Studie: Einfluss von Ernährung und Sport auf die Gesundheit
Sportwissenschaftliche Studien zu Bewegung und nachhaltiger Ernährung gewinnen weltweit zunehmend an Bedeutung, da sie wertvolle Erkenntnisse zur Förderung lebenslanger Gesundheit und Vorbeugung von Zivilisationskrankheiten liefern. Denn eine nachhaltig gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung haben sowohl für den Einzelnen als auch gesamtgesellschaftlich mannigfaltige positive Effekte. Denn ernährungsbedingte Krankheiten verursachen Kosten von vielen Milliarden Euro im Jahr, welche die Krankenkassen und das Gesundheitssystem überlasten - und die vermeidbar wären.
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Katharina Wirnitzer, BEd vom Institut für Sekundarpädagogik der Pädagogischen Hochschule Tirol, mit ihren Kollegen Dr. Werner Kirschner und Prof. Dr. Gerhard Ruedl vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck untersucht im Rahmen der beiden österreichweiten Studien »From Science 2 School: Nachhaltig gesund - bewegt & veggie« und »Nachhaltig gesund - From Science 2 Highschool & University« das Bewegungs- und Ernährungsverhalten von österreichischen Schülerinnen und Schülern, Studierenden und Hochschuldozierenden. Dabei wird erstmals nach Ernährungsformen differenziert: traditionell (mit Fleisch, Milch, Eiern) - vegetarisch - vegan.

Von links: Prof. Dr. Katharina Wirnitzer von der Pädagogischen Hochschule Tirol forscht mit ihren Kollegen Dr. Werner Kirschner und Prof. Dr. Gerhard Ruedl vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck zum Einfluss von Ernährung und Sport auf die Gesundheit. · Bild: ©Katharina Wirnitzer
Fast drei Viertel aller Erkrankungen laut WHO durch Lebensstil bedingt
Ernährung und Sport als Schlüsselfaktoren für gute oder schlechte Gesundheit
Eine gesunde Ernährung und sportliche Bewegung sind allgemein als »Medizin« anerkannt. Bewegungs- und Ernährungsverhalten sind damit Schlüsselfaktoren für gute oder schlechte Gesundheit. Zusammen ist ihr Einfluss von entscheidender Bedeutung für die Vorbeugung oder die Entstehung von chronischen Erkrankungen (sogenannten Zivilisationskrankheiten).
Zunehmend sind nicht nur Erwachsene, sondern auch immer mehr Kinder und Jugendliche von ernährungsbedingten Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs, Übergewicht und Adipositas betroffen, hauptsächlich durch schlechte Ernährung (zu viel tierische Fette, zu viel Zucker, zu viel stark verarbeitete Produkte und Fast Food, zu wenig frisches Obst und Gemüse, zu wenig Ballaststoffe aus Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten, zu wenig mehrfach ungesättigte Fettsäuren) in Verbindung mit Bewegungsmangel.
Gesundheitsexperten bezeichnen Übergewicht bis hin zu Adipositas als globale Krise und Bewegungsmangel als das gravierendste Gesundheitsproblem des 21. Jahrhunderts. Denn Übergewicht und körperliche Inaktivität erhöhen das Risiko für chronische Krankheiten dramatisch. Hinzu kommen Störungen der Motorik sowie psychische Erkrankungen durch mangelndes Selbstvertrauen und Ängste.

Ungesunde Ernährung und zu wenig Bewegung sind ein Teufelskreis:
Ein Drittel der Kinder ist übergewichtig. Sport und Bewegung fallen immer schwerer. Hinzu kommen Störungen der Motorik, mangelndes Selbstvertrauen und Ängste. Das Risiko für chronische Krankheiten steigt, aber auch für seelische Probleme. · Bild: fetrinka - Shutterstock.com
Ein Drittel der Kinder und Jugendlichen übergewichtig, mehr als 80 Prozent bewegen sich zu wenig
In Österreich, Deutschland und anderen Ländern Europas sind ein Drittel der Kinder und Jugendlichen übergewichtig oder sogar fettleibig. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt für schulpflichtige Kinder und Jugendliche täglich mindestens 60 Minuten körperliche Aktivität. Doch etwa 85 % der österreichischen Kinder und Jugendlichen sind weniger aktiv. In Deutschland sieht es nicht anders aus.
Laut einer Untersuchung der Kaufmännischen Krankenkasse aus dem Jahr 2024 stieg der Anteil der Kinder mit motorischen Entwicklungsstörungen infolge von steigendem Bewegungsmangel und erhöhter Inaktivität sowie Zunahme des Medienkonsums innerhalb von zehn Jahren um 44 % an, bei den 15- bis 18-Jährigen stieg der Anteil an Bewegungsstörungen sogar um fast 120 %.
Laut Studienleiterin Prof. Dr. Katharina Wirnitzer von der Pädagogischen Hochschule Tirol bieten gesunde Ernährung verknüpft mit regelmäßig Bewegung und Sport eine besonders vielversprechende Lösung der aktuell dramatischen Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen, so der Ansatz des Forschungsteams.
Ernährung für Gesundheit und Körpergewicht noch wichtiger als Sport
»Obwohl Bewegung und Sport ebenso wie Ernährung als ‚Medizin‘ gelten, stimmt die Wissenschaft überein, dass bereits im Vorschulalter die Ernährung - also die Wahl von Nahrungsmitteln und die Ernährungsform - im Vergleich zu Bewegung und Sport bezüglich Gesundheit und Körpergewicht eine größere Rolle spielt«, erklärt Studienleiterin Prof. Dr. Katharina Wirnitzer. »Mit einem nachhaltigen gesunden Lebensstil findet ein gesunder Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter statt, so dass gesündere Generationen heranwachsen.«
Bildungsauftrag Gesundheit und Bewegung
Laut staatlichem Bildungsauftrag der österreichischen Lehrpläne der Sekundarstufe I und II fallen Bewegung und Sport ebenso wie Ernährung in den Bereich des Allgemeinen Bildungsziels und stehen damit im Zentrum eines nachhaltigen Lehr-Lern-Prozesses zum Bildungsbereich »Gesundheit und Bewegung«. Somit ist Gesundheit als übergeordnetes Bildungsziel bezüglich ihrer kompetenz- und handlungsorientierten Umsetzung für alle Schulfächer relevant. Allerdings gilt die Gesundheitsförderung vorrangig als spezielle Aufgabe des Schulsports, wodurch dem Pflichtgegenstand Bewegung und Sport eine »tragende Rolle« zukommt.
Studie: Wie wirken sich verschiedene Ernährungsformen in Verbindung mit Sport auf die Gesundheit aus?
Die interdisziplinäre Studie untersucht Gesundheitsverhalten mit besonderem Augenmerk auf die Ernährung (traditionell - vegetarisch - vegan) in Verbindung mit der körperlichen Aktivität unter österreichischen Schülern (10–19 Jahre), Lehrern und Schulleitern der Sekundarstufe I und II. Nach einem Querschnittsdesign wurde ein vollständiges Profil des Lebensverhaltens, einschließlich detaillierter Informationen zu Ernährung, körperlicher Aktivität, Sport & Bewegung und anderen gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen mithilfe eines Online-Fragebogens gesammelt. Insgesamt nahmen 8.799 Kinder/Jugendliche und 1.350 Erwachsene (Lehrer/Schulleiter) an der Studie teil. Von den Schülern ernährten sich 84,3 % traditionell (mit Fleisch, Eiern und Milchprodukten), 8,5 % vegetarisch und 7,2 % vegan. Von allen Teilnehmern waren 7,1 % übergewichtig und 4,7 % adipös.
Ein wichtiges Ergebnis der Studie: Vegetarier und Veganer hatten die niedrigste Adipositasrate. Außerdem konnten zwischen regelmäßiger sportlicher Aktivität und einem höheren Konsum von Obst und Gemüse und zwischen veganer Ernährungsweise und einem höheren Aktivitätslevel in der Freizeit signifikante Zusammenhänge gezeigt werden.
Da dies die erste Untersuchung ist, die die Verbreitung von Veganismus/Vegetarismus in einer großen Gruppe von Schülern untersucht, wird die vorliegende Studie einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den Mangel an Wissen über körperliche Aktivität, Sport und Bewegung im Zusammenhang mit gesunden alternativen Ernährungsweisen zu überwinden. Die gewonnenen Erkenntnisse können als Basis für Handlungsempfehlungen zur Förderung langfristig gesunder Lebensgewohnheiten im Schulkontext dienen.
»Eine gesunde Lebensweise ist nicht nur entscheidend für ungestörtes Wachstum, sondern auch für die soziale und kognitive Entwicklung und Optimierung der schulisch-akademischen Leistungen von Kindern und Jugendlichen«, erklärt Prof. Dr. Katharina Wirnitzer. »Ungesunde Lebensweisen entstehen und verfestigen sich oft in Kindheit und Jugend und übertragen sich bis ins Erwachsenen- und Seniorenalter. Entsprechend generiert eine bessere Gesundheit im Kindes- und Jugendalter über Generationen hinweg bessere Gesundheit im Erwachsenenalter und ermöglicht eine Zunahme an gesunden Lebensjahren und Lebensqualität bis ins Seniorenalter.«
Die Ergebnisse der Schulstudie wurden in das aktuelle Positionspapier zu veganer Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)aufgenommen und auch in der aktualisierten Empfehlung für vegane Ernährung der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung berücksichtigt.
Informationen
Schulstudie »From Science 2 School: Nachhaltig gesund - bewegt & veggie« Universitätsstudie: »Nachhaltig gesund - From Science 2 Highschool & University« |
Quellen:
· Wirnitzer KC, Tanous DR, Motevalli M, Göbel G, Wirnitzer G, Drenowatz C, Ruedl G, Cocca A, Kirschner W: Study protocol of »From Science 2 School« - prevalence of sports and physical exercise linked to omnivorous, vegetarian and vegan, diets among Austrian secondary schools. Frontiers in Sports and Active Living, 4, 2022.
www.frontiersin.org/articles/10.3389/fspor.2022.967915/full
· Wirnitzer, K.C.; Drenowatz, C.; Cocca, A.; Tanous, D.R.; Motevalli, M.; Wirnitzer, G.; Schätzer, M.; Ruedl, G.; Kirschner,W.: Health Behaviors of Austrian Secondary Level Pupils at a Glance: First Results of the From Science 2 School Study Focusing on Sports Linked to Mixed, Vegetarian, and Vegan Diets. Int. J. Environ. Res. Public Health 2021, 18(23), 2782. www.mdpi.com/1660-4601/18/23/12782
· Wirnitzer, K.C.; Drenowatz, C.; Cocca, A.; Tanous, D.R.; Motevalli, M.; Wirnitzer, G.; Schätzer, M.; Ruedl, G.; Kirschner, W.: Health behaviors of Austrian Secondary School Teachers and Principals at a Glance: First Results of the From Science 2 School Study Focusing on Sports Linked to Mixed, Vegetarian, and Vegan Diets. Nutrients 2022, 14(5), 1065. www.mdpi.com/2072-6643/14/5/1065
· Bhardwaj J, Schätzer M, Gutmann N, Hoppichler F, Drenowatz D, Cocca A, Tanous DR, Motevalli M, Wirnitzer G, Ruedl G, Kirschner W, Wirnitzer KC: From Science 2 School - Eine Studie zum Ernährungs- und Bewegungsverhalten österreichischer Schüler*innen und Lehrer*innen/Schulleiter*innen. Ernährungs-Umschau 2024; 71(5): 34–44.
www.ernaehrungs-umschau.de/print-artikel/15-05-2024-from-science-2-school
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Neubewertung der Position zu veganer Ernährung
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) empfiehlt grundsätzlich eine Ernährung, die zu einem großen Anteil aus Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft besteht und durch Lebensmittel tierischer Herkunft ergänzt wird. In ihrem aktuellen Positionspapier stuft die DGE eine gut geplante vegane Ernährung als gesundheitsfördernd für Erwachsene ein. In ihren vorherigen Positionspapieren hatte die DGE eine 100 % pflanzliche Ernährung noch nicht empfohlen.

Die Umstellung auf eine vollwertige pflanzliche Ernährung bringt viele Vorteile für Sportlerinnen und Sportler,
aber auch für alle, die Leistung im Beruf und im alltäglichen Leben bringen und gesund werden oder bleiben wollen.
Zu einer vollwertigen veganen Ernährung gehören Früchte, Beeren, Gemüse, Blattgemüse, Kräuter und Wildkräuter, Vollkorn und Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte (Linsen, Erbsen, Bohnen, Soja und Sojaprodukte), Nüsse und Samen - alles möglichst unverarbeitet und am besten aus Bio-Anbau. · Bild: Grinny - Shutterstock.com
Während internationale Ernährungsgesellschaften in den USA, Kanada, Australien, Großbritannien, Portugal oder den skandinavischen Ländern, allen voran die weltweit größte Ernährungsorganisation, die Academy of Nutrition and Dietetics (A.N.D.), längst wissenschaftlich fundiert zu der Feststellung kamen, dass eine gut geplante vegane Ernährung positive Auswirkungen auf die Gesundheit hat und zudem besser für die Umwelt und unseren Planeten ist, stand die Deutsche Gesellschaft für Ernährung in ihren bisherigen Positionspapieren der veganen Ernährung kritisch gegenüber. Die DGE vertrat zuvor die Einschätzung, dass bei einer veganen Ernährung eine ausreichende Versorgung (potenziell) kritischer Nährstoffe ohne Supplementation nicht oder nur schwer möglich ist und hat daher eine vegane Ernährung für Schwangere, Stillende sowie Kinder- und Jugendliche in früheren Positionspapieren noch nicht empfohlen.
Vegane Ernährung gesundheitsfördernd
In ihrem aktuellen Positionspapier zur Neubewertung veganer Ernährung stuft die Deutsche Gesellschaft für Ernährung auf der Grundlage neuer Daten zur Gesundheit vegane Ernährung als gesundheitsfördernd ein:
»Auf Basis des gegenwärtigen Kenntnisstandes kann für die gesunde erwachsene Allgemeinbevölkerung neben anderen Ernährungsweisen auch eine vegane Ernährung, unter der Voraussetzung der Einnahme eines Vitamin-B12-Präparats, einer ausgewogenen, gut geplanten Lebensmittelauswahl sowie einer bedarfsdeckenden Zufuhr der potenziell kritischen Nährstoffe (ggf. auch durch weitere Nährstoffpräparate), eine gesundheitsfördernde Ernährung darstellen.«
Vegane Ernährung: »äußerst umweltfreundlich«
Bei der Neubewertung der Position zur veganen Ernährung wurden von der DGE neben der Gesundheit erstmals auch die Auswirkungen der Ernährung auf die Umwelt und den Planeten berücksichtigt:
»Eine vegane Ernährung ist als äußerst umweltfreundlich anzusehen, sie stellt eine empfehlenswerte Maßnahme zur Verringerung der Umweltbelastungen des Ernährungssystems dar. Unter Berücksichtigung sowohl gesundheits- als auch umweltrelevanter Aspekte ist eine Ernährungsweise mit einer deutlichen Reduktion tierischer Lebensmittel zu empfehlen.«
DGE rät nicht mehr von veganer Ernährung für Schwangere oder Kinder ab
Für Schwangere, Stillende und (Klein-)Kinder spricht die DGE keine Empfehlung für vegane Ernährung aus, rät aber auch nicht von einer veganen Ernährung ab. Sie weist jedoch darauf hin, dass dafür besonders fundierte Ernährungskenntnisse vorhanden sein sollten, und empfiehlt daher eine Ernährungsberatung durch qualifizierte Fachkräfte.
»Fachkräfte aus dem Ernährungs- und Gesundheitsbereich sollten gegenüber Personen, die sich oder ihre Kinder vegan ernähren möchten, eine offene Haltung einnehmen und ihnen die bestmögliche Unterstützung bei der Umsetzung einer ausgewogenen und gut geplanten veganen Ernährung bieten.«
Weiter heißt es: »Auch ein größeres Angebot von gut geplanten veganen Speisen in der Gemeinschaftsverpflegung kann eine gesundheitsfördernde und umweltfreundliche Ernährung unterstützen. Sowohl die individuelle Gesundheit als auch die Umwelt profitieren von einer häufigeren Entscheidung für vegane Mahlzeiten.«
Quelle: Alessa Klug, Janett Barbaresko, Ute Alexy, Tilman Kühn, Anja Kroke, Hermann Lotze-Campen, Ute Nöthlings, Margrit Richter, Christian Schader, Sabrina Schlesinger, Kiran Virmani, Johanna Conrad, Bernhard Watzl für die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: Neubewertung der DGE-Position zu veganer Ernährung. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE), 2024.