Warum jagen Jäger wirklich?
- »Die neue Lust am Jagen«
- »Beute machen« und »Hohe Strecken«
- Freude am »Beute machen«
- "Warum jagen wir?" - Antworten einer Jagdredakteurin: »Warum brauchen wir eigentlich für alles - auch für die Jagd - eine hieb- und stichfeste Begründung?«
- Darf Jagd Spaß machen?
- Von der Lust am Töten
- Ein Jäger bekennt: »Auf die Jagd gehen wir, weil sie uns Genuss und Lust bereitet«
- Von der Lust am Töten
- Landesjägermeister ruft Jäger auf, sich zur »Jagdleidenschaft« zu bekennen
- Ein Psychoanalytiker und Jäger bekennt: »Jagd eröffnet einen Freiraum für Verbrechen bis zum Mord und für sexuelle Lust«
- Ortega y Gasset: »Blut hat eine orgiastische Kraft...«
- »Kick« beim Töten: Dissertation eines Jägers
- Warum also jagen Jäger?
»Die neue Lust am Jagen«
Unter der Überschrift »Die neue Lust am Jagen« spricht der bekennende Jäger und Journalist Eckard Fuhr im SWR über seine eigenen Beweggründe sowie den Sinn und Zweck der Jagd. Zunächst kommt das übliche Jägerlatein: Jäger Fuhr behauptet in der SWR-Sendung, er würde auf die Jagd gehen, weil er den Wäldern etwas Gutes tun wolle, damit sich diese den veränderten Bedingungen des Klimawandels anpassen können. »Jagd«, so sagt er, sei ein »intensiverer Austausch mit unserer Umwelt«, als wenn man nur im Wald spazieren gehen oder joggen würde. Für ihn »als Journalisten« würden sich »Möglichkeiten ergeben«, über Fragen wie »unsere Landnutzung« oder »Naturschutz« zu »reflektieren«. Warum man allerdings frei lebende Tiere tot schießen muss, um über »Landnutzung« oder »Naturschutz« zu »reflektieren«, verrät der Hobbyjäger nicht. (Eckhard Fuhr: Die neue Lust am Jagen. SWR, 29.10.2023)
Im ZEIT-Magazin dagegen legt der Journalist und Hobby-Jäger seine wahre Motivation offen: »Wenn es mir nur um Erholung in der Natur ginge, würde ich Golf spielen. Aber Golf ist für mich so ziemlich das Unsinnigste, was es gibt. Jagen dagegen ist Sinn schlechthin. Jagen ist keine Neben-, sondern eine Hauptsache. Ich jage, also bin ich.«
Die Frage, warum er jage, beantwortet Eckard Fuhr so: »Und natürlich, ich gebe es zu, Jagd ist aufregend. Ein wild lebendes Tier zu erbeuten ist etwas anderes, als eine alte Henne mit dem Hackebeil in ein Suppenhuhn zu verwandeln. Auch nach vielen Jahren habe ich mit dem Jagdfieber zu kämpfen. Pulsfrequenz und Adrenalinspiegel steigen, wenn sich jagdbares Wild zeigt. Das Schießen verlangt Selbstbeherrschung. Wenn das tote Reh dann gefunden ist, stellt sich ein unvergleichliches Gefühl innerer Zufriedenheit ein. Doch, vergleichbar ist es: Nach erfolgreicher Jagd fühlt man sich wie nach gutem Sex oder nach dem Schreiben eines Textes, den man für gelungen hält.« (Eckard Fuhr: Jagd - Hat der einen Schuss? ZEIT Magazin 48/2010)
»Beute machen« und »Hohe Strecken«
Unter der Überschrift »Treibjagd: Nachhaltig Niederwild bejagen - so klappt´s« schreibt Paul Rößler, »Niederwild- und Raubwildjäger« (er jagt also Wildtiere wie Feldhasen, Fasane, Rebhühner und Füchse) in der Online-Ausgabe der Jagdzeitschrift »Pirsch«: »Mit dem Herbst kommt traditionell die Erntezeit im gut gehegten Niederwildrevier«. Er gibt ohne Umschweife zu: »Die Motivation mag bei jedem dieser Jäger unterschiedlich sein, am Ende geht es aber um die Freude an der Niederwildjagd.« Es geht ums »Beute machen«: »Nachhaltig hohe Strecken sind dabei, wenn man mal ehrlich ist, das Ziel eines jeden Revierinhabers mit Passion.«
Auch wenn in Zeiten moralischer Überheblichkeit es nicht mehr »in« sei, zuzugeben, dass man etwas aus Eigennutz tue, so sei die Jagd für die meisten eine Freizeitbeschäftigung, an der sie Freude haben wollen. »Diese Ehrlichkeit fehlt der Jägerschaft aber gerade in der politischen Diskussion. Aus Angst vor der moralischen Überheblichkeit der Gesellschaft versuchen wir uns zu rechtfertigen und schwafeln von Artenschutz.«
Jäger Rößler bringt jährlich Hunderte von Füchsen in seinem »Niederwild-Testrevier« zur Strecke: »Jede Stunde, die man nachts auf Raubwild gesessen hat, die tägliche Betreuung der Fallen, die Pflege der Hecken und dergleichen wird im Herbst bei der Jagd belohnt« - mit einer hohen Strecke von Feldhasen, Rebhühnern und Fasanen. (Paul Rößler: Treibjagd: Nachhaltig Niederwild bejagen – so klappt´s. pirsch.de, 28.10.2023)
Freude am »Beute machen«
Die Jägerin Dorothea Berger stellt auf ihrer Internetseite waidwundern.de verschiedene »objektive« Gründe für ihr Hobby, die Jagd, vor: »Die Jagd ist eine gesetzliche Aufgabe«. Und: »Die Land- und Forstwirtschaft ist auf die Jagd angewiesen«. Doch dann schreibt sie über ihre persönlichen Gründe für die Jagd: »Aber, mal ehrlich, es geht niemand auf die Jagd, nur weil er sich in der Pflicht sieht, eine gesellschaftliche Aufgabe zu erfüllen.« Und der wichtigste Grund ist: »Man hat Freude daran, Beute zu machen. Nicht unumstritten, das weiß ich. Aber es ist tatsächlich so, dass es einen mit Stolz und Freude erfüllt, wenn sich Geduld und Arbeit endlich auszahlt und man mit einem sauberen Schuss ein Stück Wild erlegen konnte.« (Dorothea Berger: Warum jagen Jäger? waidwundern.de/warum-jagen-jaeger)
"Warum jagen wir?" - Antworten einer Jagdredakteurin: »Warum brauchen wir eigentlich für alles - auch für die Jagd - eine hieb- und stichfeste Begründung?«
Die Frage »Warum jagen wir?« beantwortet die Jagdredakteurin Silke Böhm im Editorial einer Jägerzeitschrift wie folgt:
»Warum brauchen wir eigentlich für alles - auch für die Jagd - eine hieb- und stichfeste Begründung? Warum kann man sich nicht einfach fallen lassen? Nur einmal machen, was einem gut tut. Ohne Steuerung, ohne Erklärung, einfach auf Gefühle, Intuition und Instinkte verlassen?«
Die Jägerin erklärt, sie könne die vielen Emotionen, die sie beim Jagen empfinde, nicht in Worte fassen. »Einige beschreiben die Jagd als Kick, andere sprechen von großer innerer Zufriedenheit. Die Gefühle bei der Jagd sind ebenso subjektiv wie in der Liebe. Warum genießen wir sie nicht einfach, ohne sie ständig rechtfertigen zu wollen?«
Rationale Gründe, mit denen Jäger rechtfertigen, dass die Jagd notwendig sei, sind offenbar nur Ausreden. Jedenfalls schreibt die Jägerin: »Der Tod, der mit dem Beutemachen verbunden ist, ist verpönt. Deswegen suchen die Jäger Begründungen in Begriffen wie Nachhaltigkeit, Hege und Naturschutz. Die Lust am Jagen wird gern in der Öffentlichkeit in den Hintergrund gedrängt. Weshalb die Freude leugnen, die uns so gut tut und die uns zu dem macht, was wir sind - Menschen.« (Silke Böhm, Editorial Wild und Hund 22/2012)
Darf Jagd Spaß machen?
Darf Jagd Spaß machen? Diese Frage wurde den Jägern Ralf Bonnekessen und Rouven Kreienmeier im »Jagd und Hund«-Podcast vom 24. Januar 2024 gestellt. Ralf Bonnekessen ist in Jägerkreisen bekannt für seine Jagdfilme und Reportagen, Rouven Kreienmeier produziert ebenfalls Jagdfilme für »Hunt on Demand«. Was sagen also diese Jäger dazu? Darf Jagd Spaß machen? Beide sehen die Jagd als einen Prozess, in dem sich am Ende Erfolg und damit Freude einstellt. Sie sprechen aber auch davon, dass die Jagd ehrlicher werden muss.
»Es ist ganz, ganz wichtig, dass wir dazu stehen, dass wir in den Wald gehen, um zu töten. Wir müssen schon dazu stehen, dass es unser Ziel ist, Beute zu machen. Wenn mein Ziel nicht ist, Beute zu machen, dann gehe ich nicht jagen, sondern dann gehe ich Hochsitze bauen oder Hunde ausbilden oder sonst was. Das primäre Ziel ist Beute machen. Ich finde, wir dürfen die Leute (die nicht-jagende Bevölkerung) nicht verarschen. Man muss halt dazu stehen, man muss sagen: Ja, Jagen macht mir Spaß. Das Wild, was da vor mir liegt, hinterlässt bei uns Jägern ein wohliges Gefühl, weil wir an das letzte Jagderlebnis denken. Aber wenn man es erst einmal erlebt hat, wird man feststellen, dass man nie so bei sich war, wie in diesem Moment. Dieses Gefühl zu erleben, gönne ich eigentlich jedem. Jagd erdet so sehr und man lernt dabei auch über sich viel Neues. Auch wenn man nicht erfolgreich gejagt hat, lernt man das Leben kennen, das Urmenschliche in sich drinnen, den Instinkt. Das ist einfach faszinierend.« (Ralf Bonnekessen/Rouven Kreienmeier, »Jagd und Hund«-Podcast, 24.1.2024)
Von der Lust am Töten
Unter dem Titel »Neue Gedanken zur Lust an der Lust zwischen Erleben und Erlegen« spricht Prof. Dr. Gerd Rohmann von der »Lust zum Beutemachen...« und vom »Kick« (erlebt im Akt des Erlegens und Tötens):
»Denn darin, dass wir das Naturding Wild töten und dabei einen exorbitanten Lusteffekt erleben, erweist es sich empirisch, dass wir etwas ganz Besonderes in unserem Inneren erfahren... Mit der Jagd ist es ähnlich wie mit der Liebe: Das erotische Erleben liegt auf dem Weg zum Höhepunkt. Das Ziel liegt nämlich nicht im schnellen Schuss, sondern im Erstreben und Erleben eines gemeinsam erreichten anhaltenden Höhepunktes...« Den emotionalen Höhepunkt seiner Jagd, den »Kick«, erlebe der Jäger immer dann, wenn er den todbringenden Schuss auslöse. (Gerd Rohmann: Neue Gedanken zur Lust an der Lust zwischen Erleben und Erlegen. Vortrag bei der Jahrestagung 2004 Forum Lebendige Jagdkultur e.V.)
Dass ein Jäger tötet, um einen emotionalen »Kick« zu erleben, mag erschreckend sein. Die Vorstellung allerdings, dass ein Tier einen tödlich verletzenden Schuss als »gemeinsam erreichten anhaltenden Höhepunkt« mit dem Jäger erlebt, ist psychologisch mehr als bedenklich.
Der Vergleich von Jagd und Sex hinkt erheblich. Sex erfolgt im Allgemeinen im gegenseitigen Einverständnis der Beteiligten. Andernfalls ist es eine Vergewaltigung und damit strafbar.
»Der Jäger liebt die Natur wie der Vergewaltiger sein Opfer«, so brachte es Karin Hutter bereits 1988 in ihrem Buch »Ein Reh hat Augen wie ein sechzehnjähriges Mädchen« auf den Punkt. (Karin Hutter: Ein Reh hat Augen wie ein sechzehnjähriges Mädchen.
Ein Jäger bekennt: »Auf die Jagd gehen wir, weil sie uns Genuss und Lust bereitet«
Der Jäger und Rechtsanwalt Dr. Florian Asche räumt in seinem Buch »Jagen, Sex und Tiere essen: Die Lust am Archaischen« mit den gängigen Begründungen für die Jagd auf: Jäger als Ersatz für Großraubwild, Jäger als Bekämpfer von Wildschäden und Seuchen, Jäger als Naturschützer und Biotop-Pfleger, Waidgerechtigkeit... Ein Jäger, der diese Gründe für die Jagd anführe, würde lügen. Und er gibt offen zu:
»Wir jagen nicht, um das ökologische Gleichgewicht herzustellen. Zumindest ist das nicht das auslösende Motiv unserer Anstrengungen. Es ist nur eine Rechtfertigung für unsere Triebe und Wünsche, die viel tiefer gehen als die Erfordernisse der Wildschadensvermeidung und des ökologischen Gleichgewichts. Deren Anforderungen regeln höchstens, wie wir jagen, nicht aber ob wir es tun.«
Demnach ist die Motivation für die Jagd die »Lust«. Alle anderen Begründungen, mit denen Jäger ihr blutiges Hobby rechtfertigen, sind nur vorgeschoben.
Asche formuliert es so: »Wir verwechseln zu gern die erfreulichen und wichtigen Begleiterscheinungen, die unser Tun rechtfertigen sollen, mit dessen wirklichen Gründen. Sex haben wir, weil er uns Lust und Genuss bereitet. Auf die Jagd gehen wir, weil sie uns Genuss und Lust bereitet.«
Der Jäger Dr. Florian Asche bekennt sich zum Archaischen: Der Jagdtrieb sei wie der Sexualtrieb in unserem Reptiliengehirn und im limbischen System angelegt. Diese Triebe auszuleben, sei wichtig für die seelische Gesundheit. Während Sex zu unserem Alltag gehöre, gehe der moderne Mensch aber so »verspannt« mit »Tod und Töten« um, beklagt Asche. (Florian Asche: Jagen, Sex und Tiere essen: Die Lust am Archaischen. Neumann-Neudamm, 2012)
Nun fragt sich jeder Nicht-Jäger zu Recht, ob das hobbymäßige Töten von Tieren nicht viel eher einen negativen Einfluss auf die seelische Gesundheit hat. Oder man fragt sich, ob die seelische Gesundheit nicht reichlich gestört ist, wenn man davon schwärmt, wie lustvoll es ist, den Tötungstrieb auszuleben.
Der Wissenschaftsjournalist Gerhard Staguhn stellte in seinem Buch »Tierliebe - eine einseitige Beziehung« fest: »Findet außerhalb der Jägerei ein Mensch einen besonderen Lustgewinn daran, ein Tier zu töten, wird er von Psychologen als seelisch schwer gestört eingestuft.« (Gerhard Staguhn: Tierliebe: Eine einseitige Beziehung. Carl Hanser, 1996)
Von der Lust am Töten
Unter dem Titel "Neue Gedanken zur Lust an der Lust zwischen Erleben und Erlegen" spricht Prof. Dr. Gerd Rohmann von der "Lust zum Beutemachen..." und vom "Kick" (erlebt im Akt des Erlegens und Tötens):
"Denn darin, dass wir das Naturding Wild töten und dabei einen exorbitanten Lusteffekt erleben, erweist es sich empirisch, dass wir etwas ganz Besonderes in unserem Inneren erfahren. (...) Mit der Jagd ist es ähnlich wie mit der Liebe: Das erotische Erleben liegt auf dem Weg zum Höhepunkt. Das Ziel liegt nämlich nicht im schnellen Schuss, sondern im Erstreben und Erleben eines gemeinsam erreichten anhaltenden Höhepunktes (...)" Den emotionalen Höhepunkt seiner Jagd, den "Kick", erlebe der Jäger immer dann, wenn er den todbringenden Schuss auslöse. (Gerd Rohmann: Neue Gedanken zur Lust an der Lust zwischen Erleben und Erlegen. Vortrag bei der Jahrestagung 2004 Forum Lebendige Jagdkultur e.V.)
Nun erfolgt Sex im Allgemeinen im beiderseitigen Einverständnis der Beteiligten. Andernfalls ist es eine Vergewaltigung und damit strafbar. Der Vergleich von Jagd und Sex hinkt also ziemlich erheblich.
"Der Jäger liebt die Natur wie der Vergewaltiger sein Opfer", so brachte es Karin Hutter bereits 1988 in ihrem Buch "Ein Reh hat Augen wie ein sechzehnjähriges Mädchen" auf den Punkt. (Karin Hutter: Ein Reh hat Augen wie ein sechzehnjähriges Mädchen. Das Antijagdbuch. Freiburg im Breisgau, 1988)
»Wir jagen nicht, um das ökologische Gleichgewicht
herzustellen. Zumindest ist das nicht das auslösende Motiv unserer Anstrengungen. Es ist nur eine Rechtfertigung für unsere Triebe und Wünsche, die viel tiefer gehen als die Erfordernisse der Wildschadensvermeidung und des ökologischen Gleichgewichts. ... Auf die Jagd gehen wir, weil sie uns Genuss und Lust bereitet.« · Bild: Syda Productions - Shutterstock.com
Landesjägermeister ruft Jäger auf, sich zur »Jagdleidenschaft« zu bekennen
Der 2016 verstorbene Tiroler Landesjägermeister-Stv. Ernst Rudigier bezeichnete Begründungen der Jäger wie Regulierung von Wildbeständen, Waldschadensverhütung, Naturschutz, Tierschutz, Beschaffung von hochwertigen Lebensmitteln als »Heuchelei«:
»Wir Jäger und Jägerinnen sollten uns ehrlich und aufrichtig dazu bekennen, wofür wir unser Geld ausgeben und warum wir so viel Zeit und auch Arbeit in die Jagd investieren; nämlich, dass wir jagen und unsere Jagdleidenschaft ausleben können! Auch sollten wir ganz offen dazu stehen, wie wir das Jagen für uns einschätzen - als Lebenseinstellung, Berufung, Leidenschaft, Trophäensammelleidenschaft oder weiß sonst wie noch, und uns nicht in einer unnötigen „Rechtfertigung“ Lügen bedienen, die als unglaubwürdig erkannt werden.« (Ernst Rudigier: Warum jagen wir? Jagd in Tirol, Mai 2013)
Ein Psychoanalytiker und Jäger bekennt: »Jagd eröffnet einen Freiraum für Verbrechen bis zum Mord und für sexuelle Lust«
Vielleicht kann bei der Analyse der Jäger-Psyche der Neurologe und Psychoanalytiker Dr. Paul Parin - ebenfalls begeisterter Jäger - weiterhelfen: In seinem Buch »Die Leidenschaft des Jägers« ergründet der 2009 verstorbene Psychoanalytiker ungeschminkt die Leidenschaft, die Passion, das Jagdfieber:
»Seit meinen ersten Jagdabenteuern weiß ich: Jagd eröffnet einen Freiraum für Verbrechen bis zum Mord und für sexuelle Lust, wann und wo immer gejagt wird.«
Jagd sei noch mehr als ein Freibrief zum Töten:
»Verbote gelten nicht mehr. Wenn man über Jagd schreibt, muss man über geschlechtliche Lust schreiben und über Grausamkeit und Verbrechen... Die wirkliche Jagd ist ohne vorsätzliche Tötung nicht zu haben. Leidenschaftlich Jagende wollen töten. Jagd ohne Mord ist ein Begriff, der sich selber aufhebt... Und weil es sich um Leidenschaft, Gier, Wollust handelt - um ein Fieber eben - geht es in diesem Buch um sex and crime, um sexuelle Lust und Verbrechen jeder Art, um Mord und Lustmord.«
Paul Parin beschreibt in seinem Buch, wie er den Höhepunkt beim Schuss als Orgasmus erlebte, als er als Dreizehnjähriger seinen ersten Haselhahn schoss:
»Ich drücke ab, höre keinen Knall, spüre den Rückstoß nicht. Ich bin aufgesprungen, blind und taub stehe ich da. Eine unerträgliche Spannung, irgendwo im Unterleib, etwas muss geschehen. Plötzlich löst sich die Spannung, in lustvollen Stößen fließt es mir in die Hose, nein, es ist das, der wunderbare Samenerguss, der erste bei Bewusstsein. Ich stehe aufgerichtet, das Gewehr in der Linken, kann wieder hören und kann sehen. - Dort liegt die Beute, ein Haufen bunter Federn.«
Paul Parin gibt zu, dass die Tiere unter der Jagd leiden. Und er weiß, dass Rechtfertigungen wie »Überpopulation«, »Verbiss«, »Jäger als Ersatz für Raubtiere« Jägerlatein sind. Zwar müssten alle erdenklichen Argumente dafür herhalten, um die Jagd von jedem moralischen Makel freizusprechen. »Und doch ist die Jagd der einzige normale Fall, bei dem das Töten zum Vergnügen wird...«(Paul Parin: Die Leidenschaft des Jägers. Europäische Verlagsanstalt, 2003)
Irgendwie kann man sich beim Lesen solcher Abgründe der menschlichen Seele eines fassungslosen Schauderns nicht
erwehren...
Der erste Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Prof. Dr. Theodor Heuss, formulierte schon vor über einem halben Jahrhundert sehr treffend: »Jägerei ist eine Nebenform von menschlicher Geisteskrankheit.« (Theodor Heuss: Tagebuchbriefe 1955-1963, hg. v. Eberhard Pikart, Tübingen/Stuttgart 1970, S. 106)
Ortega y Gasset: »Blut hat eine orgiastische Kraft...«
Kein anderer Philosoph hat sich der Jagd wohl in der Weise angenommen wie José Ortega y Gasset (1883 -1955) in seinen »Meditationen über die Jagd«. Darin schwärmte er über die Jagdlust geradezu martialisch:
»Blut hat eine orgiastische Kraft sondergleichen, wenn es überströmt... und das herrliche Fell des Tieres befleckt.«
Doch trotz Bekenntnis zu archaischer Triebgesteuertheit war für Ortega y Gasset schon vor mehr als einem dreiviertel Jahrhundert klar:
»Fernab davon, eine von Vernunft gelenkte Verfolgung zu sein, kann man vielmehr sagen, dass die größte Gefahr für das Fortbestehen der Jagd die Vernunft ist.« (José Ortega y Gasset: "Meditationen über die Jagd". 1943)
Wie lange wird sich die Öffentlichkeit durch vorgeschobene Rechtfertigungen für ein blutiges Hobby noch täuschen lassen?
»Kick« beim Töten: Dissertation eines Jägers
Über den "Jagdtrieb" und den "Kick" beim Töten hat ein Jäger im Jahr 2003 sogar eine Doktorarbeit geschrieben. In seiner Dissertation "Die Jagd als Mechanismus der biotischen und kulturellen Evolution des Menschen" schreibt Günter R. Kühnle:
»Weltweit wird die Wildjagd unserer Zeit selten noch aus rein praktischen Motiven (z. B. Nahrungsjagd), sondern um eines starken emotionalen Erfolges Willen (der Kick beim Töten des Tieres, Freude, Glück, Zerstreuung, Entspannung, Abenteuer) oft mit großer Leidenschaft und Hingabe betrieben. (...) Für die modernen Jäger unserer Zeit bedeutet das Töten des Wildes notwendige Bedingung zum Erreichen des oft leidenschaftlich intendierten emotionalen Ereignisses (der Kick).«
Kühnle beschreibt den erlebten Kick beim Töten des Wildes als »die Erfahrung einer extremalen Befriedigung vermittels (virtueller) Macht über die dem Menschen mit dem Bewusstsein der Endlichkeit (Todesangst) unbeherrschbar und unabwendbar bedrohlich erscheinende Natur«. (Günter R. Kühnle: Die Jagd als Mechanismus der biotischen und kulturellen Evolution des Menschen. 2003)
Europas größte Jägerzeitschrift Wild und Hund widmete dieser Dissertation einen großen Artikel über Triebforschung. Unter der Überschrift »Keine Angst vor der Lust« sollte Jägern Mut gemacht werden, offen zu ihrem Jagdtrieb zu stehen:
»Beim Erlegen des Wildes erleben Jäger einen Kick und zu dem sollten sie sich bekennen.« (Keine Angst vor der Lust. Wild und Hund 24/2003)
In Anlehnung an Kühnles Doktorarbeit erklärte der Artikel, wie der Jäger durch das Töten von Tieren sich unbewusst das Gefühl verschaffe, die Natur mit ihrer beängstigenden Todesgewissheit zu beherrschen und so die Todesangst zu überwinden. Der Jagdtrieb sei laut Kühnle eine »genetische Dispositionen«: Im Jägergehirn wirke »ein kulturspezifischer Elementartrieb, der in Geist-Gehirn-Interaktion Jagdmotivation generiert«.
Nun sind in Deutschland nur 0,4 Prozent der Bevölkerung Jäger. Das bedeutet: 99,6 Prozent der Deutschen ist dieser Jagdtrieb offenbar nicht angeboren - oder sie können mit ihren Trieben auch anders umgehen.
Der Psychoanalytiker Prof. Dr. Arno Gruen bezweifelt, dass der Jagdtrieb »angeboren« oder »genetisch bedingt« sei:
»Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass der Ursprung dieser Bedürfnisse nicht in einer genetischen Struktur oder Naturgebundenheit liegt, sondern in den Gefühlen der Minderwertigkeit, des Mangels an persönlichem Wert und der Unfähigkeit, Unsicherheit zu ertragen. Folglich ist das Streben, absolute Sicherheit und Unverletzbarkeit dadurch herbeizuführen, indem man Menschen, Völker, Tiere und die Natur beherrscht, zu einer fiktiven, aber auch äußerst gefährlichen Fiktion geworden.« (Arno Gruen: Die Jagd auf Mensch und Tier. 2006)
Warum also jagen Jäger?
Kommen wir zurück zu unserer Ausgangsfrage: Warum jagen Jäger? Die Antwort: Jäger gehen nicht auf die Jagd, um den deutschen Wald zu retten. Jäger gehen nicht auf die Jagd, um angebliche Überpopulationen zu regulieren. Jäger gehen nicht auf die Jagd, um die Bevölkerung vor Seuchen zu schützen. Jäger gehen nicht auf die Jagd, um Naturschutz zu betreiben - niemand macht den Jagdschein, um Hecken zu pflanzen und Biotope anzulegen. Jäger gehen nicht auf die Jagd, um Tiere zu sehen und die Natur zu erleben - dafür braucht niemand ein Gewehr.
Jäger schießen Tiere tot, weil es ihnen einen »Kick« verschafft. Jäger schießen Tiere tot, weil sie eine triebgesteuerte »Freude am Beutemachen« haben. Doch rechtfertigen der »Kick« und die »Freude am Beutemachen« das Töten von vielen Millionen Wildtieren und den Abschuss von vielen Tausend Hunden und Hauskatzen? Rechtfertigt das Ausleben eines »Jagdtriebs« über tausend Verletzte und -zig Tote durch Jagdunfälle und Straftaten mit Jägerwaffen Jahr für Jahr? Ist der bei manchen Menschen angeblich angeborene Jagdtrieb eine Rechtfertigung für das Töten von Tieren - und das auch noch als Hobby?
Der bekannte Philosoph Richard David Precht verweist in seinem Bestseller »Tiere denken« darauf, dass nur 0,4 Prozent der Deutschen (Hobby-)Jäger sind und merkt dazu an:
»Immerhin: Mehr als 99 Prozent der deutschen Bevölkerung scheinen diesen Trieb nicht zu verspüren, zumindest nicht in dem Maße, dass sie es für nötig befinden, dann und wann eigenhändig ein paar Tiere zu töten.«
Schließlich widerspreche es auch dem ethischen Kodex liberaler Gesellschaften aufs Äußerste, vermeintliche Urtriebe wie Mordlust oder Vergewaltigungsfreuden ungestraft zu lassen: »Keinem Mörder und keinem Triebtäter nützt es mithin nur entfernt, zur Rechtfertigung seiner Gelüste an archaische Bedürfnisse zu appellieren. ... Wer in den Wald geht und allein zur eigenen Freude mutwillig Tiere tötet, begeht eine Tätigkeit, die unvereinbar ist mit dem ethischen Selbstverständnis moderner Gesellschaften, wie es unter anderem das Tierschutzgesetz festschreibt: Einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen ist verboten - und sportliche Tötungsfreude ist nach Auffassung eines liberal-demokratischen Staates kein ‚vernünftiger Grund’.« (Richard David Precht: Tiere denken. Goldmann, 2016, S. 349/350)
Gegenüber dem STERN erklärte Precht: »Spaß daran zu haben, Tiere im Wald zu erschießen, ist für mich ein sonderbares Verhalten und absolut kein vernünftiger Grund zu töten. Genau das verbietet im Grunde das Tierschutzgesetz. Die Lust-Tötung.«
Auf die Anmerkung des Interviewers, die Jägerschaft betone immer wieder ihren ökologischen Auftrag, antwortet der Philosoph: »Ach was. Die Jägerei ist heute eine Mischung aus Romantik und Tötungswillen. Der Jäger jagt ja nicht aus ökologischen Gründen, wie er vorgibt. Dann würden Förster diesen Job erledigen. Oder man würde auf die Winterfütterung verzichten oder den Tieren Antibabypillen ins Futter mischen, um die Bestände zu regulieren.« (Richard David Precht über sein Plädoyer für mehr Tierrechte. STERN, 13.10.2016, S. 122ff)
Ist es nicht an der Zeit zu sagen: Es gibt im 21. Jahrhundert keine Rechtfertigung mehr, den blutigen Krieg gegen unsere Mitgeschöpfe in Wald und Flur fortzusetzen?