Wildtier-Tourismus: Tierleid durch Unkenntnis?
Von Milena C. Lange
Fast 20 Prozent des internationalen Tourismus lassen sich auf Wildtier-Tourismus zurückführen - und diese Branche wächst stetig weiter. Darunter fallen Jagdurlaube, Safaris oder der Besuch von Schutzgebieten, um nur ein paar aufzuzählen. Hierbei dienen die Tiere als Hauptattraktion, um die menschlichen Interessen zu befriedigen. Tiere dienen in der Tourismusbranche als Profitobjekt. Sie werden von Menschen ausgebeutet, manipuliert und zu unnatürlichen Verhaltensweisen gezwungen, um Touristen zu entertainen und ein schönes Urlaubserlebnis zu verschaffen. [1,2] So werden in vielen Ländern Asiens Elefanten als Attraktionen genutzt. Es wird das Bild vermittelt, dass es vollkommen natürlich sei, auf Elefanten zu reiten. Die Tiere werden angekettet und mit Elefantenhaken gehorsam gemacht. Anderswo kann man mit Orang-Utans oder anderen Primaten für Selfies posieren. Vielen Touristen scheint nicht bewusst zu sein, dass ihr Urlaubsvergnügen oder das Foto für Social Media oft mit großem Leid für die Tiere verbunden ist.
Wildtier-Tourismus dies beeinflusst das Leben der Tiere direkt als auch indirekt. Direkte Auswirkungen sind beispielsweise Veränderungen ihres natürlichen Verhaltens oder ein reduzierter Fortpflanzungserfolg aufgrund von Stressfaktoren, denen die Nachkommen ausgesetzt sind. Indirekte Auswirkungen umfasst die Weitergabe von Krankheitserregern. [4]
Exotische Tiere begeistern Urlauberinnen und Urlauber in Afrika oder Asien. Vielen ist nicht bewusst, dass die Tiere leiden:
Elefanten werden angekettet, eingesperrt und mit Elefantenhaken gefügig gemacht. Bei dem Elefantenhaken handelt es sich um eine Lanze mit spitzen Metallhaken, mit dem die Tiere in ihre empfindlichsten Stellen gestochen und geschlagen werden. · Bild: WorldStockStudio - Shutterstock.com
Elefanten: angekettet und für touristische Attraktionen trainiert
Nehmen wir die Schutzgebiete für Elefanten in Thailand als Beispiel. In Thailand gelten Elefanten als nationales Symbol und sind fest in der nationalen Geschichte verankert. Dennoch gibt es viele Elefanten-Camps, welche unethische Mensch-Elefant-Interaktionen anbieten. Es wird das Bild vermittelt, dass es vollkommen natürlich sei, mit dem Elefanten zu baden oder auf ihm zu reiten. Naher einseitiger gewollter Körperkontakt zwischen Mensch und Tier wird normalisiert. [7]
Obwohl Elefanten das nationale Symbol sind, werden sie als Attraktionen genutzt und nicht selten angekettet. Sie werden gezielt trainiert, um den Vorstellungen der Wildtier-Tourismusbranche zu genügen. [3]
Der Einfluss der sozialen Medien
Die sozialen Medien haben einen großen und wachsenden Einfluss auf die Menschheit und so auch auf den Wildtier-Tourismus. Das ist nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass rund 50 % der Weltbevölkerung mindestens ein Profil in den sozialen Medien besitzen. So spielen die soziale Medien eine wichtige Rolle bei der Gestaltung und der Verbreitung des öffentlichen Denkens über Tiere im Tourismus. Dies bringt positive als auch negative Folgen mit sich. [1]
Eine negative Folge ist, dass Touristen das Bild vermittelt bekommen, die abgebildeten Tiere seien zutraulich und süß. Dadurch steigt das Verlangen, den Tieren näherzukommen, sie zu berühren oder gar mit ihnen zu interagieren. Zudem steigt der Wunsch, selbst solche Orte zu besuchen, um das Erlebnis ebenfalls in den sozialen Medien zu teilen. [3]
In einer aktuellen Studie wurden Bilder untersucht, welche auf Instagram mit dem Hashtag #elephantsanctuaryphuket (Elefant Schutzstation Phuket, Thailand) veröffentlicht wurden. Rund 83% der untersuchten Bilder enthielten Mensch-Elefant-Interaktionen, welche unethisch sind, aufgrund von zu nahem Körperkontakt zum Tier. [5] Stand Mai 2025 gibt es unter diesem Hashtag über 5000 hochgeladene Bilder - und die meisten zeigen unethische Interaktionen zwischen Mensch und Elefant.
Die sozialen Medien zur Aufklärung nutzen
Um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, muss dieses verbreitet werden. Dies kann durch die sozialen Medien erreicht werden. So bieten diese eine globale Plattform, um über Tierrechte und das Wohlergehen von Tieren aufzuklären und ein größeres Bewusstsein dafür zu schaffen, was in der Tier-Mensch Interaktion zu Einschränkungen des Tierwohls führt. [5]
Durch das Internet können eine Vielzahl von Menschen erreicht werden, um gemeinsam Petitionen zu starten und die Augen für tierrechtwidrige Dinge zu öffnen.
Aber Tier-Schutzstationen brauchen Geld
Die meisten Tierschutzstationen sind angewiesen auf Spendengelder, Freiwilligenarbeit aber auch Geldern von Touristen, um die anfallenden Kosten zu decken. Ist es in diesem Fall nicht verständlich, dass die Schutzgebiete solche Attraktionen an Touristen vermarkten? Sonst wäre es schier unmöglich, eine solche Anzahl an Tieren zu retten und zu ernähren. Aber ginge es auch anders?
Während der Corona-Zeit fielen zum Beispiel in den Elefanten-Schutzstationen in ganz Thailand durch die weitreichenden Einschränkungen die Touristen weg. Schnell wurde dort von der Save Elephant Foundation das Elephant Food Bank Program ins Leben gerufen, mit welchem hunderte von Elefanten in Thailand mit dem nötigen Essen für zwei bis drei Jahre versorgt werden konnten - obwohl die Touristen als Einnahmequelle weggefallen sind. [7,8]
Sollte es nicht möglich sein, die Touristen mit ethisch korrekten Tier-Interaktionen zu locken und Programme zu planen, welche die Kosten von Schutzstationen ohne decken können, ohne die Tiere auszubeuten? Oder ist es einfach nur die Bequemlichkeit, die das Tierleid nicht beendet?
Eine Möglichkeit sind Tierfotoreisen: Hier geht es nicht nur darum, Tiere abzubilden, sondern vielmehr darum, sie in ihrem natürlichen Lebensraum und mit ihrem natürlichen Verhalten zu erleben. In der Wildnis ist es natürlich nicht so einfach, ein Foto von einem Wildtier zu ergattern wie in Gefangenschaft - und schon gar kein Selfie. Tierfotografie ist eine Kunst, die Geduld, Ausdauer und ein tiefes Verständnis für die Tierwelt erfordert.
Angst, Unterwerfung und Schrecken: Mangelndes Bewusstsein für das Leid der Tiere
Unter dem Hashtag #ape auf Instagram (Stand Mai 2025) sind ebenfalls viele Bilder veröffentlich worden, die tierschutzwidrige Interaktionen zwischen Mensch und Affe abbilden. So werden dort Massen an Bildern und Videos mit dem Orang-Utan Nhong veröffentlicht. Die Tierrechtsorganisation PETA hatte sich bereits im Jahr 2016 gegen diese touristische Nutzung von Orang-Utans ausgesprochen und bezeichnete das Lächeln als kein glückliches, sondern als eine Grimasse der Angst, der Unterwerfung und des Schreckens. [6]
Das tierschutzwidrige Verhalten von Touristen liegt oftmals an Unkenntnis und dem mangelnden Bewusstsein dafür, dass diese Tiere zu solchen Aktionen gezwungen werden und darunter leiden. All dies gehört nicht zu ihren natürlichen Verhalten.
Für den Tourismus werden sogar streng geschützte und bedrohte Menschenaffen wie Schimpansen und Bonobos brutal ihren Familien und ihrem natürlichen Lebensraum entrissen.
Viele Tierbabys landen auf diese Weise illegal bei Privatpersonen oder in Privatzoos, wo Interessenten beispielsweise Fotoshootings mit den Tierbabys buchen können. Diese Tiere sind oft nur als Babys ein Kassenmagnet und ausgewachsen zu gefährlich, um den Urlaubern eine direkte Interaktion mit den Tieren zu ermöglichen. Sind die Tiere zu gefährlich für den direkten Kontakt, werden viele von ihnen den Rest ihres Lebens in winzige Käfige gesperrt. · Bild: Gustavo MS_Photography - Shutterstock.com
Immer neue wissenschaftliche Studien stellen die erstaunlichen kognitiven Fähigkeiten, die soziale Intelligenz und die ausgefeilte Kommunikation von Affen und anderen Wildtieren unter Beweis.
Was tun wir diesen Tieren an, wenn wir sie ihren Familien entreißen, sie einsperren, anketten, mit Schmerzen zum Gehorsam zwingen und für Touristen herumreichen? · Bild: Bubbers BB - Shutterstock.com
Ethische Ansätze für touristische Tier-Mensch Interaktionen
Welche Ansätze können in Zukunft verfolgt werden, um den Wildtier-Tourismus ethischer und tierfreundlicher zu gestalten?
An erster Stelle gilt es, die Touristen aufzuklären. Über die Tierrechte, über das Wohlergehen von Tieren, über die richtigen Umgangsformen mit (Wild-)Tieren. Es gilt ein allgemeines Bewusstsein zu schaffen, dass Tiere nicht als Profitquelle oder aus Entertainmentgründen genutzt werden dürfen. Es muss über die negativen Folgen eines solchen Tourismus für Natur und Tier informiert werden. Die Menschen müssen aktiv aufgeklärt und eingebunden werden, wenn es um das Wohlbefinden von Wildtieren geht. Wichtig ist, ein gesundes Gleichgewicht in Sachen Wildtier-Tourismus zu finden - für Mensch und Tier! [5]
In einigen Schutzstationen für Wildtiere wird bereits von ethischer Mensch-Tier-Interaktion geschrieben, wie beispielweise beim Elephant Naturepark im Norden von Thailand. Dort werden die Angebote mit Worten wie »Anblick der großen Herde, die anmutig den Fluss hinunterläuft«, »Beobachtung der Elefanten beim Baden im Fluss«, »unser spezielles ‚Hands Off‘-Projekt (Finger weg von Wildtieren)« und »ein Konzept, bei dem keine Elefanten angebunden oder geritten werden« beschrieben. [8]
Obwohl sich bereits einiges in Richtung ethischer Wildtier-Tourismus verändert hat, ist es noch ein langer Weg bis zur Freiheit für Tiere.
Was Sie tun können
· Machen Sie keine Fotos mit Wildtieren in Gefangenschaft.
· Machen Sie keine Fotos mit Wildtieren, die als »Fotomodell« angeboten werden.
· Machen Sie keine Fotos mit Wildtieren, die mithilfe von Futter angelockt wurden.
· Halten Sie Abstand zu Wildtieren, um die Tiere nicht zu stressen und sich selbst zu schützen.
· Liken und teilen Sie in Social Media keine Posts, in denen Ihre Freunde oder Prominente für Selfies mit Wildtieren posieren.
· Beobachten und fotografieren Sie Wildtiere lieber in freier Natur mit gebührendem Abstand und tragen Sie so zum Schutz der Tiere bei. [9]
Quellen
[1] Mucha Mkono, Karen Hughes: A state-of-the-art-review of animals in tourism: key debates and future directions. Tourism Geographies, 1–13, 2024. https://doi.org/10.1080/14616688.2024.2342462
[2] Fennell, D. A.: Tourism and Animal Rights. Tourism Recreation Research, 37(2), 157–166, 2012.
https://doi.org/10.1080/02508281.2012.11081700
[3] A. Amalina and I. Rahyadi: A Cost for Instagram Post: An Ethical Elephant Tourism Analysis«. 19th International Conference on Ubiquitous Information Management and Communication (IMCOM), Bangkok, Thailand, 2025, pp. 1-5. https://ieeexplore.ieee.org/document/10857546
[4] Robert A. Davis et al.: Liked to death: the impacts of social media and photography on biodiversity. Science of The Total Environment, Volume 949, 2024. https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2024.175106
[5] Fakfare, P. et al: Investigating the Formation of Ethical Animal-Related Tourism Behaviors: A Self-Interest and Pro-Social Theoretic Approach. Journal of Hospitality & Tourism Research, 49(3), 581-599. https://doi.org/10.1177/10963480241229237
[6] Video: Orangutan Dressed Up, Ridiculed, Forced to Take Selfies With Tourists. PETA, 2016. peta.org/blog/video-orangutan-dressed-ridiculed-forced-take-selfies-tourists/
[7] www.saveelephant.org/covid-19-a-jumbo-crisis/
[8] www.elephantnaturepark.org/enp/faq-s
[9] www.prowildlife.de/aktuelles/hintergrund/selfies-mit-wildtieren/
