Die Natur braucht keine Jäger
Die Natur braucht keine Jäger
Von Julia Brunke, Redaktion FREIHEIT FÜR TIERE |
Warum jagen Jäger wirklich?
Von Julia Brunke, Redaktion FREIHEIT FÜR TIERE |
Sonderausgabe: Fakten gegen die Jagd
Sonderausgabe: Fakten gegen die Jagd
Artikelnummer: | 521 |
Die Natur braucht keine Jäger: Fakten gegen die Jagd - Warum jagen Jäger wirklich? Die Frage »Warum jagen wir?« beantwortet eine Jagdredakteurin wie folgt: »Einige beschreiben die Jagd als Kick, andere sprechen von großer innerer Zufriedenheit. Die Gefühle bei der Jagd sind ebenso subjektiv wie in der Liebe. Warum genießen wir sie nicht einfach, ohne sie ständig rechtfertigen zu wollen?« Rationale Gründe, mit denen Jäger rechtfertigen, dass die Jagd notwendig sei, sind offenbar nur Ausreden. Jedenfalls schreibt die Jägerin: »Der Tod, der mit dem Beutemachen verbunden ist, ist verpönt. Deswegen suchen die Jäger Begründungen in Begriffen wie Nachhaltigkeit, Hege und Naturschutz.«
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Inhalt
- Die Wahrheit über die Jagd
- Jagd ist ein Hobby - und hat immer noch eine starke Lobby
- Dürfen über 70-Jährige mit tödlichen Schusswaffen unterwegs sein?
- Den Jagdschein gibt es auch im Schnellkurs
- Hobbyjäger bringen jedes Jahr über 5 Millionen Wildtiere ums Leben
- Hinter diesen Zahlen steht millionenfaches Tierleid
- Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz: Bei Treib- und Drückjagden sind bis zu 70 Prozent der Wildtiere nicht sofort tot
- Schrotschüsse: Unzählige angeschossene Tiere
- Tierquälerei durch Fallenjagd
- Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz: Bei Treib- und Drückjagden sind bis zu 70 Prozent der Wildtiere nicht sofort tot
- Schrotschüsse: Unzählige angeschossene Tiere
- Tierquälerei durch Fallenjagd
- Jagd: »Artenfeind Nr. 2«
- »Aber die Jäger hegen doch die Tiere...«
- »Jäger regulieren die Zahl der Tiere«
- Ist Jagd ökologisch?
- Wissenschaftliche Studien: Auswirkung der Jagd auf Wildtiere - Jagd stört das Ökosystem
- Jagd reguliert nicht: Je mehr Wildschweine geschossen werden, umso mehr vermehren sie sich
- Studie: Jagd führt zur unkontrollierten Vermehrung von Wildschweinen
- Wildschweinschwemme "hausgemacht"
- Kirrung produziert Wildschweine
- Schützt Jagd vor Tollwut und Fuchsbandwurm?
- Was sind die wahren Gründe für die Jagd auf Füchse?
- In unserem Nachbarland Luxemburg ist die Fuchsjagd seit 2015 verboten
- Jägerprognosen widerlegt: Weder Massenvermehrung noch Wildseuchen
- Schützen Jäger den Wald vor Rehen und Hirschen?
- Jagd provoziert Wildschäden
- Jäger halten Rehbestand auf hohem Niveau
- Aufschlussreiche Studien: Waldverjüngung durch Hirsche
- Prof. Josef H. Reichholf zur aktuellen Debatte über den Waldumbau: »Mehr Rehe zu schießen rettet weder Wald noch Klima«
- Durch die Jagd sind Vögel in der freien Natur ständig auf der Flucht vor Menschen
- Deutschland: Gefährliches Land für Zugvögel
- Bleimunition tötet streng geschützte Greifvögel - 135 Millionen Vögel in Europa von Bleivergiftung bedroht
- Jagd zum Vergnügen
- Wissenschaftler: Ohne Jagd finden Natur und Tiere ins Gleichgewicht
- Jagdfreie Gebiete beweisen: Tierbestände nehmen nicht überhand
- »Nationalpark-Effekt«: Ohne Jagd wären frei lebende Tiere für Menschen erlebbar
- »Jagd reguliert nicht«
- Ohne Jagd könnten sich bedrohte Arten wieder erholen
- »Die Jagd ist überflüssig. Wenn man sie einstellt, regulieren sich die Bestände von allein«
· Ein Jäger steigt aus: »Töten als Freizeitvergnügen ist ethisch nicht vertretbar«
·Interview mit Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer: Vom Jäger zum Tierschützer
·Natur ohne Jagd: Jagdverbot im Kanton Genf seit 1974
· Jagdfreie Nationalparks in Europa
·Schweizerischer Nationalpark: jagdfrei seit 1914
· Nationalpark Gran Paradiso: jagdfrei seit 1922
· Nationalpark der Abruzzen: 50.000 Hektar jagdfrei
· Nationalpark Belluno in den Dolomiten: 32.000 Hektar jagdfrei
· Nationalpark der Pyrenäen: 45.700 Hektar jagdfrei
· Nationalpark Écrins in den Dauphiné-Alpen: 918.000 Hektar jagdfrei
Die Wahrheit über die Jagd
Von Julia Brunke, Redaktion FREIHEIT FÜR TIERE
Trotz beharrlicher Propagandaarbeit der Jagdverbände sinkt das Image der Jäger immer mehr: Immer weniger Spaziergänger, Hundehalter, Reiter und Mountainbiker lassen es sich gefallen, wenn sie von Jägern angepöbelt und bedroht werden - und sie protestieren gegen Ballerei in Stadtparks, auf Friedhöfen, in Naherholungsgebieten sowie gegen Massenabschüsse auf Treibjagden. Immer wieder ist in der Zeitung zu lesen, dass Jäger aus Versehen Liebespaare im Maisfeld, Jagdkollegen oder Ponys auf der Weide mit Wildschweinen verwechseln - das kann einem draußen in der Natur durchaus Angst machen - ebenso wie Schüsse am Spazierweg oder Kugeln, die in Autos einschlagen. Und immer wieder schockieren Meldungen über Tote und Verletzte durch Beziehungstaten mit Jägerwaffen, wie: »Jäger erschießt Ehefrau«, »Jäger erschießt Nebenbuhler« oder »Jäger erschießt Nachbarn im Streit«. Außerdem haben Millionen Tierfreunde kein Verständnis, wenn Jäger ihre Hauskatzen abknallen oder drohen, den Hund zu erschießen.
Tierrechtsorganisationen decken immer wieder Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bei Treib- und Drückjagden sowie bei Gatterjagden auf, wo halbzahme Tiere gegen Geld abgeknallt werden. Warum Jäger Jagd auf Hasen machen, obwohl sie auf der »Roten Liste« bedrohter Arten stehen, kann irgendwie auch niemand mehr gut finden. Zudem haben 99,6 Prozent der Bevölkerung andere Hobbys, als Tiere tot zu schießen.
Ja, Jagd ist ein Hobby. Rund 400.000 Jagdscheininhaber gibt es in Deutschland - davon sind gerade einmal etwa 1.000 Berufsjäger. In Österreich ist es ganz ähnlich: Es gibt rund 130.000 Hobbyjäger und etwa 500 Berufsjäger.
Jagd ist ein Hobby - und hat immer noch eine starke Lobby
Jagd ist also ein Hobby. Die allermeisten Jagdscheininhaber haben einen ganz anderen Beruf: Es sind Landwirte, Ärzte, Juristen, Kaufleute, Industrielle oder Politiker. Viele Jäger sind aber auch Rentner und Pensionisten. Weil die Jäger und auch einige Jägerinnen in ihrer Freizeit auf die Jagd gehen, sprechen sie gerne auch von »Jagd als Ehrenamt«. Im Übrigen seien Jäger anerkannte Naturschützer. Wer das nicht verstehe, sei ein naturentfremdeter Städter.
Die Jagdlobby behauptet, Jagd sei in unserer Kulturlandschaft notwendig: Ohne Jäger würden Rehe und Hirsche den Wald auffressen und Wildschweinhorden die Felder verwüsten. Ohne Jäger würden Wildtiere überhand nehmen - der Jäger übernehme die Aufgabe ausgerotteter großer Raubtiere. Und nachdem Wolf und Luchs wieder zurückgekehrt sind, fordern Jäger den Abschuss, weil die Reviere »leer gefressen« würden. Natürlich wäre die Bevölkerung ohne Jagd auch von Seuchen bedroht: von Fuchsbandwurm, Tollwut und (nachdem es in Deutschland keine Tollwut mehr gibt) durch Räude und Staupe. Außerdem sei Jagd »Passion«, und dafür sollten wir Verständnis haben. Der Mensch sei von Natur aus Jäger und der Jagdtrieb sei angeboren.
Zum Unglück der Jäger glauben immer weniger Menschen das Jägerlatein. Zumal namhafte Biologen und Zoologen in der Öffentlichkeit darauf hinweisen, dass die Natur sich in unbejagten Gebieten selbst reguliere - und die Jagd somit überflüssig sei. Im Gegenteil: Jagd reguliert nicht, sondern schafft ein Ungleichgewicht. Durch die Bejagung werden überhöhte Bestände bei einigen Tierarten, wie vor allem Rehen und Wildschweinen, erst geschaffen, während andere Tierarten durch die Jagd bedroht sind. (dazu z.B.: Prof. Dr. Josef H. Reichholf: Warum Jagd? Folgen des Jagens für Menschen, Tiere, Pflanzen und Landschaften. TIERethik 2/2013 · Prof. Carlo Consiglio: Vom Widersinn der Jagd. Verlag Zweitausendundeins, 2001)
Dürfen über 70-Jährige mit tödlichen Schusswaffen unterwegs sein?
Das Durchschnittsalter der Jäger in Deutschland liegt bei 56 Jahren. Und so ist es nicht ungewöhnlich, dass Senioren mit über 70 Jahren und sogar auch noch mit über 80 Jahren mit tödlichen Waffen unterwegs sind. Ein Höchstalter für Jäger gibt es nicht. Und auch keine vorgeschriebenen Seh- oder Hörtests und keine Schießleistungsnachweise.
So passiert es, dass ein 84-jähriger Hobbyjäger an der Straße schießt und einen Großeinsatz der Polizei auslöst (Radio Westfalica, 15.12.2023). Oder dass ein 83-jähriger Hobbyjäger statt eines Hasen einen 50-Jährigen trifft (Kurier, 4.11.2023). Oder dass einen 83-jähriger Hobbyjäger bei der Jagd auf Enten einen Mann in den Kopf schießt. (Westfälischer Anzeiger, 19.8.2023). Oder dass ein 79-jähriger Jäger eine Hündin beim Gassi-Gehen mit ihrer Besitzerin erschießt (BLICK, 13.2.2024). Oder dass ein 77-jähriger Hobbyjäger den Hund von Urlaubern, die eine Kanutour auf dem Main machen, erschießt. Zuvor hatte der gleiche Jäger Reiterinnen mit Waffe in der Hand bedroht (Bayerischer Rundfunk, 20.11.2023). Oder dass ein 76-jähriger Hobbyjäger droht, die eigene Frau, seinen Sohn und dessen Lebensgefährtin umzubringen (Kronen Zeitung, 17.2.2024).
Den Jagdschein gibt es auch im Schnellkurs
Einen Jagdschein kann man im Schnellkurs von 3 Wochen erwerben. Oder an 8 Wochenenden. Oder als Online-Kurs plus 9 Tage Praxiskurs. Und schon darf man tödliche Schusswaffen erwerben und damit überall in der Natur unterwegs sein - ohne psychologische Untersuchungen und auch ohne Gesinnungsprüfungen etwa mit Blick auf möglichen Extremismus.
So hat ein Jagdscheininhaber im September 2023 eine schlafende obdachlose Frau in der Iserlohner Fußgängerzone gezielt mit zwei Kopfschüssen getötet. Der Mann, der wegen Paranoia und Schizophrenie als unzurechnungsfähig gilt, hatte den Jagdschein in einem Online-Kurs erworben. (BILD, 26.3.2024)
Hobbyjäger bringen jedes Jahr über 5 Millionen Wildtiere ums Leben
Rund 400.000 Jäger bringen in Deutschland jedes Jahr nach eigenen Angaben mehr als 5 Millionen Wildtiere ums Leben. In Wirklichkeit liegt die Zahl der durch die Jagd getöteten Tiere wohl wesentlich höher. »Es ist schier unmöglich, mit korrekten Zahlen aufzuwarten«, gab ein Hegeringleiter gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger zu. Manche der Jäger hätten gar keine Streckenzahlen zur Verfügung gestellt, andere wiederum hätten Zahlen geliefert, die vollkommen unrealistisch und wenig Vertrauen erweckend seien. »Weiß der Geier, wo solche Zahlen herkommen«, so Hegeringleiter Johann Jütten. (»Hegeringleiter sprach Tacheles«. In: Kölner Stadtanzeiger, 16.3.2011)
Wildtierschutz Deutschland e.V. schätzt, dass über 9 Millionen Tiere jährlich in Deutschland durch die Jagd getötet werden. Denn: Die Trefferquoten bei »Bewegungsjagden« (dabei werden die Tiere aufgescheucht und auf der Flucht erschossen) sind ausgesprochen gering. Bis zu 70 Prozent der Tiere werden »nur« angeschossen. Diese Tiere verenden oft qualvoll nach Stunden oder Tagen. (Wildtierschutz Deutschland e.V.: Jäger töten über neun Millionen Tiere. www.wildtierschutz-deutschland.de)
Auch bei der Ansitzjagd werden Tiere angeschossen. Und nicht jeder Jäger, der nicht richtig getroffen hat, verständigt einen Nachsucheführer mit speziell ausgebildeten Hunden. Und nicht jede Nachsuche ist erfolgreich. (Unterschätztes Tierschutzproblem: Zehntausende Rehe verenden qualvoll nach dem Schuss. Artikel von Peter Carstens in GEO, 4.11.2020)
Auch bei der Jagd auf Vögel werden oft mehr Vögel »nur« verletzt als getötet - durch die breite Streuwirkung des Schrots. Seit 2023 ist die Jagd in und um Feuchtgebiete mit bleihaltiger Schrotmunition im Umkreis von 100 Metern verboten (REACH-Verordnung der EU). Doch nur 100 Meter abseits von Gewässern und Feuchtgebieten darf weiterhin mit hochgiftigem Bleischrot geschossen werden. Laut der Europäischen Chemikalienagentur ECHA gelangen in Europa geschätzt 14.000 Tonnen Blei durch die Jagd in die Umwelt. (ECHA: Blei in Munition, Kugeln und Angelgerät. echa.europa.eu/de/hot-topics/lead-in-shot-bullets-and-fishing-weights)
So sind europaweit 135 Millionen Vögel von Bleivergiftung bedroht - weil sie Bleischrot verschlucken oder Tiere fressen, die Blei im Körper hatten. Einer aktuellen Studie zufolge hat die Vergiftung durch Bleimunition bei zehn Greifvogelarten wie Seeadlern und Bussarden dazu geführt, dass es rund 55.000 Greifvögel weniger gibt. (Einsatz von Bleimunition auf der Jagd: 55.000 Greifvögel weniger in Europa - wegen Vergiftungen. spiegel.de, 16.3.2022 · The impact of lead poisoning from ammunition sources on raptor populations in Europe. sciencedirect.com, 1.6.2022)
Auf Wasservögel wie Enten und Gänse wird mit Schrot geschossen.
Dabei sind die Trefferquoten naheliegender Weise gering, so dass rechnerisch auf jede getötete Ente 5 Schrotladungen kommen. Weil die kleinen Schrotkugeln breit streuen, wird ein weitaus größerer Teil der Vögel zwar getroffen, aber nicht getötet. Für diese Vögel beginnt oft ein qualvolles Siechtum. · Bild: Eilert Voss
Einige hunderttausend Vögel, darunter Eichelhäher, Kormorane, Blässhühner und Höckerschwäne sowie Hunde und Katzen werden von vornherein nicht oder nicht systematisch in der Jagdstatistik erfasst. Außerdem werden zehntausende Enten bei der Abrichtung von Jagdhunden »an der lebenden Ente« »verbraucht« - diese grausame Praxis ist tatsächlich immer noch in vielen Bundesländern erlaubt.
Der illegalen Jagd fallen außerdem tausende Greifvögel zum Opfer. Offiziell wurden zwischen 2005 bis 2020 über 1.300 Fälle illegaler Greifvogeltötungen registriert. Laut Komitee gegen den Vogelmord sei die Dunkelziffer extrem hoch: »Wir gehen davon aus, dass weniger als 5% aller Taten überhaupt entdeckt werden«, erklärt Geschäftsführer Alexander Heyd. (Greifvogel-Wilderei: Fälle illegaler Verfolgungen in Deutschland nehmen zu. Komitee gegen den Vogelmord e. V., 3.6.2020)
Die Bundesregierung schätzt Wilderei als ernstes Problem für den Artenschutz ein, das sich »deutlich negativ auf Populationen auswirken kann«. Bestandsabnahmen wie beim Habicht ließen sich »kaum anders erklären«, so die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Grünen vom 8.11.2019. (https://dserver.bundestag.de/btd/19/152/1915267.pdf)
Hinter diesen Zahlen steht millionenfaches Tierleid
All die Zahlen können das millionenfache Leid, das hinter ihnen steht, nicht ausdrücken. Von einem »schnellen Tod« kann bei der Jagd - und besonders bei Treib- und Drückjagden - in vielen Fällen nicht die Rede sein: Rehe und Wildschweine werden oft nur angeschossen. Jäger verwenden so genannte Expansions- oder Deformationsgeschosse, die riesige Wunden reißen. Expansionsgeschosse sind so konstruiert, dass sie sich nach dem Einschlag in den Körper durch den Gegendruck des Gewebes »aufpilzen«. Sie drücken sich platt, spreizen dabei auseinander oder zersplittern und zerreißen das Gewebe, die Organe und Knochen des Tieres. Beim Austritt aus dem Körper schlagen sie faustgroße Wunden. Doch mit zerfetzten Eingeweiden oder zerrissener Lunge stirbt das Tier nicht sofort. Ein so getroffenes Tier legt auf seiner Flucht nicht selten noch Strecken von mehreren 100 Metern zurück, bevor es verblutet oder erstickt. So fliehen Rehe mit nicht sofort tödlichen Lungenschüssen oft weite Strecken, bevor sie verenden. Andere flüchten mit zerschossenen Beinen, mit heraushängenden Eingeweiden, in die sie sich beim Laufen verfangen und so die »Pirschzeichen« für die »Nachsuche« hinterlassen.
Die »Nachsuche« - sofern sie überhaupt stattfindet - dauert oft Stunden oder Tage. Viele Tiere werden erst Tage später gefunden, wenn sie irgendwo elendig an der Verwundung verendet sind. Manche Tiere sterben überhaupt nicht an der Schusswunde, sondern an den Folgen, weil sie z.B. mit zerschossenem Kiefer keine Nahrung mehr aufnehmen können.
Bei den großen Treib- und Drückjagden im Herbst und Winter werden außerdem die Sozialstrukturen der Tiere auseinandergesprengt. Jungtiere verlieren ihre Eltern und sind meist ebenfalls dem Tod ausgeliefert. Auch die ganzjährige Fuchsjagd führt zwangsläufig dazu, dass in den Monaten Mai und Juni unzählige junge Füchse im Bau verhungern und verdursten, weil die säugende Fähe erschossen wurde.
Treib- und Drückjagden verursachen großes Tierleid. Diese schwangere Bache wurde angeschossen, konnte aber entkommen.
Tierfreunde fanden das verendete Tier und die ungeborenen Frischlinge. Laut der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. sterben, vor allem bei der Drückjagd, bis zu 70 Prozent der Wildtiere nicht sofort, sondern erleiden qualvolle Kiefer-, Bauch- und Beinschüsse. Kritik kommt sogar von einzelnen Jägern: »Etliche Tiere werden nur verletzt und verenden später qualvoll irgendwo im Dickicht, es werden ihnen Gliedmaßen abgeschossen oder sie laufen nurmehr verkrüppelt herum.« Bild: Brennglas
Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz: Bei Treib- und Drückjagden sind bis zu 70 Prozent der Wildtiere nicht sofort tot
Laut der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. sterben, vor allem bei der Drückjagd, bis zu 70 Prozent der Wildtiere nicht sofort, sondern erleiden qualvolle »Kiefer-, Bauch- und Laufschüsse«. Untersuchungen zufolge seien bei Drückjagden nur etwa ein Drittel der Wildschweine mit »Blattschuss« (= tödliche Treffer im Bereich des Schulterblatts) erlegt worden, die überwiegende Mehrheit wurde angeschossen und »wies Waidwund-, Keulen- oder Laufschüsse auf«. Auch würden 60 Prozent der Rehe Bauchschüsse aufweisen. (Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz, TVT-Nachrichten 2/2011)
Diese Tierquälerei bei Treib- und Drückjagden wird sogar von einigen mutigen Jägern angeprangert. So kritisierte bereits vor vielen Jahren der Pressesprecher der Kreisjägerschaft Aachen und Jagdberater Karl-Heinz Kuckelkorn die Drückjagden aus Gründen des Tierschutzes als »mehr als bedenklich«. Das Wild werde »beunruhigt« und in Richtung der Schützen getrieben. »An ihnen vorbei flüchten die Tiere wie in Panik. Es fallen viele Schüsse, doch längst nicht jeder Schuss ist ein finaler. Etliche Tiere werden nur verletzt und verenden später qualvoll irgendwo im Dickicht, es werden ihnen Gliedmaßen abgeschossen oder sie laufen nurmehr verkrüppelt herum.« (Karl-Heinz Kuckelkorn: »Jagd ist eine Frage von Ethik und Moral«. Aachener Zeitung, 21.10.2010)
Nachsucheführer haben die Aufgabe, mit seinen speziell ausgebildeten Hunden nach Jagden angeschossene Tiere zu suchen, um ihnen den Todesschuss zu geben. Bernd Krewer, der inzwischen verstorbene unter Jägern legendäre Förster, Nachsucheführer und Sachbuchautor, berichtet in seinem Buch »Über Hirsche, Hunde und Nachsuchen« von seinen Erfahrungen: »Ich habe rund 1000 Nachsuchen auf Sauen mit meinen Schweißhunden durchgeführt. Oft kann der Jäger nicht einmal angeben, wie die beschossene Sau im Schuss gestanden hat, ob er also auf die rechte oder linke Körperseite geschossen hat. Es wird also irgendwo auf den dunklen Klumpen geballert, von dem man nicht einmal erkennen kann, wo vorne und hinten ist.« Der Fachmann kommt zu dem Schluss: »Wir sollten froh sein, dass solche Dinge nicht allzu häufig ans Licht der Öffentlichkeit kommen, es sähe mit unserem Anspruch, Naturschützer zu sein, nicht sehr gut aus.« (Bernd Krewer: Über Hirsche, Hunde und Nachsuchen. Neumann-Neudamm, 1998, S.80/85)
Dass die Wildtiere selten richtig getroffen und zum Teil lebendig vom Jagdhund zerfetzt werden, geben Jäger untereinander in Jäger-Internetforen offen zu. In der Öffentlichkeit und in offiziellen Verlautbarungen der Jagdverbände wird allerdings regelmäßig behauptet, die Tiere wären durch den ersten Schuss sofort tot - schmerzlos.
Der legendäre Nachsucheführer Bernd Krewer schrieb bereits 1998: »Wenn es den ‚Tierschützern’ gelänge, einen viel beschäftigten Schweißhundeführer ‚umzukrempeln’, wären wir einen Tag später die Jagd endgültig los. Es muss sich vieles im Tun und Lassen der Jägerei ändern, wollen wir vor der immer kritischer werdenden Bevölkerung bestehen und von ihr das Mandat für den Fortbestand unserer Jagd bekommen. Wenn die Gesellschaft die Jagd nicht mehr akzeptiert, wird sie verschwinden und durch andere Formen der Nutzung und Regulierung ersetzt werden.« (ebda., S. 180)
Schrotschüsse: Unzählige angeschossene Tiere
Beim Schrotschuss werden viele kleine Kugeln gemeinsam verschossen. So kommt es, dass bei Schüssen in eine Tiergruppe, wie einen Vogelschwarm, nur einzelne Tiere tödlich getroffen werden. Viele bekommen sogenannte Randschrote ab, werden also nur von einzelnen Kugeln getroffen. Sie siechen dahin, sterben elendig an Bleivergiftung oder verhungern in Folge der Verletzungen. Biologen nehmen nach Auswertung umfangreichen Untersuchungsmaterials an, dass die Zahl der mit Schrot beschossenen und verletzten Vögel die Zahl der getöteten übertrifft. Ähnliche Relationen sind auch für Schrotschüsse auf Hasen oder Wildkaninchen anzunehmen.
Bei größeren Tieren wie Füchsen können einzelne Schrotkugeln kaum ernsthafte Verletzungen erzeugen. Aber in der Menge und der großen getroffenen Körperfläche wird ein Schockzustand ausgelöst, an dem das Tier eigentlich sterben soll. Nicht selten aber stirbt das Tier an einer Bleivergiftung oder an den Folgen, weil es zum Beispiel keine Beute mehr fangen kann.
In einem Jagd-Forum im Internet schreiben Hobbyjäger von ihren Erlebnissen. Spätestens hier wird das Jägermärchen »bei der Jagd ist das Tier beim ersten Schuss sofort tot« entlarvt. »Jagdhelfer« schildert: »Gestern Abend auf 30 m (mit zwei Mann nachgemessen) Fuchs mit 3,5er Schrot beschossen, der dann mal eben fast einen Kilometer bis ins Nachbarreviergegangen ist. Hat so was schon mal einer erlebt? Ich bin ganz sicher gut abgekommen [= gut getroffen], worauf auch alle Pirsch- und Schusszeichen im Schnee hindeuten [= Blut, Organ- und Knochenteile, die durch den Schuss aus dem Körper des Tieres geschlagen werden]. Ich habe auf dem Autodach aufgelegt und geschossen, weswegen ich mir meiner Sache absolut sicher bin, gut abgekommen zu sein. Im Schnee konnte man die Riefen der wenigen Schrote erkennen, die nicht getroffen haben (was übrigens ein sehr interessantes Bild ist). Schweiß [= Blut] war auf der gesamten Fährte wie hingetupft ungefähr alle paar Meter in unterschiedlicher Stärke zu erkennen.«
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Tierquälerei durch Fallenjagd
Der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, dass die Fallenjagd in Deutschland nach wie vor erlaubt ist. Mit Fallen wird Füchsen, Dachsen, Marderhunden, Mardern, Waschbären, Iltissen und Katzen nachgestellt. Diese Tiere gelten unter Jägern als »Raubwild« oder »Raubzeug«. Durch die Jagd auf diese Beutegreifer versprechen sich die Jäger höhere »Strecken« (= Tötungszahlen) beim »Niederwild« (= Hasen, Kaninchen, Fasane, Rebhühner).
In dem Jagdbuchklassiker »Das Fangjagdbuch« heißt es im Vorwort: »Das Jagen mit der Falle ist spannend. Wer sie beherrscht, der wird mit eindrucksvollen Strecken sowohl beim Raubwild als auch beim Niederwild belohnt.« (Hans-Joachim Borngräber, Anton Ganz und Andre Westerkamp: Das Fangjagdbuch. Büchsenmacher-Verlag, 2001)
Sowohl Totschlagfallen als auch Lebendfallen können extremes Tierleid bedeuten. Totschlagfallen sollten eigentlich sofort töten. Doch oft bereiten diese Fallen Füchsen und anderen Beutegreifern, aber auch Hunden und Katzen, einen tagelangen Todeskampf. Denn wenn ein zu großes oder zu kleines Tier, als für diese Falle vorgesehen, hineingerät, wird es vom zuschlagenden Bügel nicht tödlich getroffen, sondern eingequetscht. Oder die Tiere versuchen, den Köder mit der Pfote herauszuholen. Dann schlägt der Fangbügel zu, das Bein wird eingequetscht. Viele Füchse und Katzen reißen so lange daran, bis sie mit halb abgetrennten Gliedmaßen entkommen können. Fuchsmütter, die ihre Jungen hungrig im Bau wissen, beißen sich sogar die Pfote ab.
In Lebendfallen gefangene Tiere geraten in große Panik, verletzen sich, leiden Hunger und Durst. Obwohl regelmäßige Kontrollen der Fallen vorgeschrieben sind, sterben nicht wenige Tiere in ihrer Panik an Herzversagen oder verhungern und verdursten. Tiere, die lebend in der Falle gefunden werden, werden vom Jäger erschossen oder erschlagen.
Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz: Bei Treib- und Drückjagden sind bis zu 70 Prozent der Wildtiere nicht sofort tot
Laut der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. sterben, vor allem bei der Drückjagd, bis zu 70 Prozent der Wildtiere nicht sofort, sondern erleiden qualvolle »Kiefer-, Bauch- und Laufschüsse«. Untersuchungen zufolge seien bei Drückjagden nur etwa ein Drittel der Wildschweine mit »Blattschuss« (= tödliche Treffer im Bereich des Schulterblatts) erlegt worden, die überwiegende Mehrheit wurde angeschossen und »wies Waidwund-, Keulen- oder Laufschüsse auf«. Auch würden 60 Prozent der Rehe Bauchschüsse aufweisen. (Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz, TVT-Nachrichten 2/2011)
Diese Tierquälerei bei Treib- und Drückjagden wird sogar von einigen mutigen Jägern angeprangert. So kritisierte bereits vor vielen Jahren der Pressesprecher der Kreisjägerschaft Aachen und Jagdberater Karl-Heinz Kuckelkorn die Drückjagden aus Gründen des Tierschutzes als »mehr als bedenklich«. Das Wild werde »beunruhigt« und in Richtung der Schützen getrieben. »An ihnen vorbei flüchten die Tiere wie in Panik. Es fallen viele Schüsse, doch längst nicht jeder Schuss ist ein finaler. Etliche Tiere werden nur verletzt und verenden später qualvoll irgendwo im Dickicht, es werden ihnen Gliedmaßen abgeschossen oder sie laufen nurmehr verkrüppelt herum.« (Karl-Heinz Kuckelkorn: »Jagd ist eine Frage von Ethik und Moral«. Aachener Zeitung, 21.10.2010)
Nachsucheführer haben die Aufgabe, mit seinen speziell ausgebildeten Hunden nach Jagden angeschossene Tiere zu suchen, um ihnen den Todesschuss zu geben. Bernd Krewer, der inzwischen verstorbene unter Jägern legendäre Förster, Nachsucheführer und Sachbuchautor, berichtet in seinem Buch »Über Hirsche, Hunde und Nachsuchen« von seinen Erfahrungen: »Ich habe rund 1000 Nachsuchen auf Sauen mit meinen Schweißhunden durchgeführt. Oft kann der Jäger nicht einmal angeben, wie die beschossene Sau im Schuss gestanden hat, ob er also auf die rechte oder linke Körperseite geschossen hat. Es wird also irgendwo auf den dunklen Klumpen geballert, von dem man nicht einmal erkennen kann, wo vorne und hinten ist.« Der Fachmann kommt zu dem Schluss: »Wir sollten froh sein, dass solche Dinge nicht allzu häufig ans Licht der Öffentlichkeit kommen, es sähe mit unserem Anspruch, Naturschützer zu sein, nicht sehr gut aus.« (Bernd Krewer: Über Hirsche, Hunde und Nachsuchen. Neumann-Neudamm, 1998, S.80/85)
Dass die Wildtiere selten richtig getroffen und zum Teil lebendig vom Jagdhund zerfetzt werden, geben Jäger untereinander in Jäger-Internetforen offen zu. In der Öffentlichkeit und in offiziellen Verlautbarungen der Jagdverbände wird allerdings regelmäßig behauptet, die Tiere wären durch den ersten Schuss sofort tot - schmerzlos.
Der legendäre Nachsucheführer Bernd Krewer schrieb bereits 1998: »Wenn es den ‚Tierschützern’ gelänge, einen viel beschäftigten Schweißhundeführer ‚umzukrempeln’, wären wir einen Tag später die Jagd endgültig los. Es muss sich vieles im Tun und Lassen der Jägerei ändern, wollen wir vor der immer kritischer werdenden Bevölkerung bestehen und von ihr das Mandat für den Fortbestand unserer Jagd bekommen. Wenn die Gesellschaft die Jagd nicht mehr akzeptiert, wird sie verschwinden und durch andere Formen der Nutzung und Regulierung ersetzt werden.« (ebda., S. 180)
Schrotschüsse: Unzählige angeschossene Tiere
Beim Schrotschuss werden viele kleine Kugeln gemeinsam verschossen. So kommt es, dass bei Schüssen in eine Tiergruppe, wie einen Vogelschwarm, nur einzelne Tiere tödlich getroffen werden. Viele bekommen sogenannte Randschrote ab, werden also nur von einzelnen Kugeln getroffen. Sie siechen dahin, sterben elendig an Bleivergiftung oder verhungern in Folge der Verletzungen. Biologen nehmen nach Auswertung umfangreichen Untersuchungsmaterials an, dass die Zahl der mit Schrot beschossenen und verletzten Vögel die Zahl der getöteten übertrifft. Ähnliche Relationen sind auch für Schrotschüsse auf Hasen oder Wildkaninchen anzunehmen.
Bei größeren Tieren wie Füchsen können einzelne Schrotkugeln kaum ernsthafte Verletzungen erzeugen. Aber in der Menge und der großen getroffenen Körperfläche wird ein Schockzustand ausgelöst, an dem das Tier eigentlich sterben soll. Nicht selten aber stirbt das Tier an einer Bleivergiftung oder an den Folgen, weil es zum Beispiel keine Beute mehr fangen kann.
In einem Jagd-Forum im Internet schreiben Hobbyjäger von ihren Erlebnissen. Spätestens hier wird das Jägermärchen »bei der Jagd ist das Tier beim ersten Schuss sofort tot« entlarvt. »Jagdhelfer« schildert: »Gestern Abend auf 30 m (mit zwei Mann nachgemessen) Fuchs mit 3,5er Schrot beschossen, der dann mal eben fast einen Kilometer bis ins Nachbarreviergegangen ist. Hat so was schon mal einer erlebt? Ich bin ganz sicher gut abgekommen [= gut getroffen], worauf auch alle Pirsch- und Schusszeichen im Schnee hindeuten [= Blut, Organ- und Knochenteile, die durch den Schuss aus dem Körper des Tieres geschlagen werden]. Ich habe auf dem Autodach aufgelegt und geschossen, weswegen ich mir meiner Sache absolut sicher bin, gut abgekommen zu sein. Im Schnee konnte man die Riefen der wenigen Schrote erkennen, die nicht getroffen haben (was übrigens ein sehr interessantes Bild ist). Schweiß [= Blut] war auf der gesamten Fährte wie hingetupft ungefähr alle paar Meter in unterschiedlicher Stärke zu erkennen.«
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Tierquälerei durch Fallenjagd
Der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, dass die Fallenjagd in Deutschland nach wie vor erlaubt ist. Mit Fallen wird Füchsen, Dachsen, Marderhunden, Mardern, Waschbären, Iltissen und Katzen nachgestellt. Diese Tiere gelten unter Jägern als »Raubwild« oder »Raubzeug«. Durch die Jagd auf diese Beutegreifer versprechen sich die Jäger höhere »Strecken« (= Tötungszahlen) beim »Niederwild« (= Hasen, Kaninchen, Fasane, Rebhühner).
In dem Jagdbuchklassiker »Das Fangjagdbuch« heißt es im Vorwort: »Das Jagen mit der Falle ist spannend. Wer sie beherrscht, der wird mit eindrucksvollen Strecken sowohl beim Raubwild als auch beim Niederwild belohnt.« (Hans-Joachim Borngräber, Anton Ganz und Andre Westerkamp: Das Fangjagdbuch. Büchsenmacher-Verlag, 2001)
Sowohl Totschlagfallen als auch Lebendfallen können extremes Tierleid bedeuten. Totschlagfallen sollten eigentlich sofort töten. Doch oft bereiten diese Fallen Füchsen und anderen Beutegreifern, aber auch Hunden und Katzen, einen tagelangen Todeskampf. Denn wenn ein zu großes oder zu kleines Tier, als für diese Falle vorgesehen, hineingerät, wird es vom zuschlagenden Bügel nicht tödlich getroffen, sondern eingequetscht. Oder die Tiere versuchen, den Köder mit der Pfote herauszuholen. Dann schlägt der Fangbügel zu, das Bein wird eingequetscht. Viele Füchse und Katzen reißen so lange daran, bis sie mit halb abgetrennten Gliedmaßen entkommen können. Fuchsmütter, die ihre Jungen hungrig im Bau wissen, beißen sich sogar die Pfote ab.
In Lebendfallen gefangene Tiere geraten in große Panik, verletzen sich, leiden Hunger und Durst. Obwohl regelmäßige Kontrollen der Fallen vorgeschrieben sind, sterben nicht wenige Tiere in ihrer Panik an Herzversagen oder verhungern und verdursten. Tiere, die lebend in der Falle gefunden werden, werden vom Jäger erschossen oder erschlagen.
Jagd: »Artenfeind Nr. 2«
Die Zukunft der Arten gilt als hochgradig bedroht. Viele Pflanzen- und Tierarten, die früher selbstverständlich waren, kommen heute nur noch selten vor oder sind vollständig verschwunden. So gilt rund die Hälfte der mitteleuropäischen Arten als gefährdet. Die »Roten Listen« werden von Jahr zu Jahr länger. Inzwischen ist einer Studie zufolge jede fünfte Pflanzen- oder Tierart in Europa vom Aussterben bedroht.
Einer der prominentesten Naturwissenschaftler Deutschlands, der Ökologe und Zoologe Prof. Dr. Josef Reichholf, kam bei seinen langjährigen Forschungen zu dem Ergebnis, dass die Jagd - nach der industriellen Landwirtschaft - der »Artenfeind Nr. 2« ist. Der Wissenschaftler weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich ausgerechnet in der bevölkerungsreichsten deutschen Stadt die größte Artenvielfalt an Tieren findet: In Berlin sind Tiere heimisch, die in der freien Natur aufgrund des hohen Jagddrucks ganz oder teilweise verschwunden sind. Dies gilt auch für andere deutsche Großstädte wie München, Hamburg oder Köln. (Josef H. Reichholf: Die Zukunft der Arten. dtv Wissen, 2009)
»Aber die Jäger hegen doch die Tiere...«
Ein weit verbreitetes Argument für die Notwendigkeit der Jagd ist die Aussage: »Aber die Jäger hegen doch die Tiere und die Natur...«. Der Hegebegriff wird in der Öffentlichkeit bis heute verkannt - meint man doch landläufig, »Hege« bedeute »füttern und aufpäppeln« von Tieren. In Wirklichkeit hegen die Jäger nur, was sie nachher schießen wollen: Trophäenträger wie Rehböcke und Hirsche oder große Wildschweinkeiler. Kapitale Geweihe werden in »Trophäenschauen« ausgestellt und nach festgelegten Kriterien bewertet und prämiert.
»Ein wichtiger Grund hierfür ist sicherlich der seit Reichsjägermeister Göring verbreitete Kult um die Trophäen (dt. Siegeszeichen), die noch immer auf sogenannten Trophäenschauen bewertet und prämiert werden«, erklärt Dag Frommhold, Autor mehrerer jagdkritischer Bücher. (Dag Frommhold: Informationen zur Jagd - Fakten und Hintergründe)
Das heutige Bundesjagdgesetz geht in seinen Grundzügen auf das Reichsjagdgesetz aus dem Jahr 1934 zurück. Das Reichsjagdgesetz wurde von Jägern entworfen und von Hitlers Reichsjägermeister Hermann Göring durchgesetzt. Die heute noch einmal im Jahr vorgeschriebene Trophäenschau, die mit der Bezeichnung »Hegeschau« verbrämt wird, stammt aus dem Reichsjagdgesetz.
Die Tiere, die das »Hegeziel« nicht erreichen, werden als »Hegeabschuss« aus der Wildbahn »entnommen«. Zum Hegeabschuss führen »wenig Geweihauslage; körperlich schwache Spießer mit nur angedeuteter Verdickung der Rosen und Knieper; schwache Stangen; geringe Aug- und Mittelsprossen«. (Jägerzeitschrift Unsere Jagd 9/2001)
Aus einer Jagdzeitschrift:
Gehörne und Geweihe werden bis heute einmal im Jahr in sogenannten »Hegeschauen« nach festgelegten Kriterien bewertet und prämiert. Ein wichtiger Grund hierfür ist sicherlich der seit Reichsjägermeister Göring verbreitete Kult um die Trophäen. Das Bundesjagdgesetz geht in seinen Grundzügen bis heute auf das Reichsjagdgesetz von 1934 zurück. · Bild aus: Unsere Jagd 9/2001
»Jäger regulieren die Zahl der Tiere«
Der Hauptgrund für die Jagd ist die »Regulierung« der Tierpopulationen. Die Frage ist: Müssen wildlebende Tiere bejagt werden, damit keine »Überpopulation« entsteht? Und: Können Wildtierpopulationen durch die Jagd überhaupt »reguliert« werden?
Fakt ist: Trotz intensiver Bejagung nehmen die Bestände von Rehen und Wildschweinen seit Jahrzehnten immer weiter zu. Jagd scheint nicht geeignet zu sein, die Zahl der Rehe und Wildschweine zu dezimieren. Im Gegenteil: Der hohe Jagddruck hält bestimmte Wildtierbestände hoch produktiv, führt also zu einer höheren Geburtenrate.
Fakt ist auch: Bei anderen Arten führt die Bejagung zum Rückgang der Populationen bis hin zur akuten Gefährdung: So stehen Feldhasen, Wildkaninchen, Rebhühner, Birkhühner, Auerhühner Königsfasane, Brandgänse, Knäkenten, Krickenten auf der Roten Liste gefährdeter Arten oder sind sogar vom Aussterben bedroht. (Studien über die Auswirkung der Jagd auf Wildtiere und Jäger. IG Wild beim Wild, 22.8.2023 wildbeimwild.com)
Der renommierte Zoologe Prof. Dr. Josef H. Reichholf sagt aufgrund seiner Forschungsergebnisse unmissverständlich: »Jagd reguliert nicht. Sie schafft überhöhte und unterdrückte Bestände.« (Vortrag Prof. Dr. Reichholf am 15.10.2013 an der Uni Basel · www.jagdreguliertnicht.ch)
Unbejagtes Gebiet links: Die Fuchsmutter macht ein Nickerchen, während ihre beiden Kinder ausgelassen spielen.
In Wald und Flur bekommt man Füchse nicht zu Gesicht. Sie verstecken sich aus Angst vor Jägern. Und natürlich verstecken sie auch ihre Kinder. Hin und wieder sieht man als Autofahrer einen Fuchs auf der Flucht über eine Straße. Füchse gelten daher als nachtaktiv und menschenscheu. Das stimmt aber nicht! Von Natur aus sind Füchse tagaktiv, sehr neugierig und verspielt. In unbejagten Gebieten und in Großstädten wie Berlin, München oder Zürich kann man die intelligenten Tiere am hellichten Tag beobachten, wie sie ganz entspannt durch den Stadtpark laufen oder im Garten in der Sonne liegen. Wo nicht oder wenig gejagt wird, bekommen Füchse auch weniger Nachwuchs. Im Nationalpark Bayerischer Wald wurde diese Tatsache wissenschaftlich belegt. · Bild: Günther Schumann
Ist Jagd ökologisch?
Von Natur aus haben zahlreiche Faktoren einen Einfluss auf die Fortpflanzung. Zu diesen Faktoren zählen zum Beispiel Nahrungsverfügbarkeit, Klima, feste Sozialstrukturen innerhalb der Familie (Rudel, Rotte), Pheromone (das sind Duftstoffe, die z.B. innerhalb einer Wildschweinrotte dafür sorgen, dass nur die Leitbache trächtig wird), ein eigenes Revier oder Übernahme eines elterlichen Territoriums, Regulierung durch Beutegreifer und Krankheiten. In unbejagten Gebieten sorgen diese Faktoren dafür, dass Wildtierbestände nicht überhand nehmen und sich immer wieder ein ökologisches Gleichgewicht einpendelt.
Intensive Bejagung beeinflusst nicht nur die Reproduktion von Wildtieren mit Arterhaltung und Geburtenausgleich, sondern auch andere Faktoren:
· Abwanderung von freilebenden Tieren wie Füchsen, Wildschweinen, Rehen und Vögeln in Stadtgebiete,
· Abwanderung von Rehen von ihrem natürlichen Lebensraum (Wiesen, Felder, Waldrand) in die Wälder (was in den Wäldern zu Verbissschäden führt),
· Änderung des Nahrungsverhaltens: statt auf Wiesen, Feldern und am Waldrand Gräser, Kräuter und Brombeerblätter zu äsen, ernähren sich Rehe im Schutz der Wälder von jungen Trieben der Bäume,
· unnatürliche Scheu und hohe Fluchtdistanzen, wodurch vor allem im Winter (zu) viel Energie verbraucht wird,
· unnatürliche Verhaltensweisen: von Natur aus tagaktive Tiere verlagern ihre Aktivität in den Schutz der Nacht,
· Störung des Sozialverhaltens, Störung des natürlichen Zusammenlebens: von Natur aus verspielte Tiere wie zum Beispiel Füchse zeigen kein Spielverhalten,
· Zerstörung von Familienstrukturen durch Tötung von Familienmitgliedern,
· Ausbreitung von Krankheiten, weil die Tiere vor Jägern in andere Gebiete flüchten und so einen größeren Aktionsradius haben.
Bei uns wird überall abseits geschlossener Ortschaften gejagt. Dies führt dazu, dass freilebende Tiere in große Städte abwandern, wo sie im Mosaik von Grünanlagen und Gärten einen Lebensraum finden - wie hier in Berlin.
In der »Hauptstadt der Wildschweine« haben sich die Tiere an die harmlosen Zweibeiner gewöhnt und spazieren seelenruhig mit Kind und Kegel durch Parks und Straßen an parkenden Autos vorbei. Zum Berliner Alltag gehören Wildtiere dazu - und sie werden als Mitbewohner toleriert. · Bild: Julian Hopff · Shutterstock.com
Wissenschaftliche Studien: Auswirkung der Jagd auf Wildtiere - Jagd stört das Ökosystem
Europa ist eine von Städten, Land- und Forstwirtschaft geprägte Kulturlandschaft, aber rund ein Drittel der Fläche ist bewaldet. Hier leben Tiere und Pflanzen in komplexen Ökosystemen. Seit Jahren untersuchen Forscher weltweit, wie sich Wildtiere unter Jagddruck verhalten. In Langzeitstudienbeobachten sie Populationen von Hirschen, Rehen, Füchsen, Wildschweinen und anderen Tieren über Jahrzehnte. Alle Studien zeigen: Im Vergleich zu jagdfreien Gegenden verändern sich Wildtierpopulationen durch die Jagd stark. |
Effekt 1: Tiere unter Dauerstress - Von Natur aus tagaktive Wildtiere verlagern Aktivitäten in die Nacht Eine große wissenschaftliche Metaanalyse mit dem Titel »Der Einfluss menschlicher Störungen auf die Nachtaktivität von Wildtieren« beweist, dass freilebende Tiere - vom Hirsch bis zum Kojoten und vom Tiger bis zum Wildschwein - immer nachtaktiver werden. Ein weiteres Ergebnis der Auswertung von 76 Studien mit 62 Tierarten auf sechs Kontinenten ist: In allen Lebensräumen zeigen freilebende Tiere deutliche Abweichungen von natürlichen Aktivitätsmustern. Dies hat negative Auswirkungen auf die Fitness und Gesundheit einer Population, ihr Sozialverhalten und die Evolution.(Kaitlyn M. Gaynor, Cheryl E. Hojnowski, Neil H. Carter, Justin S. Brashares: The influence of human disturbance on wildlife nocturnality. Science, Vol 360, Issue 6394) In der Wissenschaft spricht man davon, dass Wildtiere in einer »landscape of fear« - einer Landschaft der Angst - leben. »Menschen werden als Gefahr gesehen«, erklärt Prof. Ilse Storch, Leiterin des Lehrstuhls Wildtierökologie und Wildtiermanagement an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Durch die Jagd seien viele Wildtiere noch scheuer und ängstlicher geworden. In unbejagten Gebieten haben Wildtiere eine deutlich geringere Fluchtdistanz (»Nationalpark-Effekt«). |
Effekt 2: Abwanderung von offenen Flächen in Wälder: Viele Wildtiere auf kleiner Fläche Aus Angst vor Jägern haben viele Wildtiere ihren natürlichen Lebensraum dauerhaft verlassen. Dabei können sie einschätzen, wann es besonders gefährlich wird. Bei Rehen und Hirschen haben Forschende beispielsweise beobachtet, dass sich der Rückzug in den Wald während der Jagdsaison verstärkt. Jagd trägt also wesentlich dazu bei, dass Wildtiere in ihrer Bewegungsfreiheit und in ihrem Lebensraum eingeschränkt werden. (Bonnot, N., Morellet, N., Verheyden, H. et al.: Habitat use under predation risk: hunting, roads and human dwellings influence the spatial behaviour of roe deer. Eur J Wildl Res 59, 185–193, 2013.) »Wildtiere entscheiden sich, eher zu hungern, als sich aktiv in eine Gefahr zu begeben«, erklärt Dr. Konstantin Börner, Biologe in der Abteilung Ökologische Dynamik am Leibniz- Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW). »Sie meiden freie Felder und leben verstärkt im Schutz des Waldes.« Dies führt zu einer extremen Begrenzung des Lebensraums, was Wissenschaftler für problematisch halten. »Ohne Bewegungsfreiheit und genetischen Austausch wird die Gesundheit der Tiere gefährdet«, so Dr. Konstantin Börner. |
Effekt 3: Gestörte Fortpflanzungsprozesse Der Hauptgrund für die Jagd ist die angebliche »Regulierung« der Tierpopulationen. Die Frage ist: Müssen wildlebende Tiere bejagt werden, damit keine »Überpopulation« entsteht? Und: Können Wildtierpopulationen durch die Jagd überhaupt »reguliert« werden? Die Jagd führt dazu, dass sich Wildtiere, deren Population Jäger eigentlich »regulieren« (dezimieren) wollen, schneller vermehren. Fakt ist: Trotz intensiver Bejagung nehmen die Bestände von Rehen und Wildschweinen seit Jahrzehnten immer weiter zu. Jagd scheint nicht geeignet zu sein, die Zahl der Rehe und Wildschweine zu dezimieren. Im Gegenteil: Studien zeigen eindeutig, dass Wildschweine, Rehe, Hirsche, Füchse und andere Wildtiere unter Jagddruck ihre Fortpflanzungsrate erhöhen, etwa indem sie sich schon in jüngerem Alter fortpflanzen. Je stärker sie gejagt werden, desto mehr Nachwuchs zeugen sie.* Fakt ist auch: Bei anderen Arten führt die Bejagung zum Rückgang der Populationen bis hin zur akuten Gefährdung: So stehen Feldhasen, Wildkaninchen, Rebhühner, Birkhühner, Auerhühner, Königsfasane, Brandgänse, Knäkenten, Krickenten auf der Roten Liste gefährdeter Arten oder sind sogar vom Aussterben bedroht. Der renommierte Zoologe Prof. Dr. Josef H. Reichholf sagt unmissverständlich: »Jagd reguliert nicht. Sie schafft überhöhte und unterdrückte Bestände.« (Prof. Dr. Reichholf, Vortrag 15.10.2013 Universität Basel · www.jagdreguliertnicht.ch) *Studien Rehe: · Bonnot, N., Morellet, N., Verheyden, H. et al.: Habitat use under predation risk: hunting, roads and human dwellings influence the spatial behaviour of roe deer. Eur J Wildl Res 59, 185–193 (2013). https://doi.org/10.1007/s10344-012-0665-8 Füchse · Kistler C et al.: Das Management des Fuchses sollte auf wissenschaftlichen Grundlagen anstatt auf Annahmen basieren. In: Voigt, C.C.: Evidenzbasiertes Wildtiermanagement. Springer Spektrum 2023. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-65745-4_102 Wildschweine · Servanty S. et al.: Factors affecting wild boar reproduction under hunting pressure. Journal of Animal Ecology, 2009 |
Jagd reguliert nicht: Je mehr Wildschweine geschossen werden, umso mehr vermehren sie sich
Seit Jahren ist in allen Zeitungen von einer »Wildschweinschwemme«, gar von einer »Wildschwein-Plage« zu lesen. Doch obwohl in Deutschland so viele Wildschweine geschossen werden, wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, steigt die Anzahl der Wildschweine weiter und weiter. Ist die Lösung des »Wildschweinproblems«, noch mehr Tiere zu schießen? Oder ist gerade die intensive Jagd auf Wildschweine das Problem?
Dass Jagd die Zahl der Wildschweine nicht nachhaltig regulieren kann, gab Deutschlands größte Jagdzeitschrift schon vor über zehn Jahren offen zu: »Sind die Jäger überhaupt in der Lage, die Schwarzkittel dauerhaft zu regulieren?«, fragt WILD UND HUND und gibt auch gleich die Antwort: »Insgesamt haben jedoch alle Bemühungen der vergangenen Jahre keinen Erfolg gebracht. Die Sauen vermehren sich unaufhaltsam weiter.« (WILD UND HUND, 9/2014)
Bis Ende der 1980er-Jahre betrug die gesamteuropäische (!) Schwarzwildstrecke 550.000 Stück. Im Jagdjahr 2014/15 wurden alleine in Deutschland 520.623 Wildschweine erschossen, im Jagdjahr 2019/20 sogar 882.231, 2021/22 waren es 711.407. »Angesichts dieser Zahlen wird klar, dass wir die Sauen mit jagdlichen Mitteln offenbar nicht mehr nachhaltig regulieren können«, heißt es in WILD UND HUND. Deutlicher könnte das Eingeständnis der Jäger nicht sein: Jagd kann Wildschweine nicht regulieren.
2022/23 sank die »Strecke« erstmals: 462.220 Wildschweine wurden erschossen. Der Rückgang liegt aber nicht an jagdlicher Regulierung: Grund sei die hohe Mortalität bei den Frischlingen im Jahr 2022, so das Jägermagazin PIRSCH. »Durch das teilweise nasse Frühjahr und den sehr heißen und trockenen Sommer haben viele Frischlinge nicht bis in den Herbst überlebt.« (Schwarzwild-Strecke deutschlandweit um 35% eingebrochen. PIRSCH.de, 20.1.2023.)
Studie: Jagd führt zur unkontrollierten Vermehrung von Wildschweinen
So paradox es klingen mag: Je mehr Jagd auf Wildschweine gemacht wird, umso stärker vermehren sie sich. Auf diesen Zusammenhang weisen immer mehr Wissenschaftler hin.
Eine französische Langzeitstudie kommt zu dem Ergebnis: Starke Bejagung führt zu einer deutlich höheren Fortpflanzung und stimuliert die Fruchtbarkeit bei Wildschweinen. Die Wissenschaftler um Sabrina Servanty verglichen in einem Zeitraum von 22 Jahren die Vermehrung von Wildschweinen in einem Waldgebiet im Departement Haute Marne, in dem sehr intensiv gejagt wird, mit einem wenig bejagten Gebiet in den Pyrenäen. Das Ergebnis wurde im renommierten Journal of Animal Ecology veröffentlicht: Wenn hoher Jagddruck herrscht, ist die Fruchtbarkeit bei Wildschweinen wesentlich höher als in Gebieten, in denen kaum gejagt wird.
Weiterhin tritt bei intensiver Bejagung die Geschlechtsreife deutlich früher - vor Ende des ersten Lebensjahres - ein, so dass bereits Frischlingsbachen trächtig werden. Auch das Durchschnittsgewicht der erstmalig fruchtbaren Wildschweine ist bei hohem Jagddruck geringer. In Gebieten, in denen wenig gejagt wird, ist die Vermehrung der Wildschweine deutlich geringer, die Geschlechtsreife bei den Bachen tritt später und erst bei einem höheren Durchschnittsgewicht ein. (Servanty et alii, Journal of Animal Ecology, 2009)
Die Natur hatte eigentlich alles hervorragend geregelt: Erfahrene weibliche Wildschweine - die Leitbachen - sorgen für die Ordnung in der Rotte und für Geburtenkontrolle. Die Hormone der Leitbachen bestimmen die Empfängnisbereitschaft aller weiblichen Tiere der Gruppe und verhindern, dass zu junge Bachen befruchtet werden. Fehlen die Leitbachen, weil sie bei der Jagd getötet wurden, löst sich die Ordnung auf. Die Sozialstruktur ist zerstört, die Tiere vermehren sich unkontrolliert.
Wildschweinschwemme "hausgemacht"
Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass der verstärkte Energie-Maisanbau zur Vermehrung der Wildschweine beiträgt. Gerade Mais fördert mit seinem besonders hohen Anteil an Stärke die Fruchtbarkeit von Wildschweinen.
Wurde in Deutschland 1960 auf 56.000 Hektar Mais angebaut, waren es im Jahr 2023 ganze 2.462.000 Hektar. Davon sind etwa zwei Drittel Futtermittel für die Massentierhaltung und etwa ein Drittel für die Biogasproduktion. Die großflächigen Mais-Monokulturen haben gravierende Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Doch sind sie auch der ausschlaggebende Grund für die Vermehrung der Wildschweine?
Mais im März.
Kirrung mit etwa 15 Litern Körnermais. Untersuchungen zufolge bringen Jäger pro erschossenem Wildschwein über 100 Kilo Mais als Anlockfütterung aus. Mais fördert mit seinem besonders hohen Anteil an Stärke in der Fortpflanzungszeit von Oktober bis März die Fruchtbarkeit. Und so werden es immer mehr Wildschweine. · Bild: Pelli
Kirrung produziert Wildschweine
Während der Mais auf den Feldern nur wenige Monate im Jahr zur Verfügung steht, karren Jäger ganzjährig große Mengen Mais als »Kirrungen« (Anlockfütterungen) in den Wald. Der Kirrmais steht besonders auch in der Zeit der Fortpflanzung im Winter zur Verfügung. Untersuchungen der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz weisen darauf hin, dass die zusätzliche Fütterung gerade bei Frischlingsbachen die Geschlechtsreife von 30 auf 70 Prozent erhöhe, was wegen ihres hohen Anteils in der Population den Gesamtzuwachs der Population entscheidend beeinflusse. (Schwarzwild: Kirrmais versus Feldmais. Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft, Rheinland-Pfalz. 2.3.2010)
Der NABU-Jagdexperte Michael Hug kritisierte schon vor rund 25 Jahren, dass Wildschweine »gemästet werden wie ein Hausschwein«. (Reform der Jagd, NABU 2002) Damals hatte die Wildforschungsstelle Aulendorf ermittelt, dass für ein erlegtes Wildschwein im Schnitt 136 Kilo (!) Mais ausgebracht werden. (Ergebnisse einer landesweiten Befragung zur Schwarzwildbewirtschaftung. Wildforschungsstelle Aulendorf, 4/2001)
Daran hat sich nichts geändert: In Bayern beispielsweise wurden laut einer Kirranlayse pro erlegtem Wildschwein 100 Kilo Mais investiert. In Rheinland-Pfalz wurde in einem Hegering an 22 Kirrungen gar 780 Kilo Mais pro geschossenem Wildschwein ausgebracht. (Brennpunkt Schwarzwild. Abschlussbericht im Auftrag der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, 2014 · Kirrung - ein Beitrag zur Wildschadenproblematik? wildoekologie-heute.de, 2012)
Schützt Jagd vor Tollwut und Fuchsbandwurm?
Füchse werden in Deutschland ganzjährig bejagt und haben keine Schonzeit. Diese gnadenlose Jagd auf Füchse versuchen die Jäger gegenüber der Öffentlichkeit vor allem mit zwei Argumenten zu rechtfertigen: dem angeblichen Schutz der Bevölkerung vor Tollwut und Fuchsbandwurm.
Der Haken daran: Den letzten Tollwutfall in Deutschland gab es laut Robert-Koch-Institut (RKI) im Jahr 2006! Seit 2008 gilt Deutschland nach den internationalen Kriterien der Weltorganisation für Tiergesundheit OIE offiziell als tollwutfrei. Und: Seit Jahren weisen Forscher darauf hin, dass die Angst vor dem Fuchsbandwurm übertrieben ist. In Deutschland ist kein einziger Fall einer Infektion über Waldbeeren dokumentiert. »Dass man sich auf diese Weise mit dem Fuchsbandwurm infizieren kann, darf endgültig ins Reich der Legenden verbannt werden«, gaben Mediziner vom Uniklinikum Ulm und von der Universität Würzburg bereits 2012 Entwarnung (Magazin Welt der Wunder, 18.6.2012). Aus medizinischen Studien und Statistiken geht hervor, dass die Möglichkeit einer Infektion mit dem Fuchsbandwurm über die Nahrung - wie ungewaschene Waldfrüchte - bisher nicht belegt werden konnte. Vielmehr geht man heute davon aus, dass die größte Infektionsquelle für den Fuchsbandwurm der Kontakt mit infizierten Wildtieren ist (dies betrifft in erster Linie Jäger, die Füchse erlegen) sowie Hauskatzen, die nicht regelmäßig entwurmt werden. (Mythos Fuchsbandwurm: Wie groß ist die Infektionsgefahr? GEO, 9.8.2023)
Eine Untersuchung des Wissenschaftszentrums Weihenstephan der Technischen Universität München wies nach, dass durch das konsequente Auslegen von Entwurmungsködern die Infektionsrate mit dem Fuchsbandwurm dauerhaft auf ein Minimum gesenkt werden kann. Bei einem Projekt im Landkreis Starnberg wurde die Befallsrate der Füchse innerhalb weniger Jahre auf unter 3 Prozent gesenkt. (Pressemeldung des Wissenschaftszentrums Weihenstephan der TU München, Januar 2010)
Auch die Tollwut wurde in Deutschland nicht durch das Abschießen von Füchsen, sondern das Auslegen von Impfködern besiegt.
Nachdem sich inzwischen herumgesprochen hat, dass es in Deutschland längst keine Tollwut mehr gibt, wird der massenhafte Abschuss von Füchsen mit der vermeintlichen Bekämpfung der Räude begründet. Einer kritischen Betrachtung hält diese Sichtweise jedoch nicht stand: Die Räude ist viel seltener als vermutet und Füchse mit guter Konstitution können die Räude ausheilen. Diese Fuchsbestände sind dann resistent gegen Neuinfektionen. Außerdem stellt Räude bei Füchsen keine Gefahr für Menschen oder Haustiere dar.
Jedes Jahr werden in Deutschland rund eine halbe Million Füchse von Jägern getötet.
In Jagdzeitschriften und Jäger-Foren ist von der »Lust am Nachstellen und Erbeuten« die Rede, von der »Waidmannsfreude, einen Fuchs im Schrotschuss rollieren (sich überschlagen) zu lassen«, vom »Reiz der winterlichen Fuchsjagd«, vom »Jagdfieber« und vom »Kick«, den der Jäger beim tödlichen Schuss erlebt. Da Füchse nicht essbar und die Pelze schwer zu vermarkten sind, werden die Kadaver meist in der Tierkörperbeseitigung entsorgt. · Bild: Pelli
Was sind die wahren Gründe für die Jagd auf Füchse?
Wenn »Tollwut« und »Fuchsbandwurm« als Jägermär entlarvt sind - was sind dann die wahren Gründe für die Fuchsjagd? Hier geben die einschlägigen Jagdzeitschriften und Jäger-Foren im Internet schnell Aufschluss: Von der »Lust am Nachstellen und Erbeuten« ist dort die Rede, von der »Waidmannsfreude, einen Fuchs im Schrotschuss rollieren (sich überschlagen) zu lassen«, vom »Reiz der winterlichen Fuchsjagd«, vom »Jagdtrieb«, vom »Jagdfieber« und vom »Kick«, den der Jäger beim tödlichen Schuss erlebt.
Anders, als von Jägern behauptet, müssen Fuchspolulationen auch nicht »reguliert« werden: Unbejagte Fuchsbestände nehmen keinesfalls überhand. Wenn kein Jagddruck herrscht, beschränken komplexe Sozialstrukturen die Vermehrungsrate. Im Normalfall bringt eine Füchsin drei bis fünf Junge zur Welt. In Gebieten, in denen Füchse stark verfolgt werden oder die Sterberate durch Seuchen stark angestiegen ist, können es jedoch doppelt so viele sein. Auf diese Weise werden Verluste schnell wieder ausgeglichen.
Füchse fangen vor allem Mäuse und Wühlmäuse - zum Nutzen von Land- und Forstwirtschaftwirtschaft -, und erfüllen eine wichtige Rolle als »Gesundheitspolizei«: Sie vertilgen Aas und erbeuten kranke oder verletzte Tiere. So tragen sie zur Gesunderhaltung der Tierpopulationen bei.
(www.fuechse.info/artikel_texte/Literaturzusammenfassungen_Fuchs.pdf)
In unserem Nachbarland Luxemburg ist die Fuchsjagd seit 2015 verboten
In Luxemburg ist die Jagd auf Füchse seit 2015 verboten. Damit liefert unser Nachbarland den praktischen Beweis dafür, wie unnötig das massenhafte Töten von Füchsen ist - auch in der modernen Kulturlandschaft: Weder hat die Zahl der Füchse zugenommen noch gibt es Probleme mit Tollwut. Die Verbreitung des Fuchsbandwurms geht sogar zurück.
»Es gibt keinen Grund für ein Aufheben des Fuchsjagdverbotes«, erklärte Umweltministerin Carole Dieschbourg fünf Jahre nach der Einführung. Auf eine parlamentarische Anfrage, ob das Jagdverbot negative Folgen für die Biodiversität habe, antwortete die luxemburgische Umweltministerin: »Es gibt keine wissenschaftlichen Nachweise dafür, dass das Fuchsjagdverbot für den Rückgang gewisser Vogelarten, insbesondere Wiesen- und Bodenbrütern, verantwortlich ist.« Dass diese Bodenbrüter verschwunden sind, sei auf die Zerstörung des Lebensraumes und den damit einhergehenden Insektenverlust als Futterquelle zurückzuführen. Arten wie die Bachstelze würden dort wieder auftauchen, wo Flächen nicht gedüngt und nicht entwässert werden, so die Ministerin. Die Ursachen für den Rückgang der Biodiversität seien die Zerstörung, Verarmung und Zerschneidung von natürlichen Lebensräumen durch Einsatz von Pestiziden und Dünger, das Trockenlegen von Feuchtgebieten, das Zerstören von natürlichen Strukturen in der Landschaft sowie die intensive Bebauung. (Fuchsjagd bleibt verboten. Luxemburger Wort, 16.7.2020).
Jägerprognosen widerlegt: Weder Massenvermehrung noch Wildseuchen
Als das Fuchsjagdverbot in Luxemburg 2015 zum ersten Mal verkündet wurde, malte der Jagdverband in öffentlichen Stellungnahmen Schreckensszenarien einer Massenvermehrung der Füchse und von Wildseuchen an die Wand. Dies ist alles nicht eingetreten.
Ein Blick auf langjährig fuchsjagdfreie Gebiete zeigt, dass das Jagdverbot auch weiterhin keineswegs das ökologische Gleichgewicht aus den Angeln hebt. Ob im Schweizer Kanton Genf (jagdfrei seit 1974), jagdfreien Zonen in Nationalparks wie Berchtesgaden und Bayerischer Wald oder fuchsjagdfreien Regionen in ganz Europa: Überall dort hat weder eine Massenvermehrung von Füchsen stattgefunden noch hat die Häufigkeit von Wildseuchen zugenommen.
Wenn Jäger ihr blutiges Hobby in der Öffentlichkeit rechtfertigen, malen sie Schreckensszenarien von Waldschäden durch »Verbiss«. Ohne Jagd würden Rehe und Hirsche überhand nehmen - dies würde den Aufbau stabiler strukturreicher Waldbestände und die Verjüngung des Waldes gefährden. Doch Rehe und Hirsche tauchen in der Waldzustandserhebung der Bundesregierung überhaupt nicht auf! Als Ursache für Waldschäden werden statt dessen Luftverschmutzung, Versauerung (saure Böden) und Eutrophierung (Überdüngung) durch Stickstoff und hohe Nitratwerte - vor allem durch die industrielle Massentierhaltung mit Güllefluten - sowie die Folgen des Klimawandels (Trockenstress, steigende Temperaturen) genannt. (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2022)
Stimmt es also, dass Jäger den Wald vor Verbiss durch Rehe und Hirsche schützen müssen?
Rehe sind von ihrer Natur her Bewohner von Wiesen
und dem Waldrand. Erst die Jagd treibt die Tiere in den Wald hinein, wo sie dann keine - für sie lebenswichtigen - Gräser und Kräuter finden und ihnen nichts anderes bleibt, als an Knospen zu knabbern. Durch die Jagd werden die Tiere unnötig aufgescheucht, was ihren Nahrungsbedarf und damit die Fraßschäden oft weiter erhöht. · Bild: Archiv
Jagd provoziert Wildschäden
Die Wahrheit ist: Statt Wildschäden zu verhindern, provoziert Jagd ganz im Gegenteil Wildschäden. Rehe sind von ihrer Natur her Bewohner von Wiesen und Waldrand. Erst die Jagd treibt die Tiere in den Wald hinein, wo sie dann keine - für sie lebenswichtige - Gräser und Kräuter finden und ihnen nichts anderes bleibt, als an Knospen zu knabbern. Durch die Jagd werden die Tiere dann auch noch unnötig aufgescheucht, was ihren Nahrungsbedarf und damit die Fraßschäden oft weiter erhöht.
Der Zoologe Prof. Dr. Josef H. Reichholf stellt in aller Deutlichkeit fest, dass Jagd in der Kulturlandschaft aus ökologischen Gründen nicht sein muss. Wildschäden in der Land- und Forstwirtschaft würden weniger groß ausfallen, »wenn das Wild nicht so scheu wäre und wenn mehr Raubtiere als natürliche Feinde des Schalenwildes in Wald und Flur zugelassen würden.« Zum »Schalenwild« werden Paarhufer wie Rehe, Hirsche, Gämsen und Wildschweine gezählt. (Josef H. Reichholf: Warum Jagd? Folgen des Jagens für Menschen, Tiere, Pflanzen und Landschaften. TIERethik 2/2013)
Prof. Dr. Reichholf weist darauf hin, dass der hohe Jagddruck Flexibilität, Mobilität und Scheuheit der Rehe erhöht: »Ein anhaltend hoher Jagddruck von rund einer Million abgeschossener Rehe pro Jahr hat den Bestand nicht auf gewünschte Höhe reguliert, sondern auf hohem Niveau hoch produktiv gehalten.« Das heißt: Je mehr Rehe geschossen werden, umso stärker vermehren sie sich. (Rabenschwarze Intelligenz - Was wir von Krähen lernen können, 2009)
Jäger halten Rehbestand auf hohem Niveau
Dass die Jäger in Wirklichkeit den Rehbestand hoch halten wollen, um genug zum Schießen zu haben, beweist auch folgende Tatsache: Sobald sich in einem Revier Luchse oder Wölfe angesiedelt haben, lanciert die Jagdlobby Schlagzeilen wie »Fressen die Luchse den Harz leer?« (topargar, 20.2.2015). In der Lausitz jammern Jäger: »Das Reh- und das Schwarzwild sind stark zurückgegangen, Rotwild gibt es so gut wie keins mehr.« (Der Wolf – von Scheu keine Spur. Lausitzer Rundschau, 24.2.2017)
In Brandenburg ist seit der Rückkehr der Wölfe die Zahl der Rehe stark zurückgegangen. Dies wäre doch eigentlich gut für den Wald - das vorgebliche Ziel der Jäger, Bäume vor Verbiss zu schützen, wäre erreicht.
Doch die Jäger klagen: Der Wolf sei der größte Konkurrent für Jäger in Brandenburg. Wurden 2012/2013 73.900 Rehe erlegt - im Jagdjahr 2022/2023 belief sich die Zahl der Abschüsse auf 48.800. (Umweltministerium sieht Wolf als Grund für weniger Wild. rbb, 21.12.2023) Ein Brandenburger Jäger würde Wölfe am liebsten rigoros bejagen: »Der Wolf schnappt mir die Rehe vor der Flinte weg.« (Lausitzer Rundschau, 6.9.2021)
Das Argument, Rehe und Hirsche würden erhebliche Schäden verursachen, dient also nur als Vorwand der Jäger, längere Jagdzeiten oder höhere Abschussquoten durchzusetzen.
Aufschlussreiche Studien: Waldverjüngung durch Hirsche
Rehe und Hirsche tragen zur Verjüngung des Waldes und zur Artenvielfalt bei. Auf Wildwechseln wachsen nämlich dreißigmal mehr Baumkeimlinge. Dies ist das Ergebnis zweier Studien der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Birmensdorf hin, die beide im Nationalpark Schweiz durchgeführt wurden. Im Nationalpark Schweiz wird seit 1914 nicht mehr gejagt.
Studie 1: Artenvielfalt nimmt zu
Die erste Studie »Huftiere und Vegetation im Schweizerischen Nationalpark von 1917 bis 1997 bzw. Einfluss des Wildes auf die botanische Vielfalt der subalpinen Weiden« kommt zu folgendem Ergebnis: Obwohl seit Anfang des 20. Jahrhunderts durch das Jagdverbot im Nationalpark eine starke Zunahme der Hirschpopulation festzustellen ist, würde heute die Futtermenge im Nationalpark theoretisch sogar für das Fünf- bis Zehnfache des heutigen Wildbestands ausreichen. Auf Dauerkurzweiden, die durch Hirsche intensiv genutzt werden, haben die Pflanzenarten in den beobachteten 50 bis 80 Jahren stark zugenommen. Dagegen hat auf Weiden, die extensiv beäst wurden, die Artenvielfalt abgenommen. Trotz steigender Rothirschdichte durch das Jagdverbot wuchs eine frühere Schadensfläche zwischen 1955 und 1975 wieder vollständig zu.
Studie 2: Dreißigmal mehr Baumkeimlinge auf Wildwechseln
Die zweite Studie über die »Bedeutung von Huftieren für den Lebensraum des Nationalparks bzw. zum Nahrungsangebot und zur Waldverjüngung« zeigt, dass trotz gestiegener Hirschpopulation die Anzahl der Bäume pro 100 Quadratmeter und der dem Verbiss entwachsenen über 150 cm hohen Bäume stark zugenommen hat. Auf den aktuell benutzten Wildwechseln wurden pro Quadratmeter im Schnitt achtmal mehr Keimlinge gefunden als auf verlassenen Wechseln und rund dreißigmal mehr als außerhalb von Wildwechseln.
Die Verjüngung und die Ausbreitung des Waldes scheinen also durch die heutige Hirschdichte im Nationalpark eher gefördert als behindert zu werden. Dies bestätigen auch Vergleiche mit alten Luftbildern und Langzeituntersuchungen auf Dauerbeobachtungsflächen. Diese zeigen, dass der Wald trotz der relativ hohen Hirschdichte während der letzten Jahrzehnte an verschiedenen Stellen sogar erfolgreich auf die ehemaligen Weiden hinaus vorgedrungen ist. (Dr. Hans Hertel, Über Sinn und Unsinn des Jagens. The Journal of Natural Science 5/2000)
Hirsche pflanzen Bäume:
Auf Wildwechseln wachsen dreißigmal mehr Baumkeimlinge. Außerdem nimmt auf subalpinen Wiesen, die regelmäßig von Hirschen beweidet werden, die Artenvielfalt stark zu. · Bild Hirsche: wojciech nowak · Shutterstock.com
Prof. Josef H. Reichholf zur aktuellen Debatte über den Waldumbau: »Mehr Rehe zu schießen rettet weder Wald noch Klima«
Immer wieder flammt die Debatte über den Umbau des Waldes und die Forderung nach einer noch stärkeren Bejagung von Rehen auf. Doch ist es die Lösung, noch mehr Rehe zu schießen? Der renommierte Zoologe und Ökologe Prof. Josef H. Reichholf sagt nein: So werden sich weder der Wald noch das Klima retten lassen.
Von Josef H. Reichholf
Der Waldumbau ist notwendig. Weil die Wälder klimastabil werden müssen. Doch Rehe verbeißen die jungen Bäume. Sie verhindern die Waldwende. Also müssen noch mehr geschossen werden als bisher. Bis neue Wälder von selbst aufwachsen. Der Bund Naturschutz in Bayern, der Ökologische Jagdverband und Waldbesitzer forderten dies unlängst in einer Pressemitteilung.
Das Ansinnen klingt nachvollziehbar. Bei genauerer Betrachtung ist es dies aber nicht. Denn der Rehbestand wird schon seit Jahrzehnten sehr intensiv bejagt. Tendenz steigend, den Jagdstrecken zufolge. Der Naturverjüngung in den Wäldern half dies anscheinend nicht. Warum? Ein kurzer Blick auf das Reh selbst und seine Lebensweise hilft weiter.
Das Reh ist seiner Natur nach kein Waldtier. Die Kitze setzt es bekanntlich nicht im schützenden Waldesdickicht, sondern draußen auf den Fluren, am liebsten in Wiesen. Leider, denn dort werden sie allzu leicht von Mähmaschinen verstümmelt. Davor, im Frühjahr, sehen wir Rehe auf den Feldern. Ganz offen. Wenn sie nicht oder wenig bejagt werden, würden sie sich auch die übrige Zeit des Jahres frei auf den Fluren aufhalten. Ab Herbst in Gruppen, die von den Jägern »Sprünge« genannt werden.
Doch abgesehen vom Frühjahr machen sich die Rehe nahezu unsichtbar. Sie warten bis in die Nacht hinein, bis sie sich hinauswagen auf die Fluren. Denn die starke Bejagung hat das Rehwild scheu gemacht, sehr scheu. Nur die vorsichtigsten Rehe überleben. An ihrem Verhalten orientieren sich die Jungrehe. Ergebnis: Die Rehe wurden geradezu hineingedrängt in die Wälder. Einen großen Teil ihrer täglichen Nahrung müssen sie darin aufnehmen. Dabei verbeißen sie auch die Knospen junger Bäume. Bevorzugt sogar, denn diese enthalten die vom Reh benötigten Nährstoffe in günstiger Konzentration. Rehe sind wählerisch. Sie müssen dies sein bei ihrem schlanken Körperbau und kleinem Magen.
Fressen sie junge, eiweißreiche Triebe von Gräsern draußen auf der Flur, verursacht dies keinen Schaden. Denn Gräser wachsen »von unten«, nicht von oben, von den Spitzen, wie die Bäume. Deren Wachstum geht von den Knospen aus. Die Landwirte kennen dies. Sie praktizieren es seit jeher: Gras lässt sich mähen, häufig sogar. Jungwuchs von Bäumen nicht.
Rehe sind von ihrer Natur her Bewohner von Wiesen und dem Waldrand.
Die Jagd treibt die Tiere in den Wald hinein, wo sie dann keine - für sie lebenswichtigen - Gräser und Kräuter finden und ihnen nichts anderes bleibt, als an Knospen zu knabbern. Durch die Jagd werden die Tiere unnötig aufgescheucht, was ihren Nahrungsbedarf und damit die Fraßschäden weiter erhöht. · Bild: WildMedia · Shutterstock.com
Daher ist die Flur der weitaus geeignetere Lebensraum für Rehe als der Wald. Mehr Bejagung zwingt sie aber noch mehr in den Wald - und vergrößert damit die Verbissschäden. Der Rehbestand in Deutschland ist sehr groß und produktiv. Der Abschuss schöpft kaum den jährlichen Zuwachs ab, trotz größter Bemühungen. Weil die Scheu die Rehe immer schwerer bejagbar macht.
Den Rehen geht es nämlich an sich gut in der Kulturlandschaft. Die allgemein starke Düngung hat die Pflanzen, von denen sie leben, nahrhafter gemacht. Das äußert sich in der Häufigkeit von Zwillingsgeburten. Die starke Bejagung hält den Rehbestand auf hohem Niveau. Sie führte in eine Sackgasse, aus der man nicht herauskommt, wenn noch tiefer hinein gefahren wird.
Im Gegenteil. Der Verbiss steigt weiter, bis die Rehe fast ausgerottet sind. Weil die ihnen aufgezwungene Scheu verhindert, dass sie ihrer Natur gemäß weitgehend im Freien leben. Dürften sie dies, käme das nicht nur der Naturverjüngung im Wald ganz von selbst zugute, sondern die Häufigkeit der Wildunfälle würde abnehmen. Rehe, die nicht bei Nacht und Nebel über Straßen müssen, geraten auch nicht unter die Räder. Sie können lernen, sich auf den Straßenverkehr einzustellen. Was ja wohl nicht verkehrt wäre. Denn die für die allermeisten Rehe tödlichen, an den Autos aber »nur Blechschäden« verursachenden Kollisionen sind mit sehr hohen Kosten verbunden. Ohne Personenschäden an den Autos jeweils mehrere tausend Euro. Und dies bei rund 200.000 Rehunfällen pro Jahr. Also alljährlich Schäden im mehrstelligen Millionenbereich.
Ein weiterer Vorteil käme hinzu: Die Rehe würden wieder sichtbar. Wären sie nicht so scheu, ließe sich viel leichter feststellen, wie groß die Bestände tatsächlich sind. Und wie verteilt. Der Verbiss ist dafür kein guter Weiser. Er ist rein auf den Waldbau bezogen. Manche Baumarten würden in den betreffenden Wäldern nicht aufkommen, weil sie von Natur aus gar nicht vorkämen. Wie Douglasien, die im Staatsforst gepflanzt werden, oder Fichten im Auwald an der Alz, im Naturschutzgebiet mit mehr oder weniger regelmäßigen Überschwemmungen.
Anzumerken ist auch, dass die seit Jahren so intensive Bewirtschaftung des Staatsforstes die Massenausbreitung der Drüsigen Springkräuter fördert, die ein Aufwachsen von Naturverjüngung der gewünschten Waldbäume verhindern. Die Rehe sind daran gewiss nicht schuld. Und auch nicht, dass früher Fichten großflächig gepflanzt worden waren, wo von Natur aus Buchen vorkommen würden oder Laubmischwald.
Die Fehler der Forstwirtschaft sind den Rehen nicht anzulasten. Auch nicht der Gesellschaft, die dafür wieder einmal zahlen soll. Die Menschen, viele Menschen, würden bei uns gern auch mal Rehe erleben, die nicht in wilder Panik davon stürmen oder nachts eine gefährliche Vollbremsung auslösen. Mit weiter verstärktem Rehabschuss werden sich weder der Wald noch das Klima retten lassen.
Dieser Artikel ist als Gastbeitrag von Josef H. Reichholf am 3.9.2020 in der Passauer Neuen Presse erschienen.
»Jagdstrecke« mit erschossenen Enten und Fasanen.
Jäger erschießen jedes Jahr über eine Million Vögeln wie Tauben, Wildenten, Wildgänse, Krähen, Fasane, Rebhühner und Waldschnepfen. Dadurch zeigen alle Vögel in der freien Natur - auch die geschützten - große Scheu vor Menschen. · Bild: melnikofd - Shutterstock.com
Durch die Jagd sind Vögel in der freien Natur ständig auf der Flucht vor Menschen
Während sich die Enten und Gänse in der Stadt auf den Gewässern ohne große Scheu vor dem Menschen beobachten lassen und ihnen zum Brüten oder Mausern eine Insel im Teich oder ein nicht direkt zugängliches Ufer reicht, zeigen sie in der »freien Natur« große Fluchtdistanzen.
»Dass die Wasservögel so empfindlich auf Störungen reagieren, liegt an der Bejagung. Sie macht nicht nur die betroffenen Arten scheu, sondern auch jene, die eigentlich geschützt sind. Diese können nicht wissen, wem die Schüsse gelten, die die Panik auslösen«, erklärt der Zoologe und Vogelforscher Prof. Dr. Josef H. Reichholf.
»Die von der Jagd erzwungene Scheu ist das Hauptproblem für fast alle größeren und großen Vögel«, so der Ornithologe. Und er weist daraufhin, dass sich während der Jagdsaison die Verhältnisse bei uns zwar graduell, aber nicht grundsätzlich von denen rund ums Mittelmeer unterscheiden würden, »wo der Krieg ausgebrochen scheint, wenn die Jäger bei der herbstlichen Vogeljagd loslegen - und sehr viel von unserem Vogelschutz zunichte machen. Wohl der Ente, die im Burgfrieden der Städte geblieben ist. Wenige Kilometer außerhalb kann sie tödlicher Bleischrot treffen.«
Dabei ist die Jagd in unserer Zeit nur noch ein reines Vergnügen der Jäger: »Eine Notwendigkeit ist sie nicht. Denn wo Vögel wirtschaftliche Schäden verursachen, etwa Stare in Weingärten, leistet die Jagd nichts zur ‚Regulierung’.« (Josef H. Reichholf: Ornis - Das Leben der Vögel. Verlag C.H. Beck, 2014. S. 77-79) Durch das ständige Auf-der-Flucht-sein verbrauchen Vögel große Mengen an Energie und Kraftreserven, die ihnen bei der Jungenaufzucht, beim Vogelzug und im Winter fehlen. Weil dadurch Wildgänse auf viel mehr Futter angewiesen sind, erhöhen sich die Fraßschäden auf den Feldern.
Deutschland: Gefährliches Land für Zugvögel
Die Bestände vieler Vogelarten nehmen rapide ab. Besonders stark betroffen sind Zugvögel, die über tausende Kilometer zwischen den Brutgebieten und ihren Überwinterungsgebieten hin und her ziehen. Ein britisches Forscherteam hat untersucht, was für Zugvögel besonders gefährlich ist. Demnach ist der Druck für Vogel-Populationen am größten, die mehreren Bedrohungen gleichzeitig ausgesetzt sind: immer weniger natürliche Lebensräume, Schädigung der verbleibenden Lebensräume aufgrund von industrieller Landwirtschaft und gleichzeitig ein hohes Maß an Jagd. Deutschland gehört laut der Studie zu den Ländern, die für Zugvögel am gefährlichsten sind. (Vogelzug: Deutschland gehört zu den gefährlichsten Ländern für Zugvögel überhaupt. RiffReporter, 29.6.2022)
In Deutschland sind - im Unterschied zu anderen EU-Ländern - nicht nur zahlreiche Vogelarten wie Wildtauben, Krähen, Fasane, Rebhühner und Waldschnepfen durch die Jagdgesetze zur Jagd freigegeben, sondern zum Teil ganze Vogelfamilien: Enten, Gänse und Möwen. (Komitee gegen den Vogelmord: Gesetzeslage in Deutschland. www.komitee.de/de/projekte/deutschland/gesetzeslage-in-deutschland/)
Jedes Jahr werden in Deutschland durch die Jagd bis zu zwei Millionen Wildvögel getötet. Hinzu kommen etwa 300.000 Wasservögel, die nur angeschossen wurden - und dann durch die Verletzungen oder durch eine Bleivergiftung aufgrund von Bleischrot-Munition einen qualvollen Tod sterben. Wenn Jäger in die Gänseschwärme schießen, werden auch immer wieder streng geschützte Arten getroffen.
Bleimunition tötet streng geschützte Greifvögel - 135 Millionen Vögel in Europa von Bleivergiftung bedroht
Greifvögel wie Seeadler, Falken, Habichte oder Milane zählen zu den streng geschützten Arten. Doch wegen Bleimunition bei der Jagd sind bei zehn Greifvogelarten rund 55.000 erwachsene Vögel in Europa verschwunden. Eine Studie der Universität Cambridge und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin zeigt, dass die Zahl der Seeadler um 14 % kleiner ist, als sie es sein könnte. Die Zahl der Steinadler ist um 13 %, die Zahl der Gänsegeier um 12 % und die Zahl der Habichte um 6 % kleiner.
Doch es betrifft nicht nur Greifvögel: Nach Schätzungen der Europäischen Chemikalienagentur ECHA sind 135 Millionen Vögel von Bleivergiftung bedroht. Bleivergiftung kann zu einem langsamen und schmerzhaften Tod der Vögel führen.
Mehr als 14.000 Tonnen Blei gelangen in der EU jährlich durch bleihaltige Jagdmunition in die Umwelt. Greifvögel nehmen das hochgiftige Schwermetall auf, wenn sie Bleischrot verschlucken, mit Bleischrot angeschossen werden oder Tiere essen, auf die mit Blei geschossen wurde.
Green RE, Pain DJ, Krone O: The impact of lead poisoning from ammunition sources on raptor populations in Europe. Science of the Total Environment, 2022.
New research shows that birds of prey populations across Europe are suppressed by lead poisoning from hunting ammunition. Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V., 16.3.2022
Bleihaltige Munition gefährdet Greifvögel in Europa. GEO, 28.3.2022
Jagd zum Vergnügen
In Deutschland gibt es aufgrund industrieller Landwirtschaft und Jagd kaum noch Fasane und Rebhühner. Deswegen sind Jagdreisen in Länder wie Tschechien, Ungarn, Rumänien und der Slowakei beliebt. Geworben wird mit »hohen Strecken« mit »Hunderten von Fasanen an einem Tag«.
Und da spielt es auch keine Rolle, dass viele der Fasane und Rebhühner in Zuchtstationen ausgebrütet, in Volieren von Hand aufgezogen und erst kurz vor der Jagd kistenweise ausgesetzt wurden. Es zählt das »Jagdvergnügen«.
Übrigens: Auch in Deutschland und Österreich werden Fasane aus Zuchtanlagen von Jägern im Sommer zu Hunderten ausgesetzt und bei Gesellschaftsjagden im Herbst geschossen...
Wissenschaftler: Ohne Jagd finden Natur und Tiere ins Gleichgewicht
Immer mehr Biologen, Zoologen und Ökologen gelangen zu der wissenschaftlich untermauerten Ansicht, dass Jagd Wildtierbestände nicht regulieren kann. Wildtiere verfügen von Natur aus über verschiedene Mechanismen zur Regulierung des Populationswachstums, welche über die Sozialstrukturen, Hormone und Pheromone sowie das Futterangebot gesteuert werden: Droht Überbevölkerung, wird die Geburtenrate gesenkt.
Ständige Bejagung dagegen führt dazu, dass sich bestimmte Tierarten wie Wildschweine, Rehe, Hirsche und Füchse viel stärker vermehren, um Verluste auszugleichen. Hinzu kommt, dass die Vermehrung von Jägern durch Fütterung besonders gefördert wird. Dagegen werden andere Arten wie Feldhasen und Rebhühner durch Bejagung immer seltener.
Jagdfreie Gebiete beweisen: Tierbestände nehmen nicht überhand
Der Schweizerische Nationalpark ist seit 1914 vollständig jagdfrei und wird von Anfang an intensiv mit wissenschaftlicher Forschung begleitet. Im dichtbesiedelten Schweizer Kanton Genf wurde die Jagd seit 1974 per Volksentscheid verboten. Die Forschungen in beiden Gebieten beweisen, dass weder in von Menschen nicht bewirtschafteten Naturparks noch in der dichtbesiedelten Kulturlandschaft eine Kontrolle der Bestände durch die Jagd notwendig ist - auch ohne große Raubtiere.
Dass eine Natur ohne Jagd möglich ist, zeigen ebenso die ausgedehnten Nationalparks in Italien, die alle seit Jahrzehnten jagdfrei sind, beispielsweise der »Gran Paradiso« (seit 1922 jagdfrei) oder der Nationalpark Belluno in den Dolomiten (seit 1990 jagdfrei). Auch im Nationalpark Pyrenäen, der im Jahr 1967 an der französisch-spanischen Grenze gegründet wurde, ist auf der gesamten Fläche von 45.700 Hektar die Jagd untersagt, alle Tiere sind streng geschützt. Ebenso ist beispielsweise auf der griechischen Insel Tilos die Jagd seit 1993 verboten. Überall zeigen die Erfahrungen, dass die Tierbestände natürlichen Schwankungen unterliegen und nie überhand nehmen.
»Nationalpark-Effekt«: Ohne Jagd wären frei lebende Tiere für Menschen erlebbar
Und noch etwas ist in unbejagten Gebieten zu beobachten: Die Tiere zeigen keinerlei Scheu vor Menschen und lassen sich am hellichten Tag aus wenig Entfernung beobachten.
In Deutschland nimmt hingegen jeder Hase, jedes Reh, jedes Wildschwein panisch Reißaus, wenn es einen Menschen in einer Entfernung von Hunderten Metern sieht oder wittert. Die Tiere wissen: Mensch gleich Jäger gleich Feind.
»Jagd reguliert nicht«
Der renommierte Zoologe und Ökologe Prof. Dr. Josef H. Reichholf, der an beiden Münchner Universitäten lehrte und Leiter der Abteilung Wirbeltiere der Zoologischen Staatssammlung München war, stellt fest: »Jagd reguliert nicht. Sie schafft überhöhte und unterdrückte Bestände.« (Vortrag Prof. Dr. Reichholf am 15.10.2013 an der Uni Basel www.jagdreguliertnicht.ch)
Jagd bringt freilebende Tiere nicht in ein »Gleichgewicht«. Durch die Jagd werden nur die Bestände von Tierarten wie Feldhasen und Rebhühnern reduziert, die gefährdet oder stark gefährdet sind. Obwohl Jäger intensiv Jagd auf Füchse machen, um angeblich »Artenschutz« zu betreiben und Feldhasen und Wiesenbrüter zu schützen, werden die Bestände von Feldhasen und Rebhühnern durch die Jagd nicht einmal stabilisiert: Die von Jägern »gehegten« Arten wie Rebhuhn oder Feldhase nehmen seit Jahrzehnten kontinuierlich im Bestand ab.
Andere Wildtierarten wie Rehe, Hirsche, Füchse, Wildschweine und Waschbären gleichen Verluste durch die Jagd durch hohe Geburtenraten aus. So werden im fuchsjagdfreien Nationalpark Bayerischer Wald pro Füchsin nur etwa ein Drittel so viele Welpen geboren wie in intensiv bejagten Gebieten. Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass durch die Jagd letztlich nur das Durchschnittsalter der jeweiligen Population gesenkt wird. (Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald, 2009: Rotfuchs und Dachs - Raumnutzungsverhalten und Habitatwahl)
Durch die Jagd gibt es also mehr Jungtiere, die auf der Suche nach Revieren weitere Strecken zurücklegen. Zusätzlich werden Leittiere erschossen, wodurch sich natürliche Sozialstrukturen auflösen und es ständig zu Wechseln in den Revieren kommt. So trägt die Jagd dazu bei, dass sich Krankheiten wie Räude oder Staupe oder der Befall mit dem Fuchsbandwurm sogar stärker ausbreiten. Und selbst bei der Afrikanischen Schweinepest ist die intensive Jagd laut Friedrich-Loeffler-Institut teilweise Mitverursacher des hohen Infektionsgeschehens. (Friedrich-Loeffler-Institut, RadarBulletin 12/2020 oder 07/2021)
In unbejagten Gebieten wird die Zahl der Tiere durch die gewachsenen Sozialstrukturen (nur Leittiere bzw. Tiere mit eigenem Revier pflanzen sich fort) sowie natürliche Faktoren wie Nahrungsangebot und Wetterereignisse reguliert - auch ohne große Beutegreifer wie Wölfe, Bären oder Luchse.
So zeigte die Zahl von Rehen, Hirschen und Wildschweinen in den Wolfsgebieten der sächsischen Lausitz fast die gleichen Schwankungen und Trends wie diejenige in Regionen Sachsens ohne Wölfe. Schwankungen kamen stattdessen vor allem durch harte oder milde Winter zustande. (Forschungsprojekt der TU Dresden: Schalenwildforschung im Wolfsgebiet der Oberlausitz. / Freistaat Sachsen: Streckenentwicklung www.wolf.sachsen.de/streckenentwicklung-4457.html)
Ein französische Langzeitstudie zeigt: Wenn hoher Jagddruck herrscht, ist die Fruchtbarkeit bei Wildschweinen wesentlich höher als in Gebieten, in denen kaum gejagt wird.
Weiterhin tritt bei intensiver Bejagung die Geschlechtsreife deutlich früher vor Ende des ersten Lebensjahres ein, so dass bereits Frischlingsbachen trächtig werden. In Gebieten, in denen wenig Jäger unterwegs sind, ist die Vermehrung der Wildschweine deutlich geringer, die Geschlechtsreife bei den Bachen tritt später und erst bei einem höheren Durchschnittsgewicht ein. (Servanty et alii: Pulsed resources and climate-induced variation in the reproductive traits of wild boar under high hunting pressure. Journal of Animal Ecology, 2009) · Bild: Martina Berg - Shutterstock.com
Ohne Jagd könnten sich bedrohte Arten wieder erholen
Seltenere Arten wie Feldhasen und Rebhühner würden ohne Jagd wieder zunehmen. Der jagdfreie Kanton Genf hat heute die größte Populationsdichte von Feldhasen und die letzte Rebhuhn-Population in der Schweiz. Und: Durch die Abschaffung der Jagd bekam das Gebiet des Genfer Sees und des Flusses Rhône einer Studie von SVS-BirdLife zufolge internationale Bedeutung für den Vogelschutz als wichtiges Brut- und Überwinterungsgebiet. (Gottlieb Dandliker, Faunainspektor Kanton Genf: »Jagdverbot: wissenschaftlich möglich und praktisch bewiesen«, Vortrag 15.10.2013 an der Uni Basel / Important Bird Areas factsheet: River Rhone: Geneva to Verbois reservoir. BirdLife International, 2012)
Der italienische Zoologe Prof. Carlo Consiglio hatte bereits im Jahr 2001 in seiner viel beachteten Publikation »Vom Widersinn der Jagd« auf 300 Seiten mit vielen Tabellen, Schaubildern und Studienergebnissen nachgewiesen, dass es nicht die geringste wissenschaftliche Rechtfertigung für die Jagd gibt. (Carlo Consiglio: Vom Widersinn der Jagd. Zweitausendundeins, 2001)
»Die Jagd ist überflüssig. Wenn man sie einstellt, regulieren sich die Bestände von allein«
Ragnar Kinzelbach, Professor emeritus für Biologie und Ökologie an der Universität Rostock und bis 2011 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie ist überzeugt: »Die Jagd ist überflüssig. Wenn man sie einstellt, regulieren sich die Bestände von allein.« Rehe, früher tagaktive Tiere, seien nur durch die Jagd zu scheuen, nachtaktiven Waldbewohnern geworden. »Wenn man die Rehe nicht jagen würde, würden sie sich auch nicht so sehr im Wald aufhalten und dort alles anknabbern«, so der Biologe. Außerdem sei die massive Fütterung durch Jäger ein Problem: »Die Jäger mästen in unseren Wäldern gigantische Rot- und Rehwildbestände heran, nur um sie anschließend abschießen zu können«, so Kinzelbach. Und er kommt zu dem Schluss: »Letztlich dient die Jagd nur dem Spaß und der Befriedigung der Mordlust der Jäger«. (Streit um die Jagd -»Befriedigung der Mordlust«. Süddeutsche Zeitung, 17.5.2010)
»Die Jagd ist überflüssig. Wenn man sie einstellt,
regulieren sich die Bestände von allein.«, ist der Zoologe Ragnar Kinzelbach von der Universität Rostock überzeugt. Rehe, früher tagaktive Tiere, seien nur durch die Jagd zu scheuen, nachtaktiven Waldbewohnern geworden. »Wenn man die Rehe nicht jagen würde, würden sie sich auch nicht so sehr im Wald aufhalten und dort alles anknabbern.« · Bild: johan10 - Shutterstock.com