PETA-Recherche über Geflügel-Großkonzerne
Wie Geflügel-Großkonzerne Verbraucher systematisch täuschen und Tiere ausbeuten
Von Bettina Eick, Fachreferentin für Ernährung bei PETA Deutschland e.V.
Jeder Bürger in Deutschland isst durchschnittlich im Jahr knapp 14 Kilogramm Geflügelfleisch und mehr als 200 Eier. Das sind über 600.000.000 geschlachtete Hühner, Puten und Gänse und 20 Milliarden Eier im Jahr. [1, 2] Großkonzerne, die mit Geflügelprodukten und Eiern Profit machen, geben vor, großen Wert auf Tierwohl zu legen und werben mit angeblich artgerechter Haltung und diversen »Qualitätssiegeln«. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt jedoch, dass durch ausgeklügeltes Marketing eine Scheinwelt erschaffen wird, die das Gewissen der Verbraucher beruhigen soll. Und: Die Verflechtungen der Unternehmen untereinander, mit Interessenverbänden, der Politik und Zertifizierungsstellen führen zu einem nahezu in sich geschlossenen System.

»Artgerechte Haltung«?
Bis zu 300 Eier legt eine so genannte »Hochleistungshenne« im Jahr. Durch extreme Überzüchtung wird diese hohe »Legeleistung« erreicht. Sobald die »Legeleistung« nach etwa 1,5 Jahren nachlässt, werden die völlig ausgemergelten Hennen geschlachtet und enden als Suppenhuhn. Und: Für die Produktion von Eiern - auch für Bio-Eier - werden jedes Jahr rund 50 Millionen männliche Küken gleich nach dem Schlüpfen vergast. · Bild: PETA
Sechs Unternehmen dominieren den Markt für Geflügelfleisch und Eier
In Deutschland dominieren sechs Großkonzerne den Markt für Geflügelfleisch und Eier:
· Die EW Group ist Weltmarktführer für weiße Legehennen, Puten- und Masthähnchen. Die EW-Tochter Lohmann Breeders züchtet »Hochleistungshennen«, die bis zu 320 Eier pro Jahr legen. Jedes dritte Ei weltweit wird mittlerweile von einem »Lohmann-Huhn« gelegt. [3]
· Die Plukon Food Group ist Europas zweitgrößter Geflügelfleischproduzent und verkauft ihre Produkte unter Markennamen wie »FairMast« oder »Friki«.
· Der größte europäische Putenfleischproduzent, die Heidemark GmbH, hat bei Putenfleisch in Deutschland einen Marktanteil von 50 %. [4]
· Deutschlands größter Geflügelfleischproduzent, die PHW-Gruppe, ist im Supermarkt vor allem mit den bekannten Marken »Wiesenhof« und »Bruzzler« vertreten.
· Die Franz-Josef Rothkötter GmbH ist der zweitgrößte deutsche Geflügelfleischproduzent und gehört zu McDonalds-Lieferanten für Hähnchenfleisch. [5]
· Einer der größten Eierproduzenten Europas ist die Deutsche Frühstücksei GmbH.
Eines haben all diese Unternehmen gemeinsam: Sie lassen aus Profitgründen Millionen Tiere unter den tierquälerischen Bedingungen der industriellen Tierwirtschaft leiden und töten, werben aber fälschlicherweise mit Tierwohl.
Unternehmen beuten Tiere aus und täuschen Verbraucher
Hühner werden für die industrielle Landwirtschaft auf eine immer höhere Leistung gezüchtet. Bis zu 300 Eier im Jahr muss eine »Hochleistungs-Legehenne« im Jahr legen. Von Natur aus legen Hühner in ihrer Urform nur 20 bis 30 Eier im Jahr - und zwar zur Fortpflanzung, wie jeder Vogel. [6] Das ständige Eierlegen, zu dem die Hühner heute zuchtbedingt gezwungen sind, hat oft gravierende gesundheitliche Folgen: Kalziummangel, gebrochene Knochen oder entzündete Kloaken.
Hühner der »Mastlinie« setzen durch gezielte Zucht und durch spezielles Futter besonders viel Fleisch an. Teilweise können die Tiere ihr eigenes Gewicht nicht mehr tragen. Nach einer kurzen Mastzeit von meist nur 30 bis 45 Tagen werden sie im Schlachthaus getötet. [7] Die Züchtung der unterschiedlichen »Hühnerlinien« dient dazu, durch gezielte Ausbeutung der Tiere einen möglichst hohen wirtschaftlichen Ertrag zu erzielen. [8]

In der Werbung wird ein Bild gezeichnet,
das mit der Lebensrealitiät der Tiere nichts zu tun hat: Glückliche Hühner laufen über grüne Wiesen oder saubere Einstreu und ruhen auf Strohballen. Werbesprüche wie »Verantwortung für Mensch und Tier«, »Gesunde Tiere« oder »Deutsches Geflügel aus tierfreundlicher Aufzucht« sind immer wieder zu lesen. · Bild: PETA
Ganz anders präsentieren sich die Geflügelunternehmen in Werbespots, auf manchen Verpackungen und auf den eigenen Internetseiten: Glückliche Hühner laufen über grüne Wiesen und ruhen gemütlich auf Strohballen. Flauschige Küken werden liebevoll von lächelnden Bauern in den Händen gehalten. Verschiedene Label wie »Initiative Tierwohl«, »FairMast« oder »Bio« sollen das Gewissen von Verbrauchern beruhigen, denen Tierwohl am Herzen liegt.
Doch dabei handelt es sich in Wirklichkeit um Verbrauchertäuschung. Zahlreiche Videoveröffentlichungen von PETA [9, 10, 11, 12, 13, 14, 15] und anderen Organisationen [16, 17, 18, 19] haben in den vergangenen Jahren immer wieder die wahren Zustände in Mastbetrieben aufgezeigt: Kranke, auf minimalem Raum gedrängte Tiere kauern auf kotverdrecktem Untergrund. Fast federlose, geschwächte Hühner mit deformierten Füßen vegetieren vor sich hin. Verwesende Tierleichen liegen auf dem Boden. Auch der Umgang der Arbeiter mit den Tieren ist alles andere als behutsam: Für die Mast gezüchtete Hühner und Puten werden mit Tritten zusammengetrieben und grob gepackt, egal an welchem Körperteil. Mehrere panisch flatternde Tiere werden oft nur an einem Bein und in den meisten Fällen mit dem Kopf nach unten von Arbeitern getragen und für den Transport zum Schlachthaus in Käfige geworfen und gequetscht.
Mafiaähnliche Strukturen schützen das tierausbeuterische System
Wieso schützt das Tierschutzgesetz die Tiere nicht vor diesen tierquälerischen Bedingungen? Hierzu muss man wissen: Die sechs Geflügel-Großkonzerne bilden ein undurchsichtiges Konstrukt aus Schwester- und Tochterunternehmen, Firmen mit ähnlich klingenden Namen, mit häufigem Wechsel der Geschäftsführung und diversen personellen Überschneidungen zwischen den Unternehmen.
Die EW-Tochter Aviagen züchtet Masthähnchen und Puten und liefert so genannte Elterntiere beispielsweise an Rothkötter und die Plukon Food Group. Auch ein großer Anteil der Zuchtputen bei Heidemark stammen von Aviagen. Die EW-Group hält Anteile an Plukon und an der EIPRO-Vermarktung GmbH & Co. KG, an der wiederum auch die Deutsche Frühstücksei Anteile über zugehörige Drittfirmen hat. Das PHW-Tochterunternehmen WIMEX züchtet Hühner der Masthähnchenrassen und liefert Tiere unter anderem an Plukon. [20]
Erich Wesjohann ist Gründer und Teil der Geschäftsführung der EW-Group und saß gleichzeitig drei Jahrzehnte lang bis 2021 für die CDU im Gemeinderat in Visbek, dem Sitz der EW-Group. [21] Rudolf Preisinger ist Prokurist bei der EW-Group und war bis 2016 Geschäftsführer bei Lohmann Breeders. Trotzdem ist er seit 2014 Teil des Kompetenzkreises der Initiative Eine Frage der Haltung - neue Wege für mehr Tierwohl . [22] Dabei handelt es sich um eine Initiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Olaf von Lehmden ist Hauptanteilseigner der Deutschen Frühstücksei und Geschäftsführer der Biogas AG, deren Aufsichtsratsvorsitzender Franz-Josef Holzenkamp ist. Holzenkamp ist ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter und war Mitglied im wichtigen Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie Vorsitzender der CDU/CSU-Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft. Er ist außerdem Präsident des Deutschen Raiffeisenverbands, der Mitglied des Deutschen Bauernverbands ist. Ein Mitglied des Präsidiums des Deutschen Bauernverbands, Johannes Röring, ist Schweinehalter und gleichzeitig CDU-Bundestagsabgeordneter, dort Mitglied des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft. Außerdem ist er Vorsitzender des Fachbeirates für Vieh, Fleisch und Fleischerzeugung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), welche die zentrale Umsetzungsbehörde im Geschäftsbereich des BMEL darstellt.
Die QS Qualität und Sicherheit GmbH vergibt das so genannte QS-Siegel. Vertreter des Fachbereichs Geflügel bei QS Qualität und Sicherheit ist Christoph Bernhard Kalvelage, der ehemalige Heidemark-Geschäftsführer und Vater der aktiven geschäftsführenden Kalvelage-Brüder. [23] In den Fachbeiräten von QS finden sich die Vertreter der Geflügelindustrie - neben Christoph Kalvelage auch andere Größen der Branche wie Paul-Heinz Wesjohann (Gründer und früherer Vorstand der PHW-Group und Bruder von Erich Wesjohann) und Wilfried Flemming, Geschäftsführer von Rothkötter als Stellvertreter des Fachbereichs Geflügel. Das vermarktungsorientierte Unternehmen QS spielt im Agrobusiness eine bedeutende Rolle, da alle wesentlichen Akteure der Branche im Kuratorium der QS GmbH vertreten sind: CDU-Abgeordnete wie Albert Stegemann (in dessen Betrieb auch schon Missstände aufgedeckt wurden) [24] und Marlene Mortler aus dem Agrarausschuss des Bundestags, ebenso auch der Deutsche Raiffeisenverband und der Deutsche Bauernverband durch ihre Präsidenten. [25] Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass vor allem die CDU/CSU im Bundestag immer wieder Gesetzesinitiativen für mehr Tierschutz zurückweist und grausame Tierquälerei in industriellem Maßstab legal bleibt.
Die Anforderungen des QS-Siegels werden also nicht von neutraler Stelle definiert, sondern von den wirtschaftlichen Akteuren selbst. Das in der Nahrungsmittelindustrie weit verbreitete QS-Siegel geriet in der Vergangenheit immer wieder in die Kritik, da durch das Unternehmen kontrollierte und mit dem Siegel versehene Betriebe durch Missstände auffielen. [26, 27]
Die Produkte machen auch Menschen krank
Die erbarmungslosen Bedingungen in den Ställen, der oftmals katastrophale Zustand der Tiere und ein massenhafter Einsatz von Antibiotika bedeuten nicht nur Tierleid, sondern haben auch Auswirkungen auf die Gesundheit der Verbraucher. Lebensmittelskandale, Produktrückrufe und Untersuchungen zeigen, dass die Produkte oftmals krank machen. Mehrfach mussten in den letzten Jahren Chargen von Eifrisch-Eiern der Deutschen Frühstücksei GmbH wegen Salmonellenbelastung zurückgerufen werden. [28, 29, 30] Bei einer Untersuchung von Stiftung Warentest 2021 wurden bei 16 von 17 Hähnchenschenkeln Krankheitserreger, die Lebensmittelinfektionen verursachen können (Campylobacter), Salmonellen sowie antibiotikaresistente Keime gefunden. Laut Untersuchung ist auch auf die Qualität von Biofleisch kein Verlass. [31] In einer 2014 von PETA beauftragten Untersuchung der Produkte verschiedener deutscher Fleischproduzenten konnten in 86 % der Geflügelfleischproben antibiotikaresistente Keime nachgewiesen werden. Eine 2015 vom Bund für Umwelt und Naturschutz veröffentlichte Untersuchung zur Keimbelastung von Putenfleischprodukten zeigte, dass 88 % der untersuchten Proben antibiotikaresistente Keime enthielten. Bei Produkten von Heidemark war auf 19 von 21 Proben eine Keimbelastung nachweisbar. [32] Bei einer Studie von Germanwatch war 2019 mehr als jede zweite Hähnchenfleisch-Probe mit antibiotikaresistenten Erregern belastet. [33]
Laut Robert Koch-Institut sterben über 30.000 Menschen pro Jahr in Europa an Infektionen, die wegen antibiotikaresistenter Keime nicht behandelt werden konnten. [34]
Verbrauchertäuschung mit »Tierwohl«? - Das können Sie tun!
In der Geflügelindustrie werden fühlende Tiere systematisch ausgebeutet und zur Ware degradiert. Gleichzeitig werden die Verbraucher hinters Licht geführt und getäuscht, um die grausame Wahrheit zu beschönigen. Denn für Begriffe wie artgerecht oder Tierwohl gibt es keine klaren gesetzlichen Vorgaben. Das nutzen Unternehmen, die mit tierischen Produkten Profit machen, schamlos aus.
Geflügelfleisch und Eier bedeuten grundsätzlich Tierleid - ganz gleich, von welchem Unternehmen und egal mit welchem Label. Greifen Sie stattdessen zu pflanzlichen Alternativen und genießen Sie die Fülle an leckeren und gesunden veganen Gerichten. Das kostenlose 30-tägige Veganstart-Programm von PETA unterstützt beim mühelosen Umstieg auf die tierfreundliche vegane Ernährung: www.veganstart.de
Quellen:
[1] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Bestandszwachs bei Legehennen setzt sich fort.
[2] Statista (April 2020): Pro-Kopf-Konsum von Geflügelfleisch in Deutschland in den Jahren 1991 bis 2019
[3] Brüten für den Weltmarkt - Das Hühnerimperium an der Nordsee. ARD, 2010
[4] Heidemark GmbH: www.heidemark.de/unternehmen/wissenswertes/
[5] Greenpeace: Hähnchen-Stinkefinger gegen McDonalds. 2015
[6] Planet Wissen: Hühner. www.planet-wissen.de/natur/haustiere/huehner/index.htm
[7] Albert Schweitzer Stiftung: Masthühner in der Massentierhaltung, 2017.
[8] Prof. Bernhard Hörning (2008): Auswirkungen der Zucht auf das Verhalten von Nutztieren. Kassel University Press (ISBN 978-3-89958-391-5)
[9] PETA Deutschland: Plukon: So leiden Hühner tagtäglich in deutschen Mastanlagen, 2014
[10] PETA Deutschland: Das tierquälerische Gesicht hinter dem Werbe slogan Tierschutzlabel - FairMast. 2014. www.peta.de/themen/fairmast/
[11] PETA Deutschland: Geldbuße für Putenmäster. www.peta.de/themen/geldbusse-fuer-heidemark-putenmaester
[12] PETA Deutschland: Geldbuße für Heidemark-Putenmäster www.peta.de/themen/eierrecherche2017/
[13] PETA Deutschland: Die alltägliche Tierquälerei in der Hähnchenmast www.peta.de/themen/rothkoetter/
[14] PETA Deutschland e.V., Der Wiesenhof-Skandal. www.peta.de/themen/wiesenhof2010/
[15] PETA Deutschland e.V., Der Skandal um die Hühnerzucht von Lohmann Tierzucht, 2012. www.peta.de/themen/lohmann/
[16] Animal Equality: Hühnerleid bei Wiesenhof-Vertragspartner. 2020. https://animalequality.de/
[17] Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb): Tiertransporte: Hühner auf gefährlichen Reisen, 2021
[18] SOKO Tierschutz: Tierquälerei für Wiesenhof, 2020.
[19] Animal Equality Germany: Neue Recherche zeigt systematische Tierqual bei Wiesenhof und Rothkötter, 2017. https://animalequality.de/
[20] Plukon Food Group: Plukon Food Group CSR Report 2017-2018, 2019
[21] Erich Wesjohann macht Platz für Ralf Stukenborg. OM online, 2021.
[22] Tierschutzbericht der Bundesregierung 2019
[23] Qualität und Sicherheit GmbH: Qualitätssicherung mit Expertise und Know-how, Die Fachbeiräte - Geballte Kompetenz. www.q-s.de/qs-system/qssystem-gremien.html
[24] Sven Lampe, Stegemann kritisiert Tierrechtler - Illegale Videos aus Kuhstall in Ringe. Osnabrücker Zeitung, 20216
[25] Qualität und Sicherheit GmbH: Qualitätssicherung mit Expertise und Know-how, Das Kuratorium Im Dialog für sichere Lebensmittel. www.q-s.de/qs-system/qssystem-gremien.html#kuratorium
[26] Kolakowski, Peter: QS-Siegel in der Kritik. Deutschlandfunk, 2011.
[27] Gütesiegel: Betrug leicht gemacht? Merkur tz, 2013
[28] Rückruf: Salmonellen - Eifrisch ruft Eier aus Bodenhaltung über viele Handelsketten zurück, 2018. www.produktwarnung.eu
[29] Rückruf: Salmonellen Freilandeier via Aldi Nord, Rewe und Penny zurückgerufen, 2017. www.produktwarnung.eu
[30] Rückruf: Salmonellen - Eifrisch ruft Bio-Eier über verschiedene Handelsketten zurück, 2018.www.produktwarnung.eu
[31] Stiftung Warentest, Hähnchenschenkel im Test. 2021
[32] Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland: Putenfleisch aus Discountern mit antibiotikaresistenten Keimen belastet. Risiken und Nebenwirkungen der industriellen Tierhaltung weiter inakzeptabel. 2015
[33] Reinhild Benning, Germanwatch e.V. (2020): Hähnchenfleisch im Test auf Resistenzen gegen Reserveantibiotika
[34] Robert Koch Institut: Neue Zahlen zu Krankheitslast und Todesfällen durch antibiotikaresistente Erreger in Europa.