Wildtiertourismus als Chance für Mensch und Tier
Das Phänomen wildlife experience lockt Touristen weltweit: Auch wenn die Tierwelt nicht der einzige Grund für die Auswahl eines Reiseziels ist, so ist die Wildtierbeobachtung oft Teil touristischer Attraktionen. In Kenia ist sanfter Wildtiertourismus sogar das Rückgrat der nationalen Wirtschaft: Um Wildtiere hautnah zu erleben, zahlen Touristen sogar bis zu 700 Dollar für eine Übernachtung im Zelt. Jagdtourismus dagegen ist in Kenia seit 1977 verboten. Auch Botswana hat Anfang 2014 die Trophäenjagd verboten - stattdessen setzt die Regierung auf ökologischen Wildtiertourismus. Die Tourismusbranche hat längst erkannt, dass Wildtiere viel Geld einbringen können - und dass die Tiere lebendig mehr wert sind als tot. Oft wird behauptet, Tier- und Artenschutz sei zu kostspielig und gerade Länder in Afrika seien auf die Einnahmen durch Jagdtouristen angewiesen. Dabei wird die andere Seite der Medaille vergessen: Der Schutz von Tier und Natur führt auch zu hohen Umsätzen, ist ein Milliardengeschäft und kann gerade in ökonomisch schwachen Ländern wie etwa Kenia oder Botswana viel zur Verbesserung der Wirtschaftslage beitragen.
So verzeichnete der Krüger-Nationalpark in Südafrika selbst während der letzten großen Finanzkrise von 2008/2009, als bei Fernreisen gespart wurde und die Umsätze im Tourismus weltweit um fast 10 Prozent zurückgingen, einen Besucher-Rekord und ein Umsatz-Plus von fast 5 Prozent! Eine Studie ging der Frage nach, warum so viele Gäste den Park besuchten, obwohl sie angaben, dass auch bei Ihnen das Geld knapp war und sie sparen mussten: Für die meisten Befragten war einer der wichtigsten Gründe die wildlife experience . Dass man im Krüger-Nationalpark und in anderen Parks und Reservaten die Big Five - Nashörner, Löwen, Büffel, Elefanten, Leoparden - und andere Tiere in freier Wildbahn erleben kann, zieht Besucher an und ist eine wichtige Einnahmequelle. Und das gilt nicht nur für die südafrikanische Provinz Mpumalanga, der Heimat des Krüger-Nationalparks, oder Länder wie Kenia oder Botswana, die ebenfalls beliebte Ziele von Safari-Reisenden sind.
Doch noch immer verschwinden gerade in Afrika immer mehr Wildtiere durch Jäger und Wilderer. In Südafrika sind es über wiegend Nashörner, die getötet werden, im östlichen Afrika müssen jedes Jahr zehntausende Elefanten ihr Leben lassen.
Was sich noch nicht genügend herumgesprochen zu haben scheint, ist: Die Tiere sind lebendig viel mehr wert - das haben unterschiedliche Studien schon in den 1980er und 1990er Jahren gezeigt.
Der Wert des lebenden Tieres
Während seiner Lebenszeit kann ein einziger afrikanischer Elefant Einnahmen von bis zu 1 Millionen Dollar generieren. Zum Abschuss freigegeben bringt ein Elefant einmalig höchstens eine Jagdgebühr von 4.000 bis zu 32.000 Dollar ein. Fällt er Wilderern zum Opfer, bringt er wesentlich weniger ein.
Ähnliches gilt für fast alle Wildtiere: Eine Studie zeigt, dass ein Löwe als touristische Ressource über eine halbe Million Dollar erwirtschaftet , während er der Regierung als (legales) Jagdobjekt weniger als 10.000 Dollar Gebühren einbringt. Ein Wilderer bekommt für die Haut nur etwa 1.000 Dollar, für das Skelett bis zu 10.000 Dollar (Stichwort Löwenwein ).
Indonesien hat im Frühjahr 2014 das weltweit größte Schutz gebiet für Mantarochen ausgewiesen. Mantarochen kommen in tropischen und subtropischen Meeren in Küstennähe bis zu einer Tiefe von 150 Metern vor und stehen seit 2006 auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Die Riesenfische können fünf bis neun Meter lang und drei Tonnen schwer werden.
Laut Regierungsschätzungen kann ein Mantarochen im Laufe seines Lebens einen Wert von 1 Millionen US-Dollar erzielen, wenn Touristen die sanften Riesen in ihrer natürlichen Umgebung sehen wollen. Dagegen ist ein toter Mantarochen nur zwischen 40 bis 500 Dollar wert. Diese Zahlen zeigen ganz deutlich, wie viel mehr Wert der Schutz der Tiere hat als ihre Tötung.
Lebende Elefanten sind mehr wert als tote
Die Wilderei bringt die Elefanten an den Rand des Aussterbens. Vor 35 Jahren gab es noch etwa 1,3 Millionen Elefanten in freier Wildbahn in Afrika. Heute wird die Zahl der Elefanten in Afrika auf vielleicht 500.000 geschätzt. Wilderer töten bis zu 30.000 Elefanten pro Jahr - wegen des Elfenbeins, das hauptsächlich an Abnehmer in China verkauft wird. Es wird befürchtet, dass afrikanische Elefanten ohne neue Schutzmaßnahmen in weniger als 20 Jahren ausgerottet sein könnten.
Aktuell entstehen in vielen Ländern neue Bündnisse zwischen den Umweltministern und den Ministern für Tourismus, um die Wildtiere zu schützen und den Bedrohungen der Tierwelt durch Trophäenjagd, Wilderei und Elfenbeinhandel entgegenzuwirken.
So trafen sich Anfang Dezember 2013 hochrangige Regierungsvertreter vieler afrikanischer Staaten mit Elefantenpopulationen zum dreitägigen Elefantengipfel in Gaborone, der Hauptstadt von Botswana. In einer Abschlusserklärung nennen die afrikanischen Staaten 14 Sofortmaßnahmen, die in allen Ländern umgesetzt werden sollen: Wilderei wurde zu einem schweren Verbrechen erklärt und soll durch engere Zusammenarbeit der verschiedenen Polizei- und innerstaatlichen Behörden streng überwacht werden. Verschärft werden sollen die Strafen für Wilderei und ihre tatsächliche Verhängung durch die Gerichte. Die Polizeikräfte und Ranger in den Wildnisgebieten sollen personell und technisch gestärkt werden. Die Menschen in den umliegenden Dörfern werden in die Überwachung einbezogen, dafür sollen sie an den Einnahmen des Tourismus mehr beteiligt werden.
Schon Bernhard Grzimek, dessen Kino-Dokumentation Serengeti darf nicht sterben von 1959 sogar einen Oskar gewann, hat immer betont, dass Naturschutz nur dann funktioniert, wenn die Menschen vor Ort davon profitieren.
Der Kampf gegen die Wilderei und Schutzmaßnahmen für Elefanten erfolgen nicht nur aus Tierliebe: Lebende Elefanten sind viel Geld wert. Botswana, Südafrika, Tansania und Kenia verdienen mit Wildtier-Tourismus Milliarden. Ist die Tierwelt in Gefahr, dann sind es auch die Tourismus-Einnahmen. Außerdem meiden Touristen Gegenden, wo Wilderer ihr Un wesen treiben. Die Tiere sind hier viel scheuer und flüchten auch vor Foto-Touristen.
und gemeinsames Erbe der Menschheit
Die Serengeti ist eine baumarme Savanne, die sich auf einer Fläche von etwa 30.000 Quadratkilometern vom Norden Tansanias bis in den Süden Kenias erstreckt. Die Wanderung der Tiere in der Serengeti ist die größte und vielfältigste Säugetierwanderung der Welt: Jedes Jahr ziehen 1,3 Millionen Gnus, 600.000 Zebras und Gazellen durch die Savanne und legen dabei bis zu 3.200 Kilometer zurück. Der Serengeti-Nationalpark in Tansania wird von der UNESCO als Weltnaturerbe und gemeinsames Erbe der Menschheit aufgeführt. Jedes Jahr besuchen über 90.000 Touristen die Serengeti.
Doch die Tierwelt in der Serengeti ist durch Wilderei bedroht: In den 1970er Jahren wurden die Elefanten im Nationalparks so sehr dezimiert, dass nur noch einige hundert Tiere übrig blieben. Auch der Nashornbestand wurde durch Wilderei innerhalb von 20 Jahren nahezu völlig vernichtet.
Hinzu kommen die Jagdtouristen aus den USA und Europa. Während Kenia im Jahr 1977 die Großwildjagd verboten hat, gilt das Nachbarland Tansania unter Liebhabern von Elefanten- und Löwentrophäen als Eldorado. Jagdreise-Veranstalter werben mit Großwildjagd in der Serengeti, dem Juwel Afrikas .
zweitgrößtes Naturschutzgebiet der Welt
Um den Reichtum Afrikas zu schützen, wurde im März 2012 der grenzüberschreitende KaZa-Park (Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area) eröffnet. Dieses Natur- und Landschaftsschutzgebiet, das auf den Territorien der Länder Angola, Botswana, Namibia, Sambia sowie Simbabwe liegt, vereint etliche bereits bestehender Nationalparks und Wildreservate in diesen Ländern. Mit einer Fläche von 444.000 Quadratmeter ist es nach dem Nordost-Grönland-Nationalpark das zweitgrößte Schutzgebiet der Erde. Hier sollen die Wildtiere in ihrem natürlichen Lebensraum leben können.
Lebensraum bedrohter Tiere
Botswana ist ein wichtiges Mitgliedsland des grenzüberschreitenden KaZa-Parks. Die Naturschutzgebiete in Botswana zählen zu den artenreichsten der Erde: Elefanten, Nashörner, Büffel, Giraffen, Antilopen, Zebras, Löwen, Leoparden, Geparden, Wildhunde und viele andere Tiere Afrikas sind hier beheimatet.
Botswana grenzt an Südafrika und Namibia. Es ist etwa so groß wie Frankreich, doch leben in diesem extrem dünn besiedelten Land gerade mal zwei Millionen Menschen.
Die Regierung setzt auf ökologischen Wildtiertourismus: Der Foto-Tourismus macht schon jetzt 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Wildtiere hautnah erleben zu können, lockt Urlauber aus der ganzen Welt. Auf exklusiven Safari-Touren können Urlauber Elefanten, Löwen, Leoparden, Flusspferde, Gnu-, Büffel- und Zebra-Herden, Giraffen, Krokodile sowie viele Vogelarten beobachten.
Die Kalahari, eine von breiten Trockenflusstälern durchzogene Halbwüste, prägt das Land. Mitten in diese Wüste mündet ein breiter Fluss: der Okavango. Er entspringt im Hochland Angolas und spült, nachdem er 1.700 Kilometer zurückgelegt hat, riesige Wassermassen in das Kalahari-Becken. Das Okavango-Delta, eines der größten Feuchtgebiete der Welt mit einer einzigartigen Natur- und Tierwelt, gehört zu den tierreichsten Regionen in Afrika. Je nach Jahreszeit und Wasserstand finden sich hier riesige Tierherden vieler im südlichen Afrika vorkommenden Arten ein.
Wildtiere und ihre Lebensräume schützen
Wildtiere und ihre Lebensräume zu schützen und Menschen für die Einzigartigkeit der Natur zu begeistern, ist das Ziel von Tierschutz- und Umweltorganisation. Die gemeinnützige Natur- und Artenschutzstiftung SAVE engagiert sich besonders in Botswana. Jagdtourismus und Trophäenjagd sind hier seit Anfang 2014 per Gesetz verboten. Doch die Wilderei ist nach wie vor ein Problem: Immer noch werden die Big Five gejagt. Auch viele andere bedrohte Wildtiere wie Zebras oder Giraffen sind in Botswana beheimatet - und werden trotz des neuen Verbots gejagt.
Das Engagement des SAVE Wildlife Conservation Fund gilt insbesondere der Umwelterziehung und der Sensibilisierung für den Naturschutz. Gemeinsam mit Kooperationspartnern klärt die Stiftung die einheimische Bevölkerung über den Zweck und Nutzen des länderübergreifenden Kavango-Zambezi-Nationalparks auf. Ziel ist, dass die Menschen in der gesamten Region die Natur und die lebenden Tiere als wertvolle Ressource begreifen, die ihnen Arbeitsplätze und ein ertragreiches Einkommen sichern können. Doch dafür ist es wichtig, dass die Profiteure nicht länger nur westliche Tourismusonzerne, Hotelketten oder korrupte Beamte vor Ort sind, sondern vor allem auch die einheimische Bevölkerung profitiert.
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Quellen:
Wildtiertourismus als Chance für Mensch und Tier: Warum Artenschutz eine Win-Win-Angelegenheit ist.
www.save-wildlife.com
Wildtiertourismus: Artenschutz sichert Milliardenumsätze. Von Dr. Bradnee Chambers, Leiter des Sekretariat dess Übereinkommens zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten (UNEP/CMS) der Vereinten Nationen.
www.wdr5.de/sendungen/leonardo/elefantenwilderei100.html
Does Wildlife Tourism have a Future? An r:travel* exclusive - The magazine for the responsible tourist . Published for the Responsible Tourism Awards 10/11/2010