Amtsgericht Hameln: Schweinemäster zu hoher Geldstrafe verurteilt
Das Amtsgericht Hameln hat einen Schweinemäster wegen Tierquälerei zu einer Geldstrafe von 36.800 Euro verurteilt. Er gilt damit als vorbestraft. Zudem muss er die Verfahrenskosten von ca. 15.000 Euro zahlen. In dem Mastbetrieb in Hessisch Oldendorf wurden rund 850 Schweine gehalten. Der Betrieb erhielt in den vergangenen Jahren EU-Subventionen in Höhe von 200.000 Euro, trug das Siegel der »Initiative Tierwohl« und lieferte an »Westfleisch«.
Schweine sind sensible und sehr soziale Tiere.
Sie sind intelligenter als Hunde, laut Verhaltensforschung sogar so intelligent wie Primaten. Sie haben ein Langzeitgedächtnis und Ich-Bewusstsein. Die tierquälerische Haltung führt bei den intelligenten Tieren zu schweren Verhaltensstörungen und Kannibalismus. · Bild: tierschutz-skandale.de / Aninova e.V.
Tierrechtsorganisation veröffentlicht erschreckendes Bildmaterial
Im September 2022 brachte das Deutsche Tierschutzbüro (inzwischen umbenannt in ANINOVA) erschreckendes Video- und Fotomaterial aus insgesamt sieben Zulieferbetrieben von »Westfleisch« an die Öffentlichkeit. In allen dokumentierten Betrieben wurden Schweine unter tierquälerischen Bedingungen gehalten, teilweise auch von den Mitarbeitenden misshandelt. Bei »Westfleisch« handelt es sich um einen der größten Fleischproduzenten in Deutschland mit eigenen Schlachthöfen.
Einer der betroffenen Betriebe war der Schweinemäster im niedersächsischen Hessisch Oldendorf. »Westfleisch« präsentierte den Betrieb auf der firmeneigenen Website als familiengeführt und mit dem Image »Bauer von nebenan«. Die Bauernhofidylle sucht man auf den Undercover-Aufnahmen vergeblich: Dutzende kranke und verletzte Tiere sind zu sehen. Versteckte Kameras im Stall filmten, wie der Landwirt diese kranken Tiere nicht behandelte, sondern einfach an ihnen vorbeiging. Später zeigen die Aufnahmen, wie der Landwirt die Tiere unter illegalem Einsatz von Elektroschockern auf den »Westfleisch«-Tiertransporter trieb.
Veterinäramt verhängt Tierhalteverbot
Die Tierrechtsorganisation ANINOVA erstattete Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg (AZ 1106 Js 25990/22) und informierte das zuständige Veterinäramt in Hameln. Daraufhin wurde bei einer unangekündigten Kontrolle in dem Betrieb die Tierquälerei ebenfalls festgestellt und u.a. die Nottötung von elf Schweinen angeordnet. In den folgenden Monaten wurde der Betrieb achtmal vom Veterinäramt kontrolliert. Immer wieder wurden zum Teil massive Tierschutzverstöße vorgefunden. Mitte 2023 erließ das Veterinäramt ein Tierhaltungsverbot gegen den Betreiber.
Landwirt will Strafbefehl nicht akzeptieren - der Fall kommt vor das Amtsgericht
Nach Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Oldenburg wurde ein Strafbefehl über 110 Tagessätze erlassen. Der Schweinehalter wollte den Strafbefehl nicht akzeptieren und ging rechtlich dagegen vor. Daher kam es zum Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht in Hameln.
Bei der Gerichtsverhandlung bewertete eine Gutachterin im Auftrag der Staatsanwaltschaft Oldenburg das von ANINOVA eingereichte Bildmaterial. Sie kam zu dem Ergebnis, dass in 14 Fällen Schweinen erheblich Leid und Schmerzen zugefügt worden sind und dass dadurch der Tatbestand der Tierquälerei erfüllt ist. Konkret zeigte sie auf, dass die Tiere stark erkrankt waren, ihnen aber nicht vom Tierhalter geholfen wurde. Es wurde über 19 Tage kein Tierarzt informiert und das Tier auch nicht in eine Krankenbucht gebracht. Beides ist gesetzlich vorgeschrieben. Besonders schockierend war die Auswertung der Betreuungszeit pro Tier, die der Landwirt und seine Mitarbeitenden aufbrachten. Demnach betrug diese nur 0,5 bis 1 Sekunde pro Tier und Tag.
Der Landwirt verstrickte sich vor Gericht in massive Widersprüche. Die Richterin sah keine Reue in Hinblick auf das Fehlverhalten des Landwirts und verurteilte ihn zu 160 Tagessätzen à 230 Euro (36.800 Euro). Damit gilt der Landwirt als vorbestraft. Zudem muss er die Verfahrenskosten von ca. 15.000 Euro zahlen. »Wir würden uns natürlich deutlich höhere Strafen wünschen, aber wir sind zufrieden mit dem Urteil«, sagt Jan Peifer von ANINOVA. Denn: »In den meisten Fällen von Tierquälerei passiert am Ende überhaupt nichts«.
Nach dem Urteil: QS sperrt den Betrieb
Nach dem Urteil reagierte auch QS und sperrte den Betrieb für den Verkauf von Fleischprodukten in deutschen Supermärkten. Das QS-Siegel wirbt mit geprüfter Qualitätssicherung über die gesetzlichen Anforderungen hinaus: »Im In- und Ausland gelten bei QS strenge Anforderungen, etwa zur Rückverfolgbarkeit oder zur Hygiene. Unabhängige Prüfer kontrollieren regelmäßig, ob die Anforderungen eingehalten werden«, heißt es auf der Internetseite der QS Qualität und Sicherheit GmbH www.q-s.de.
Auch die »Initiative Tierwohl« entzog dem Landwirt das Siegel - nach dem Urteil.
Laut Auskunft der Bundesregierung werden Mastanlagen in Deutschland durchschnittlich nur alle 17 Jahre kontrolliert, in Niedersachsen durchschnittlich sogar nur alle 21 Jahre. »Ohne uns hätte niemand von diesem Skandal mitbekommen. Die staatlichen Kontrollen in Deutschland versagen komplett«, so Jan Peifer. »Tiere kann man letztlich nur schützen, wenn wir sie nicht essen.«