit ergreifenden Bildern eine Stimme gibt.

Die DVD

DVD Stumme Bitten

Stumme Bitten · Der Hase und der Tod

Zwei Tiergeschichten von Manfred Kyber jetzt als Zeichentrickfilm

DVD, Laufzeit ca. 14 min.

Verlag Das Brennglas, 2024

Preis: 9,90 Euro

Die DVD bestellen:

DVD: „Stumme Bitten“ · „Der Hase und der Tod“ als Zeichentrick-Filme

Artikelnummer: 321

»Die Welt ist voll von stummen Bitten, die nicht gehört werden. Es sind Menschen, die sie nicht hören. Es scheint unmöglich, diese stummen Bitten zu zählen. So viele sind es. Aber sie werden alle gezählt. Sie werden gebucht im Buche des Lebens.« (Manfred Kyber) Ein Zeichentrickfilm, der unter die Haut geht, die »stumme Bitten« hörbar macht und den Tieren mit ergreifenden Bildern eine Stimme gibt!

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