Metzger gegen Tiermord
Metzger gegen Tiermord? Das scheint ein Widerspruch in sich zu sein. Was aber, wenn gelernte Metzger dem Tiertöten abschwören und Veganer werden?
Im Verein »Metzger gegen Tiermord« haben sich ehemalige Metzger zusammengeschlossen. Aufgrund Ihrer beruflichen Erfahrung sind sie Insider der Branche und klären mit ihrem Fachwissen und ihren Recherchen über Tierrechtsverstöße auf, die normalerweise vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben.
FREIHEIT FÜR TIERE sprach mit Peter Hübner, einem ehemaligen Fleischer. Peter Hübner ist Pressesprecher und zweiter Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins »Metzger gegen Tiermord« e.V.
FREIHEIT FÜR TIERE: Du hast schon seit deiner Kindheit geschlachtet und als Fleischer gearbeitet.
Peter Hübner: Genau. Ich habe schon als Kind Schlachten gelernt bei meinem Patenonkel: Also, ich habe von klein auf immer geschlachtet, habe eine Fleischerausbildung begonnen, bin also in die Fleischerei gekommen, habe Fleisch verarbeitet. Das war auch soweit ganz gut. In meiner Zeit im Schlachthof habe ich gemerkt: Ich kann das ganze Tierleid mit der Massentierhaltung überhaupt nicht mehr vertragen. Das Fleisch, das wir bekommen haben, war katastrophal, der Umgang mit den Tieren war katastrophal... Darum habe ich in der Fleischerei aufgehört. Aber ich habe dann noch einige Jahre weiter geschlachtet, auch privat, Kaninchen und so weiter... Ich wollte immer Fleisch von gut gehaltenen Tieren essen.
FREIHEIT FÜR TIERE: Irgendwann konntest du das Töten von Tieren nicht mehr mit deinem Gewissen vereinbaren und bist ausgestiegen. Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Peter Hübner: Das war eigentlich ein langer Prozess. Hier die Kurzversion: Ich war 2014 Angeln in Schweden, wo wir ein Haus hatten, und habe einen Fisch gefangen, den ich nicht töten konnte. Ich habe ihn vom Haken gelassen, hab ihm einen Kuss gegeben auf die Stirn und ihn wieder zurückgesetzt ins Wasser. Und für mich war klar: Wenn du nicht töten kannst, darfst du auch kein Fleisch essen! Das heißt, ich wusste ganz genau, was das jetzt für mich bedeutet. Ich bin dann zurückgefahren in die Hütte zu meiner Frau und hab gesagt: »Du, ich hab nichts gefangen.« Und die nächsten Tage bin ich nicht zum Angeln gegangen und habe Ausreden gesucht wie: Es ist zu windig, es ist zu warm, es ist zu regnerisch...
Und nach dem Urlaub bin ich von der Arbeit gekommen und habe zu meiner Frau gesagt: »Ich lebe ab heute vegan!« Also, das mit dem Fisch war ein einschneidendes Erlebnis. Meine Frau hat mir dann erzählt, dass sie schon im Winter wusste, dass ich dieses Jahr nicht mehr Fleisch grillen würde. Sie hatte es schon geahnt.
Die Entwicklung war eigentlich seit meiner Ausbildung zum Fleischer 1988 vorprogrammiert: Erst wollte ich keine Massentierhaltung mehr und nur noch freilaufende Tiere schlachten... also, ich wurde immer skeptischer.
Ich war bei »Sea Shepard« aktiv und war dann beruflich in Japan. Dort habe ich mit Japanern über den Walfang gesprochen. Die haben mir gesagt: Sie finden den Walfang auch nicht gut. Aber es bestürzt sie, dass wir Europäer hier auf moralisch tun, wenn wir doch Tiere züchten, sie von Geburt an gefangen halten, verstümmeln, misshandeln, töten. Und dann regen wir uns über einen Fang von Tieren auf, die frei gelebt haben. - Und ich muss ganz ehrlich sagen: Ich konnte kein Argument dagegen bringen! Und das hat bei mir sehr viel ausgelöst, in Richtung Veganismus zu gehen.
Fleischer wird Veganer: »Milchindustrie und Eierindustrie sind noch grausamer als die Mast«
FREIHEIT FÜR TIERE: Du hast damit aufgehört, Tiere zu töten und aufgehört, Fleisch und Fisch zu essen - aber vegan zu werden und keine Milchprodukte und keine Eier zu essen, ist ja noch mal ein weiterer Schritt!
Peter Hübner: Für mich war der Schritt: Ganz oder gar nicht. Als ich meiner Frau sagte: »Ich lebe jetzt vegan«, meinte sie: »Wir können doch vegetarisch essen.« Da sagte ich, das kann ich nicht, denn die Milchindustrie und die Eierindustrie sind noch grausamer als die Mast. Und für mich gibt es keinen Zwischenschritt: entweder - oder.
Ich glaube, die Menschen, die Vegetarier geworden sind, und sich mit Tierleid auseinander setzen, sind in einer Komfortzone: »Ich mach ja schon sehr viel«. Und sie nehmen oft gar nicht wahr, dass für die Milchindustrie und für die Eierindustrie die Tiere extrem gequält werden.
Meine Großeltern hatten eine Landwirtschaft, ich selber habe in der Nachbarschaft, bis ich 14 Jahre alt war, auf dem Bauernhof geholfen. Also, ich habe da alles miterlebt: von Enthornung der Tiere, über Kastration und so weiter. Die Kühe haben dort - so habe ich damals gedacht - gut gelebt: sie waren in Anbindehaltung und kamen am Tag raus. Heute würden wir natürlich sagen: katastrophale Tierhaltung! Ich habe die Tierhaltung damals für nicht so schlimm empfunden, weil ich ja nie etwas anderes gelernt hatte.
»Es gibt kein »Tierwohl-Siegel«. Es gibt ein »Tierqual-Siegel« - welche Qual geringer ist.«
Als ich aber die Intensivtierhaltung kennenlernte, habe ich schon einen Unterschied festgestellt zwischen der Haltung, die wir hatten und der Massentierhaltung. Und wir haben das auch in der Fleischerei gesehen, wenn wir Fleisch aus der Massentierhaltung bekommen haben: das Fleisch war qualitativ schlechter, es war heller, es war wässriger, es waren weniger Fettanteile drin... Da war für mich schon klar: Die Tierhaltung spielt eine große Rolle. Zwischen Massentierhaltung und Freilandtieren liegen Welten!
Und dennoch weiß ich heute: Mit »Tierwohl« hat das nichts zu tun! Es gibt kein »Tierwohl-Siegel«. Es gibt ein »Tierqual-Siegel« - welche Qual geringer ist. Aber »Tierwohl-Siegel« dürfen wir es nicht nennen.
Und das sehe ich heute als Veganer als eine Hauptaufgabe: Die Wahrheit hinter den vermeintlichen Siegel, die den Verbrauchern ein gutes Gewissen eintrichtern, endlich mal beim Namen zu nennen: »Tierqual-Siegel«.
Mineralfuttermittel für Kühe und Rinder: "Ermöglicht hohe Nährstoffkonzentration im Produkt" (= Fleisch und Milch) "bei Versorgungslücken" (=nicht artgerechte Haltung).
Dazu kommen Antibiotika und andere Medikamente.
Außerdem stecken in Fleisch und Milch Stresshormone, Eiter, Entzündungen, Parasiten, multiresistente Krankheitskeime...
Ergänzungsfutter für Kälber, Futtermittel für Zuchtsauen: Von Vitamin A bis Zink wird alles zugeführt - auch Vitamin D und B12!
... Und da heißt es immer, man müsse Fleisch essen, weil da so wertvolles B12 drin ist und man müsse Milch trinken für Vitamin D und Calcium für die Knochen...
Vitamin D und B12 kann jeder als Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen, ohne »Umweg« über das Tier!
2018: Gründung des Vereins »Metzger gegen Tiermord«
FREIHEIT FÜR TIERE: Du hast dich mit anderen Berufskollegen zusammengeschlossen und Verein »Metzger gegen Tiermord« gegründet. »Metzger gegen Tiermord« - das scheint ein Widerspruch in sich zu sein.
Peter Hübner: Exakt!
FREIHEIT FÜR TIERE: Wie kam es dazu und was ist euer Ziel?
Peter Hübner: Wir haben uns online kennengelernt - wir waren damals zu fünft - und haben festgestellt: Wir haben alle einen Hintergrund des Schlachtens und des Geschäfts mit Fleisch. Und heute leben wir vegan. Zu dem Zeitpunkt - 2018 - wurden Veganer so gesehen: Es sind entweder Frauen oder Weicheier. Da haben wir gesagt: Wenn wir als ehemalige Mitarbeiter im Fleischbereich sagen, dass wir vegan leben, hat das eine Wirkung!
Wir haben dann ein Video gedreht, in dem es hieß: »Mein Name ist..., ich bin ehemaliger Fleischer und heute Veganer.« Und wir durften einen Grund nennen, warum wir vegan wurden. Und am Schluss kam der Spruch: »Wenn ich mich ändern kann, dann kannst du es auch!«
Ja, und dann ist da ein Selbstläufer daraus geworden. Und den Namen »Metzger gegen Tiermord« haben wir ganz bewusst gewählt - weil es ein Widerspruch in sich ist.
Wenn ich mit dem Pulli »Metzger gegen Tiermord« rumlaufe, werde ich ganz oft von Leuten angesprochen, die sagen: »Hey, das ist doch ein Widerspruch!« - Dann sage ich: »Wieso ist das ein Widerspruch?« Und dann erzählen die Leute mir, wie grauenvoll die Tiere leben und wie qualvoll sie geschlachtet werden. Und dann sag ich: »Das finde ich toll, dass du das weißt. - Lebst du vegan?!« So kommen sie mit ihren eigenen Argumenten zum Nachdenken.
Insider der Fleischproduktion packen aus
FREIHEIT FÜR TIERE: Ihr seid ja ausgebildete Metzger und Fleischer - ihr habt also diesen Beruf gelernt!
Peter Hübner: Genau. Unter denen, die bei »Metzger gegen Tiermord« aktiv sind, sind sogar drei Metzgermeister dabei! Also alle, bis auf mich, haben den Beruf komplett ausgelernt. Ich habe in der Schlachthofzeit meine Ausbildung geschmissen.
FREIHEIT FÜR TIERE: Als ehemalige Metzger und Fleischer seid ihr »Insider«: Ihr habt Einblick hinter die Kulissen der industriellen Massentierhaltung und Schlachthöfe. Warum kommen tierquälerische Missstände erst durch verdeckte Ermittlungen von Tierschutzorganisation und »Whistleblowern« an die Öffentlichkeit? So wie bei den jüngsten Enthüllungen, dass jahrelang kranke Tiere in Schlachthöfen geschlachtet wurden oder dass Tiere nicht ordentlich betäubt sind und so qualvoll durch Verbluten sterben? Warum kommt das meist nicht an die Öffentlichkeit, obwohl die Insider der Fleischindustrie alle davon wissen?
Peter Hübner: Es geht ums Geld! Es geht ausschließlich ums Geld. Das riesige Problem ist in den 1970er Jahren entstanden, als die Spaltenböden eingeführt wurden. Mit den Spaltenböden hat man die Möglichkeit geschaffen, dass Tiere auf engstem Raum gehalten werden können - und man die ganzen Kosten für Stroh, Entmistung und so weiter spart. Die Bauern wurden von den Genossenschaften - die sie ja eigentlich selbst gewählt haben -, im Prinzip zu immer niedrigeren Preisen gezwungen. Die Milch wurde immer günstiger. Denn in den Genossenschaften sitzen Leute aus Molkereien und fleischverarbeitenden Betrieben. Und die Bauern mussten billig produzieren, weil sie sonst ihren Betrieb nicht mehr halten konnten. Die meisten Betriebe sind ja auch über Bankkredite finanziert worden. Das bedeutet nun für den Bauern: Mit 80 Kühen kann ich nicht mehr meine Rendite erreichen, ich brauche jetzt 120 Kühe. Dafür muss der Stall ausgebaut werden. Ich geh zu den Banken und hole mir einen Kredit, um den Ausbau des Stalls zu finanzieren. Jetzt habe ich den Raum für 120 Tiere und stelle 140 Kühe rein, um den Platz effektiv nutzen zu können.
»Das Fleisch kranker Tiere gelangt ganz normal in den Handel«
Jetzt wird eines der Tiere krank, und es muss der Tierarzt kommen. Da sage ich doch als Bauer: Der Tierarzt kostet mich so viel Geld, ich behandele das Tier selber - oder ich versuche, das Tier in den Schlachthof abzugeben. Jetzt sagt der Schlachthof natürlich: Laut Gesetz muss das Tier gesund sein, es muss auf eigenen Beinen reingehen können - ich erinnere an den Schlachthof-Skandal von Bad Iburg, wo kranke und schwerverletzte Tiere an Ketten liegend aus dem Lastwagen gezogen wurden - und der Veterinär muss jedes Tier überwachen. Die Veterinäre werden aber vom Schlachthof bezahlt und schauen dann eben oft weg. Da findet also eine Kungelei statt. Wenn die Kuh selbst in den Schlachthof reingehen kann, wird sie geschlachtet und man schneidet dann die kranken Stellen, die Eiterstellen raus. Wie großzügig das gemacht wird, entscheidet am Ende der Fleischer, wobei jedes Gramm Fleisch natürlich auch Geld wert ist.
Und jetzt gibt es kranke Tiere - wie sie SOKO Tierschutz in Bad Iburg dokumentiert hat -, die eigentlich notgetötet werden müssten. Das heißt: Bauern müssten für die Tötung des Tieres Geld bezahlen plus den Abdecker bezahlen. Jetzt treten windige Kaufleute an sie heran und sagen: Ich kaufe dein Tier auf. Ein gesundes Tier hat vielleicht einen Wert von 1000 Euro, ich gebe dir 150 Euro. Dann sagt der Bauer: Oh toll, statt Geld zu bezahlen - vielleicht 400 oder 500 Euro für die Einschläferung und die Entsorgung - bekomme ich noch Geld. Das mach ich doch! Dieser windige Kaufmann bietet dieses Tier einem Schlachthof an und sagt: Ihr könnt dieses Tier jetzt kaufen für 300 Euro statt für 1000 Euro. Ihr müsst nur dafür sorgen, dass ihr einen Veterinär-Stempel bekommt. Und das sind dann diese krummen Geschäfte, wie sie in Bad Iburg stattgefunden haben.
»Der Verbraucher gibt mit dem Kauf von Fleisch und Milch den Auftrag, die Tiere zu quälen und zu töten«
FREIHEIT FÜR TIERE: Das gleiche wurde 2023 in einem Schlachthof bei Miltenberg in Bayern aufgedeckt: Auch hier wurden jahrelang kranke Tiere im Morgengrauen angekarrt.
Peter Hübner: Da werden die kranken und schwer verletzten Tiere irgendwie auf den Schlachthof transportiert, geschlachtet und verarbeitet - und irgendwann später durch den Veterinär freigegeben. Ob er sich die Leichenteile anschaut oder pauschal seinen Stempel hingibt, lasse ich mal so in den Raum gestellt. Und damit kommen die kranken Tiere in den Handel. Würden die Bauern die kranken Tiere nicht verkaufen, könnten sie gar nicht zu dem Preis, den der Kunde haben will, produzieren.
Und es ist von uns Verbrauchern - zu denen ich jetzt nicht mehr dazugehöre - verwerflich und heuchlerisch, immer zu sagen: »Die böse Fleisch-Lobby!« Die Verbraucher sind dafür mitverantwortlich, denn sie kennen die Bilder und sie wissen darum - und sie kaufen es trotzdem. Und mit dem Kauf dieser Produkte geben sie den Auftrag, die Tiere zu quälen und zu töten.
Die Filmaufnahmen dokumentieren extreme Tierquälerei mit Elektroschockern, Tritten und Schlägen. Rinder wurden mit Seilen von Anhängern gezogen, weil sie nicht mehr selbst laufen konnten.
Nach Fehlbetäubungen wurde Tieren zum Teil bei Bewusstsein der Hals aufgeschnitten. Sie erlebten das Verbluten bis zum bitteren Ende. Nach der Enthüllung durch SOKO Tierschutz im August 2023 wurde eine Razzia durchgeführt und der Schlachtbetrieb geschlossen. Die zuständige amtliche Tierärztin wurde vorläufig von Ihren Aufgaben entbunden. Die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg ermittelt gegen Mitarbeitende des Schlachthofs und mindestens einen Tierhalter unter anderem wegen Tierquälerei.
Bild: SOKO Tierschutz · tierschutzskandale.de
Hier bei uns in Oldenburg haben wir den Großschlachthof Goldschmaus. Hier hat vor etwa vier Jahren das Deutsche Tierschutzbüro aufgedeckt, dass die Tiere bei der Schlachtung nicht richtig betäubt waren. Goldschmaus schlachtet vier Tage die Woche konventionell und einen Tag »bio«. Also: Selbst die »Bio«-Tiere laufen durch diesen Schlachthof durch!
FREIHEIT FÜR TIERE: »Bio«-Tiere werden nun mal nicht zu Tode gestreichelt ...
Peter Hübner: Genau. Hinzu kommt: Bio-Rinder sind viel schwerer zu betäuben mit einem Bolzenschussgerät als konventionell gehaltene Tiere. Sie haben mehr Wolle auf der Stirn, wo der Bolzenschuss durchkommt, sie haben mehr Kraft, sie schlagen mehr mit den Köpfen um sich.
Die Schreie der Tiere verfolgen die Schlachter bis in den Schlaf - und viele haben ein Alkoholproblem
FREIHEIT FÜR TIERE: Ein ehemaliger Kopfschlachter, der ausgestiegen ist, hat vor einigen Jahren im Gespräch mit FREIHEIT FÜR TIERE berichtet, dass viele Schlachter die Schreie der Tiere und das Töten nur mit sehr viel Alkohol ertragen.
Peter Hübner: Ja, so ist es. Dazu habe ich ein Interview in DIE ZEIT* gegeben. In meiner Zeit im Schlachthof - und meine Kollegen, die später da waren, haben mir das bestätigt - war es so, dass es zum Frühstück schon Alkohol gab.
Die Menschen, die im Schlachthof arbeiten, sind in der Regel osteuropäische Billiglöhner - schon zu meiner Zeit war das so -, bis auf die so genannten Kopfschlachter, also die den Entblutungsschnitt gesetzt haben. Die Kopfschlachter wurden pro Kopf, also pro getöteten Tier, bezahlt. Das war ja das Perfide an der Sache: Die haben alle in der Kette angetrieben auf Höchstleistungen, weil sie auf Akkord bezahlt wurden. Um diesen Job ausüben zu können, muss man entweder sadistisch sein - und da behaupte ich: das sind die wenigsten -, oder aber man muss das Leid der Tiere komplett ausblenden. Man sieht das Tier nicht mehr als Lebewesen, sondern als Ware. Und das betäubt man durch Alkohol oder Drogenkonsum. Viele Schlachter, die ich kenne, haben ein großes Alkohol-Problem. Hinzu kommt: Man neigt mehr zu Gewalt, man ist gewaltbereiter. Ich kann es aus meiner Erfahrung sagen: Als ich in dem Beruf arbeitete, habe ich meine Probleme mit der Faust gelöst - weil ich es nicht anders gelernt hatte.
Und man stumpft wirklich ab. Aber ich kann dir sagen: Selbst die abgestumpftesten Fleischer bekommen Alpträume. Ich habe in Alpträumen immer wieder die Rinder gesehen, denen die Tränen aus den Augen liefen - oder die panischen Blicke der Schweine. Diese Bilder kommen auch heute - nach vielen, vielen Jahren - immer noch. Aber ich gehe heute anders damit um: Ich sehe sie als flehendliche Blicke, die mir den Auftrag geben, meine Stimme für die Tiere zu erheben.
»Flehendliche Blicke, die mir den Auftrag geben, meine Stimme für die Tiere zu erheben«
FREIHEIT FÜR TIERE: Was würdest du ehemaligen Kollegen - Metzgern, Schlachtern, Fleischern - raten, die Zweifel an ihrem Handwerk haben?
Peter Hübner: Ich kann allen Metzgern und Fleischern nur raten, sich so schnell wie möglich nach einer anderen Arbeitsstelle umzusehen!
Nachdem ich nicht mehr getötet habe, seitdem ich vegan lebe, kann ich für mich sagen: Ich habe innerlich Frieden gefunden. Diesen Frieden kann man nicht mit Worten ausdrücken. Ich bin Pazifist geworden. Das konnte ich nicht sein, als ich Tiere ausgebeutet habe - das funktioniert nicht!
Mir kann kein Fleischer erzählen, dass er guten Gewissens Tiere tötet. Man versucht Witze darüber zu machen und sagt: »Es war ja nur ein Tier.« - Aber wenn man tief in sich geht, das wird jeder Fleischer bestätigen können, kann man sich das nicht schön reden. Es verfolgt einen bis in die Nacht hinein. Und ich kann jedem Metzger und Fleischer nur sagen: Dein gutes Gewissen kannst du dir nicht für eine Arbeitsstelle kaufen! Es gibt so viele berufliche Möglichkeiten außerhalb des Tötungssystems!
Das Gespräch mit Peter Hübner führte Julia Brunke, Redaktion FREIHEIT FÜR TIERE
* Schlachthofarbeit: Wie schaffen es Menschen, täglich hunderte Tiere zu töten? Zwei ehemalige Schlachter und ein Soziologe erklären, wie das Tier in der professionellen, industrialisierten Schlachtung vom Lebewesen zum Werkstoff wird und wie das den Schlachter*innen hilft, ihre Arbeit emotional zu bewältigen. DIE ZEIT, 1. Juli 2020.
Informationen: Metzger gegen Tiermord
Verein Tierrechtsorganisation MgT e.V. Gemeinnützige Organisation Handelsweg 90 · 28857 Syke
Kontakt: info@metzger-gegen-tiermord.org |
Vier Tierrechtsorganisationen haben eine Datenbank mit dokumentierten Fällen von massiver Tierquälerei in der landwirtschaftlichen Tierhaltung online gestellt, die regelmäßig aktualisiert wird. Zu jedem Tierschutzskandal können Fotos und Filmaufnahmen aufgerufen werden sowie Informationen vom Ort bis zur Haltungsform, von der betroffenen Tierart bis zu den juristischen Folgen. Eine interaktive Deutschlandkarte zeigt alle aufgedeckten Tierschutzskandale auf einen Blick.
Die Datenbank zeigt: Es sind keine Einzelfälle
Mit der Datenbank möchten die Tierschutzorganisationen aufzeigen, dass es sich bei den Enthüllungen nicht um »bedauerliche« Einzelfälle handelt: Tierschutzskandale wurden in allen Bundesländern, bei allen Tierarten und in allen Haltungsformen aufgedeckt. Sie zeigen: Tierquälerei ist Teil des Systems und findet Tag für Tag statt.
Die auf der Website dargestellten Tierschutz-Fälle basieren auf Recherchen vom Deutschen Tierschutzbüro, Soko Tierschutz, Animal Rights Watch und Tierretter.de. Die Behörden wurden erst durch die Enthüllungen der Tierrechtsorganisationen auf die Tierschutzskandale aufmerksam gemacht.