Skandal im Kuhstall: Immer wieder katastrophale Zustände in Milchkuh-Ställen aufgedeckt
Der österreichische Verein RespekTiere e.V. in Salzburg deckt seit vielen Jahren regelmäßig tierquälerische Zustände in Milchkuh-Betrieben auf: Kühe in Anbindehaltung, durch kurze Ketten zur Bewegungsunfähigkeit verurteilt, auf Gitterrosten in Mist und Gülle stehend, mit dreckverkrustetem Fell. Kälber in winzigen Holzverschlägen, in denen sie sich kaum umdrehen können, oder in Kälberiglus in Gülle stehend. Über viele dieser Tierschutz-Skandale wurde mit dramatischen Bildern in der Presse berichtet. Doch wie viele Missstände müssen Tierschutzorganisationen noch aufdecken, bis der Gesetzgeber endlich reagiert und die tierquälerische Anbindehaltung von Kühen verbietet?
Himmelschreiende Zustände in einem Kuhstall im Innviertel
Seit Jahren meldet die Tierschutzorganisation RespekTiere katastrophale Zustände in einem Kuhstall in Feldkirchen bei Mattighofen (Bezirk Braunau im Innviertel) an die zuständigen Behörden. Ende Juli 2024 deckte RespekTiere erneut himmelschreiende Missstände in dem Stall auf. Die Fotos sind nichts für schwache Nerven: Man sieht Rinder und Kälber, am Hals angekettet in einem dunklen Stall unter verheerenden Bedingungen in Mist und Güllepfützen, von Kopf bis Fuß mit Fäkalien verschmutzt, ohne trockene Liegefläche - 24 Stunden am Tag am Hals angekettet, ohne Freilauf oder abgezäunte Wiesen.
»Es sind Bilder, welche in der Seele schmerzen«, sagt Tom Putzgruber, Obmann von Respektiere. Und er erklärt: »Diese Aufnahmen sind ein Skandal - nicht nur wegen der unfassbaren Lage, welcher man die Mitgeschöpfe scheinbar achselzuckend ausliefert. Sondern auch wegen der Tatsache, dass wir gegen diesen Stall bereits zum mindestens dritten oder gar vierten Male eine Anzeige verfasst haben.«
Auch stellt sich die Frage: Der wievielte »Einzelfall« ist das jetzt? Und wie viele »Einzelfälle« braucht es noch, bis der Gesetzgeber endlich reagiert und gegen die »schwarzen Schafe« wirklich vorgegangen wird, so wie es das Staatsziel »Tierschutz« in der Verfassung eigentlich gebietet?
Die Tierschutzorganisation RespekTiere erstattete Anzeige gegen den Halter der Kühe und sendete die Aufnahmen an die Presse. Die Kronen Zeitung (das österreichische Pendant zur deutschen BILD) berichtete auf dem Titelblatt mit einem großen Artikel und mit erschütternden Bildern, auch weitere Zeitungen informierten mit Bildern von den tierquälerischen Zuständen. Der ORF berichtete im Radio und TV Oe24 zeigte die Bilder im Fernsehen - inklusive Interview mit Tom Putzgruber zum Thema »Anbindehaltung von Kühen«.
Nach Berichterstattung auf der Titelseite von Zeitungen und im Fernsehen: Behörde ordnet Rettung der Kühe an
Der zuständigen Behörde, der Bezirkshauptmannschaft Braunau, war der Fall wegen der vorangegangenen Anzeigen bereits bekannt. »Der Hof ist aktenkundig und steht unter behördlicher Beobachtung. Es gab dort bereits auch tierschutzrechtliche Kontrollen - die letzte hat am 7. Juni stattgefunden«, erklärte Bezirkshauptmann Gerald Kronberger gegenüber der Kronen Zeitung und schickte den Amtstierarzt los. Dessen Befund fiel eindeutig aus: »Die hygienischen Zustände haben sich nicht gebessert.«
Kurz nach der Aufsehen erregenden Berichterstattung in der Presse ordnete die Behörde die Rettung der Tiere an. Einige Kühe mussten notgeschlachtet werden, die anderen kamen auf eine Weide. Gegen den Landwirt läuft ein Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz.
Kurz darauf wird ein weiterer Fall von Tierquälerei ganz in der Nähe aufgedeckt
Anfang August deckte RespekTiere erneut erschütternde Zustände in einem Kuhstall auf, diesmal in Franking, ebenfalls im Bezirk Braunau. »Ein Wanderer aus Bayern hat uns alarmiert«, erklärt Tom Putzgruber von RespekTiere. »Dort gibt es Kühe, die an den kürzest nur vorstellbaren Ketten hängen. Die Stände sind so kurz, dass sie auf Gittern zu liegen kommen und das buchstäblich im eigenen Kot. Das ist pure Tierqual!«
Auch hier sprechen die Bilder für sich: Der Stall ist dunkel und feucht und in heruntergekommenem Zustand. Die Kühe sind in tierquälerischer Anbindehaltung an kurzen Ketten am Metallgitter fixiert. Die Stände sind so kurz, dass die Kühe auf den Gitterrosten liegen müssen - im eigenen Kot. »Unfassbar«, sagt Tom Putzgruber. »Wie kann so etwas sein? Wenn der Milchabnehmer kommt, muss er die Zustände doch sehen - warum schreitet niemand bei einer derartigen Misere ein?«
Die Tierschutzorganisation erstattete erneut Anzeige bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Braunau und sendete die Aufnahmen an die Presse. Wieder berichtete die Kronen Zeitung groß aufgemacht mit erschütternden Bildern in Farbe.
Die Behörde schickte eine Amtstierärztin nach Franking, um den Kuhstall zu kontrollieren. Dabei wurden schwere hygienische Missstände festgestellt und dem Landwirt strenge Verbesserungsauflagen erteilt. »Funktioniert das nicht, setzen wir härtere Schritte ein - das kann bis zur Abnahme der Tiere reichen«, erklärte Thomas Gut von der Bezirkshauptmannschaft Braunau gegenüber der Kronen Zeitung. Der Landwirt zeigte sich vorerst offenbar einsichtig und kooperativ. »Er steht in ständigem Kontakt mit den Amtstierärzten und hat von sich aus angeboten, für die Kälber einen mobilen Laufstall im Freien zu errichten«, so Thomas Gut von der zuständigen Behörde.
Zusätzlicher Brennpunkt der traurigen Geschichte: »Premium«-Milchanbieter in der Verantwortung
Die Aufdeckung der unhaltbaren Zustände in dem Kuhstall im Bezirk Braunau durch RespekTiere sorgte für jede Menge Aufmerksamkeit in Presse, Radio und Fernsehen. Kurz darauf dokumentierte die Tierschutzorganisation, dass die Milch aus diesem Kuhstall vom Premium-Anbieter SalzburgMilch abgeholt wird.
Der Milchanbieter wirbt damit, »Österreichs Pionier für Tierwohl bei Milchkühen« zu sein. Auf den Internetseiten von SalzburgMilch heißt es: »Gemeinsam mit Österreichs führenden Experten wurden neue Richtlinien für das Wohlergehen der Milchkühe und eine artgerechte Haltung erarbeitet, die von allen Milchbauern der SalzburgMilch umgesetzt werden. Sie erfüllen nicht nur die gesetzlichen Standards, sondern gehen noch darüber hinaus. Das Ergebnis ist die Tiergesundheitsinitiative von SalzburgMilch, welche sich auf die wichtigen Punkte Auslauf, Fütterung, Gesundheit und artgerechte Haltung der Milchkühe konzentriert.«
Aber wie passen diese Aussagen und die Werbung mit Kühen auf grünen Wiesen und auf Almen zu der Realität und den tatsächlichen Bedingungen, unter denen die Milchkühe gehalten werden? Und: Welche Konsequenzen wird es nach den Fotos aus dem Kuhstall von Seiten des Milchanbieters geben?
»Es gibt bei der SalzburgMilch ein ehrgeiziges Tierwohl-Programm, bei dem die Kühe mindestens 120 Tage Auslauf und Zugang zur Weide haben sollen«, erklärt Tom Putzgruber. »Doch auf Wiesen sah man diese Kühe noch nie! Hier leben sie dem Anschein nach in permanenter Anbindehaltung im total verdreckten Stall.«
Und es handle sich auch leider nicht um den einzigen in Kritik geratenen Stall, der den bekannten Milchanbieter beliefert. »Auch von anderen Orten wird berichtet, man hätte nie noch eine Kuh auf den Wiesen um die Höfe gesehen. Was natürlich auch kommuniziert wurde - nur, welche Schritte wurden daraufhin eingeleitet?«, fragt Tom Putzgruber. »Erst vor kurzem deckten wir einen Fall auf, wo Kühe neben den Ketten noch dazu auf den Gittern der Kot-Rinne liegen mussten und auch ein Kalb angebunden wurde. Wir fordern daher den Milchanbieter auf, werbegerechte Bedingungen zu schaffen!«
»Die Kühe brauchen uns«
»Welche Lehren zieht man nun aus diesem gefühlt 500sten „Einzelfall“?«, fragt Tom Putzgruber. »Wir werden nicht Ruhe geben, bis auch die letzte Kuh von der Kette kommt. Denn die Kühe brauchen uns - und wir werden für sie da sein, egal, was passiert. Das ist ein Versprechen!«
Der engagierte Tierschützer ist überzeugt, dass diese Fotos an die Öffentlichkeit müssen: »Bilder lügen nicht. Unsere Bilder zeigen schmerzhaft genau das, was Rinder im modernen Zeitalter in Österreichs Landwirtschaft zu erwarten haben.«
Tom Putzgruber hofft, dass diese Bilder letztendlich dazu beitragen, dass ein neuer Weg eingeschlagen wird - und »Tierwohl« nicht bloß als ein werbewirksames Schlagwort missbraucht wird.
Informationen:
RespektTiere e.V. instagram.com/vereinrespektiere/ Youtube-Kanal: youtube.com/user/RespekTiere |
Quellen:
· Rinder im Dreck: Wieder untragbare Zustände in Innviertler Kuhstall. Kronen Zeitung, 9.8.2024. www.krone.at/90013483299
· Zusätzlicher Brennpunkt der traurigen Geschichte: Salzburg Milch in der Verantwortung! Respektiere.at, 4.8.2024. www.respektiere.at/2024/08/04/zusaetzlicher-brennpunkt-der-traurigen-geschichte-salzburg-milch-in-der-verantwortung/
· Behörde ermittelt: Kot und Ketten - furchtbarer Fall von Tierquälerei. Heute.at, 8.8.2024. www.heute.at/s/kot-und-ketten-furchtbarer-fall-von-tierquaelerei-120051927
· Es ist nicht zu glauben – wieder Skandal im Kuhstall! Unfassbare Bilder… Respektiere.at, 2.8.2024. www.respektiere.at/2024/08/02/es-ist-nicht-zu-glauben-wieder-skandal-im-kuhstall-unfassbare-bilder/
· Seit Jahren bekannt: Horror-Stall im Innviertel wird nun doch geräumt. Kronen Zeitung, 31.7.2024. www.krone.at/3476761
· Rinderhof im Innviertel wird geräumt. ORF, 31.7.2024. ooe.orf.at/stories/3267305/
· Seit mehr als einem Jahrzehnt katastrophale Zustände – wann reagiert die Behörde endlich entsprechend? Respektiere.at, 27.7.2024. www.respektiere.at/2024/07/29/seit-mehr-als-einem-jahrzehnt-katastrophale-zustaende-wann-reagiert-die-behoerde-endlich-entsprechen/
· Tierwohl bei SalzburgMilch. Internetauftritt des Milchanbieters SalzburgMilch. www.milch.com/de/tierwohl/