Rettungsaktion für Flusspferde in Botswana: Interview mit Lars Gorschlüter, Gründer von SAVE Wildlife
Durch menschliche Eingriffe im nördlichen Teil des Okavango-Deltas und den Klimawandel kommt es immer öfter zu längeren Dürrephasen.
Flüsse und Lagunen trocknen aus. Flusspferde bleiben in ausgetrockneten Wasserlöchern stecken und verenden. »Ich finde, wir sollten den Tieren eine Chance geben«, sagt Lars Gorschlüter. SAVE Wildlife hat inzwischen drei erfolgreiche Rettungsaktionen für Flusspferde durchgeführt.
FREIHEIT FÜR TIERE: Die Stiftung SAVE Wildlife führt im südlichen Okavangodelta nahe der Stadt Maun in Botswana eine große Rettungsaktion für Flusspferde durch. Wie kam es dazu?
Lars Gorschlüter: Es ist jetzt bereits unsere dritte größere Rettungsaktion: Die erste war 2019/20 in der Nxaraga-Lagune ebenfalls bei Maun. Die zweite war 2021, weil der Lake Ngami ausgetrocknet war. Es waren nur acht Hippos, die dort feststeckten, aber es war eine größere Aktion zusammen mit dem Wildlife Department, weil die Tiere eingefangen und an einen anderen Ort transportiert werden mussten, wo es mehr Wasser gab - und das Einfangen war nicht so einfach. Die Überlegung, die Tiere in andere Gebiete zu verlagern, hatten wir auch im Sommer 2023, als die Hippos in dem Wasserloch in der Nxaraga-Lagune gefangen waren, weil sie in den umliegenden Gebieten kein Wasser mehr fanden. Aber aufgrund der Anzahl - es waren ungefähr 200 Tiere - war das nicht zu leisten. Die Tiere müssen ja erstmal aus dem Wasser herauskommen, dann müsste man sie mit Pfeilen betäuben und in LKWs schleppen... Also, sehr aufwändig und fast unbezahlbar. Der ein oder andere Spezialist hat gesagt: »Das ist Natur, überlasst die Tiere sich selbst.«
Aber wir haben gesagt: Wenn man mit überschaubaren Aufwendungen die Hippos retten kann, dann sollte man das tun! Es handelt sich ja um eine beträchtliche Zahl an Tieren: zwei bis drei Prozent der Gesamtpopulation in Botswana. Und da ist es auf jeden Fall wert, zu kämpfen!
Aufgrund der vorhergehenden Aktion hatten wir natürlich gute Erfahrungen, wie man jetzt vorgeht: Wir haben relativ schnell das Bohrloch in etwa sechs- bis achthundert Metern Entfernung von der Lagune gebohrt. Dort kam ein Wassertank auf eine erhöhte Stelle, der durch das Bohrloch gefüllt wird. Von dort haben wir eine Leitung bis zu dem Wasserloch gelegt. Das Wasserloch haben wir mit Baggern ausgehoben und einen Wall darum geformt, so dass das Wasserloch mehr Wasser hält. Der Wall wird natürlich im Laufe der Zeit platt getrampelt durch die Hippos und Elefanten, die dort zum Trinken kommen. Das Befüllen des Wasserlochs hat gut geklappt. Man muss wissen, dass eigentlich Dezember, Januar, Februar starke Regenmonate sind. Aber auch dieses Jahr war extrem wenig Regen. Der Regen hat wenigstens dafür gesorgt, dass um das Wasserloch herum wieder mehr Gras und natürliches Futter gewachsen ist, so brauchten wir nicht mehr so viel Zusatzfutter zu füttern.
FREIHEIT FÜR TIERE: Du bist gerade aus Botswana zurückgekehrt. Wie hast du den Einsatz für die Flusspferde erlebt?
Lars Gorschlüter: Wenn man diese Massen an Hippos sieht - das ist einfach sehr beeindruckend! Und dass man ein Teil davon ist und diesen Hippos eine Chance gibt - das ist schon ein ergreifendes Gefühl.
Unsere anderen Projekte wie Artenschutz durch Bildung sind langfristig angelegt, auch wenn wir natürlich das Feedback der Kinder erleben. Bei der Hippo-Rettung sehen wir den Erfolg direkt - das ist schon ein tolles Gefühl, hier als Tierschützer und als Naturschützer dabeizusein.
Als ich jetzt vor Ort war, gab es noch immer keinen Regen und dementsprechend trocken waren die Wasserlöcher. Wenn so ein Wasserloch trocknet, besteht eine extrem hohe Gefahr, dass die Hippos im Schlamm einfach stecken bleiben. Man kann sich das gar nicht vorstellen: Der Schlamm ist 70 bis 80 Zentimeter tief. Wenn du da reingehst - das habe ich mal aus Versehen gemacht -, kommst du alleine fast nicht mehr raus.
Der tiefe Schlamm war ein großes Problem. Wir haben fast die Hippos nicht mehr gesehen, weil sie so tief im Schlamm lagen. Deshalb haben wir veranlasst, dass ein zweites Wasserloch gebaggert wird, neben dem bisherigen. Dadurch haben sich die Hippos ein bisschen aufgeteilt. Man muss ja auch verstehen: Das sind Familienverbände, die in recht kleinen Gruppen mit sechs bis acht Tieren leben. Am Wasserloch sind 200 Tiere. Und je kleiner der Raum ist, umso mehr Konflikte gibt es. Deswegen ist es gut, wenn man die Wasserlöcher größer macht und mehrere anlegt, damit sich die Familien aufteilen können. Das war die Aktion bei meiner letzten Reise nach Botswana.
Die Hippos sind inzwischen in sehr guter Verfassung. Wir haben Veterinäre vor Ort, die dies bestätigen. Wir müssen jetzt weniger zufüttern. Wasser muss her, das ist klar, aber die Gruppe ist sehr stabil. Es sind sogar acht bis zehn junge Flusspferde in der Lagune zur Welt gekommen. Wir haben auch schon gesehen, dass zwanzig oder dreißig Flusspferde das Wasserloch verlassen haben. Wohin können wir nicht genau sagen, sie marschieren nachts doch relativ weit und suchen andere Wasserlöcher.
Und bald kommt das Flusswasser. Der letzte Stand war, dass das Okavangowasser, welches vom Norden von Angola aus kommt, noch etwa 50 Kilometer weg ist - und das füllt dann das gesamte Delta. Diese Lagune ist sozusagen am Ende des Deltas. Wir hoffen natürlich, dass die Wasserlöcher dann wieder mit Wasser gefüllt werden. Man muss sich vorstellen, es gab jetzt in diesem Gebiet seit Mitte 2022 kein Flusswasser mehr, so dass keiner weiß: Wie sind die unteren Bodenverhältnisse? Wie tief sackt das Wasser erstmal ab? Fließt es nur unterirdisch oder auch oberirdisch? Insofern bleibt es spannend. Aber wir hoffen, dass das Wasser spätestens Anfang August dort sein wird. Und damit wäre dieses Projekt erst einmal beendet - für dieses Jahr.
FREIHEIT FÜR TIERE: Du hast berichtet, es gibt Stimmen, die sagen, man solle die Flusspferde nicht künstlich mit Wasser und Futter versorgen, sondern die Natur sich selbst überlassen. Da müsste man anmerken: Dass es nur noch so wenig Flusspferde gibt, liegt ja nicht an der Natur, sondern an uns Menschen. Und dass es nicht mehr regnet, ist ja auch eine Auswirkung, die wir Menschen durch unsere Naturzerstörung verursacht haben.
Lars Gorschlüter: Genau. Ich verstehe die Meinung - und es gibt ja jedes Mal viele Meinungen. Aber ich finde, wir sollten den Tieren eine Chance geben. Es haben verschiedene menschliche Einflüsse dazu geführt, dass es soweit gekommen ist: Trophäenjagd, Wilderei, Lebensraumzerstörung, unser Einfluss auf das Klima. Darum sollten wir Menschen helfen, Lebensraum für bedrohte Tiere wieder herzustellen und uns darum zu kümmern, dass Flusspferde, Nashörner, Elefanten und andere Tiere wieder eine Chance bekommen.
FREIHEIT FÜR TIERE: Wenn ihr mit SAVE Wildlife diese Arbeit nicht leisten würdet, dann würde auf jeden Fall die Population weiter zurückgehen. Und dann, wenn die Population nicht mehr groß genug ist, und es zu wenig genetische Vielfalt gibt, brechen die Tierbestände zusammen - gerade bei Tieren, die bereits zu den bedrohten Arten zählen.
Lars Gorschlüter: Das stimmt. Die Hippos sind noch nicht stark vom Aussterben bedroht, aber die Zahl ist rückläufig aufgrund verschiedener menschlicher Aktivitäten. Und es ist ja viel einfacher, jetzt etwas zu tun und der gesunden Population in Botswana zu helfen, als zu warten, bis sie auf wenige Tiere zusammengeschrumpft ist.
Dazu kommt: Zu unserem Wasserloch kommen auch Elefanten, um zu trinken. Die Elefanten gehen dann nicht auf der Suche nach Wasser in die Dörfer. Damit reduzieren wir also gleichzeitig auch Konflikte anderer Arten mit dem Menschen und sorgen dafür, dass die Tiere mehr Akzeptanz finden. Außerdem kommen auch viele Rinder von den Dorfbewohnern und umliegenden Farmern zum Trinken. Also: Alle haben etwas davon. Es gibt also keinen logischen und guten Grund, die Rettungsaktion für die Flusspferde nicht zu tun.
Die Menschen vor Ort finden die Aktion toll. Die Menschen kommen zur Lagune, schauen sich das an, sie interessieren sich dafür. Die Lagune findet große Aufmerksamkeit: Das botswanische Fernsehen war mehrmals da, der Präsident war da - es gibt nationales Interesse an diesen Hippos.
Und das ist ein Grund mehr zu zeigen: Leute, es geht, wir können etwas tun! Wichtig ist es bei SAVE zu verstehen: Wir arbeiten zu 100 Prozent mit Leuten vor Ort. Das heißt, da ist auch kein Weißer, der sagt: »Hier, ich hab jetzt die Hippos gerettet!« Ich halte mich da bewusst extrem im Hintergrund, das machen alles unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort. Und das ist eine der wichtigsten Botschaften an die Communities: Wir können etwas tun!
FREIHEIT FÜR TIERE: Und es entsteht das Bewusstsein, dass man durch Bewahren der Natur und Wildlife-Tourismus nur Vorteile hat - im Gegensatz zum Abschießen von Tieren durch Trophäenjäger. Du hast ja berichtet, der Dorfchief plant, durch Besucher an der Flusspferd-Lagune Geld zu generieren für die Entwicklung des Dorfes.
Lars Gorschlüter: Das motiviert alle! Durch die Berichte im Fernsehen und den Besuch des Präsidenten wollen die Menschen hier etwas entwickeln. Das ist eine unglaublich positive Gesamtsituation!
Das Interview mit Lars Gorschlüter führte Julia Brunke, Redaktion FREIHEIT FÜR TIERE.
Informationen:
SAVE Wildlife Conservation Fund Stiftung Dieselstraße 70 Internet: www.save-wildlife.org |