Eine Hölle für Schweine
Jahr für Jahr werden in Österreich über 5.000.000 Schweine geschlachtet - eine große Zahl, wenn man bedenkt, dass in der Alpenrepublik nur 8.000.000 Einwohner leben. Unter welchen Bedingungen diese Schweine leben müssen, bis sie im Alter von etwa 6 Monaten in den Schlachthof kommen, ist den meisten Konsumenten nicht bewusst.
Im Frühjahr 2008 gelangten schockierende Aufnahmen an die Öffentlichkeit: Recherchematerial aus einem niederösterreichischen Schweinemast-Betrieb, das dem Tierrechtsverein RespekTiere und zwei weiteren österreichischen Tierrechtsvereinen zugespielt worden war. Fotos und ein Video zeigen Schweine, die auf engstem Raum zusammengepfercht sind. Später stellte sich heraus, dass der Stall überbelegt war. Einige Tiere lagen tot im Stall. Es waren sterbende Ferkel zu sehen, welche von ihren Leidensgenossen bei lebendigem Leibe aufgegessen wurden. Dieser so genannte Kannibalismus entsteht bei Schweinen durch Gefangenschaft, Dunkelheit, Gestank, Platznot und Stress sowie nicht vorhandenen Beschäftigungsmöglichkeiten (z.B. fehlendes Stroh zum Wühlen). In einem anderen Stall vegetierten mehrere erwachsene Schweine in erbärmlichstem Zustand, mit riesigen Wunden an Körpern und Beinen. Der Besitzer des Schweinemastbetriebs, der Veterinär Mag. Entenfellner, gab später als Begründung an, es handele sich um einen Stall für kranke Tiere.
Der Schweinemastbetrieb Entenfellner belieferte REWE Österreich, wo das Fleisch unter dem Gütesiegel Bauernhof-Garantie verkauft wurden. RespekTiere konfrontierte die Qualitätssicherung von REWE mit der Dokumentation über die unhaltbaren Zustände in der Schweinemast. Mit Erfolg: Am 9. und 10. Mai 2008 meldete die Presse: Massive Missstände: REWE GROUP Austria streicht Schweinemäster von der Lieferantenliste.
Doch wie ist ein solcher Skandal überhaupt möglich? Immerhin besitzt Österreich seit 2005 ein gefeiertes Tierschutzgesetz - es gilt sogar als modernstes Tierschutzgesetz der Europäischen Union. Das Gesetz schützt das Leben des Tieres ( 1) und verbietet Tötung ohne vernünftigen Grund. Erstmals gibt es ein bundesweites Verbot von Legebatterien und Anbindehaltung. Eingerichtet wurde eine Tieranwaltschaft: Der Tierombudsmann ist mit Parteienstellung ausgestattet und kann so die Rechte der Tiere -gleich einem Anwalt- vertreten. Überdies kommt dem Tierschutz in Österreich seit 4 Jahren Verfassungsrang zu.
Der Besitzer der Farm, ein Tierarzt, war schon in Medikamenten-Skandal verwickelt
Der Besitzer der Schweinemastanlage, Mag. Entenfellner, ist für die österreichischen Tierschützer kein Unbekannter. Neben seinem Schweinemastbetrieb betreibt er eine Tierarztpraxis und betreut Schweinefarmen. Vor einigen Jahren war er im Zuge des Medikamentenskandals in das Visier von Justitia und der Presse geraten, als in von ihm betreuten Schweinefarmen große Mengen von illegalen Medikamenten entdeckt wurden.
Mag. Entenfellner hält übrigens in ganz Österreich und auch in Deutschland Vorträge über Schweinehaltung. Gleichzeitig spielen sich in seinen eigenen Ställen unsägliche Szenen ab, wenn Schweine in Dunkelställen sich gegenseitig auffressen und sich mit faustgroßen Geschwüren über Spaltenböden schleppen.
Tierschützer besetzen den Ort des Grauens, bis Polizei und Amtsveterinär kommen
Die Tierschützer von RespekTiere waren überzeugt, dass Anzeigen alleine nichts nützen würden - denn Anzeigen hatte es in den letzten Jahren schon viele gegeben. So demonstrierten sie spontan vor dem Schweinemastbetrieb mit der festen Absicht, den Ort des Schreckens erst dann wieder zu verlassen, wenn Polizei und Amtstierarzt eintreffen würden.
Die Polizei war sehr schnell vor Ort, bis der Amtstierarzt erschien, dauerte es jedoch fast drei Stunden! Zeit genug für die vielen Mitarbeiter, die Ställe auf Vordermann zu bringen. So berichtete ein Zeitungs-Reporter, der einen kurzen Blick in die Stallungen wagen durfte, dass Arbeiter mit Strohsäcken durch die Gänge der Buchten zogen. - Stroh? Eine solche Unterlage hatten diese Tiere höchstwahrscheinlich noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen!
Dramatische Zustände - weil der Schweinefleisch-Preis im Keller ist?
Die amtstierärztliche Untersuchung soll Folgendes ergeben haben: Zwei Schweine mussten notgeschlachtet werden; bei einem Tier konnte ein angebissener Schweif entdeckt werden. Die erhöhte Anzahl von Tieren in den Buchten war als eine vorübergehende Maßnahme zu betrachten gewesen, weil der Schweinefleischpreis zur Zeit der Untersuchung im Keller lag. So sei dieser Tatbestand als eine wirtschaftliche Notmaßnahme anzusehen. >>>
Dennoch waren die Zustände so dramatisch, dass hier all die Beziehungen von Schweinemäster Entenfellner offenbar nichts nutzten: Zwischen 200 und 300 Schweine wurden in den folgenden Tagen abtransportiert. Mehrere hundert Schweine, welchen laut Gesetz sowieso nur ein Minimalangebot an Platz zur Verfügung zu stellen ist, waren also zu viel in der Anlage!
Die Frage nach der Gerechtigkeit
Vier Tierschützer wurden zu je 70,- Euro Verwaltungsstrafe wegen nicht angemeldeter Kundgebung verurteilt. Diese Kundgebung hatte am 24.4.08 vor der Schweinemastfabrik Entenfellner stattgefunden, nachdem dieselben Tierschützer das schockierende Foto- und Videomaterial aus selbiger Tierfabrik erhalten hatten. Das Dokumentations-Material wurde zeitgleich den zuständigen Behörden, der Tierärztekammer sowie der Volksanwaltschaft übergeben. Doch verurteilt wurde Schweinemäster Entenfellner bislang nicht.
Sieg für die Tiere
Die Tierschützer setzten alle Hebel in Bewegung: Nach Interviews in Radio und Fernsehen und etlichen Zeitungsberichten brach eine Welle der Empörung los: Tierfreunde schickten landesweit hunderte Briefe und E-Mails an Behörden, Bezirkshauptmannschaften, Tierärztekammer; Medien wurden mit entrüsteten Zeilen überschüttet - mit Erfolg! Die REWE-Group (Billa, Merkur und Penny) gab über Presseagentur bekannt, dass sie das Schweinefleisch der Entenfellner-Betriebe ab sofort nicht mehr verkaufen wird.
REWE Austria streicht Schweinemäster Entenfellner von der Lieferantenliste
Hier der originale Wortlaut der REWE-Pressemeldung:
Im Betrieb des Landwirten Entenfellner gab es Missstände, die mit den Grundsätzen der REWE Group Austria nicht vereinbar sind. Daher bezieht REWE Group Austria ab sofort kein Fleisch von diesem Betrieb mehr.
Nachdem an REWE Group Austria Hinweise über Missstände beim Schweinefleisch-Lieferanten Entenfellner herangetragen worden waren, leitete das Unternehmen unverzüglich Untersuchungen ein und nahm mit den zuständigen Behörden sowie dem Betrieb Kontakt auf. ... Zwar wurde laut einer Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten nach der Begehung des Amtstierarztes am 24. April vom Betrieb Entenfellner zugesagt, dass die Überbelegung der Ställe behoben wird.
Jedoch sind wir nach gründlicher Untersuchung zu dem Schluss gekommen, dass es im Betrieb Entenfellner Missstände im Bereich des Tierschutzes gab, die mit der Philosophie von REWE Group Austria nicht vereinbar sind. Daher übernehmen wir ab sofort kein Fleisch mehr von diesem Betrieb, auch wenn jetzt ein gesetzesmäßiger Zustand hergestellt sein mag. Denn die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen ist bei REWE Group Austria Mindestvoraussetzung für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Lieferanten , so Mag. Corinna Tinkler, Pressesprecherin und Leiterin Unternehmenskommunikation REWE Group Austria.
Quelle: AHO Redaktion Großtiere, 9. Mai 2008