Mehr Freiheit für Pferde
Nach § 2 des Tierschutzgesetzes gilt: Wer ein Tier hält, muss dieses seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Und er darf die Möglichkeit des Tieres zur artgemäßen Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Doch was bedeutet dies für die heutige Pferdehaltung?
Das Pferd ist ein Steppentier
Seit ungefähr 5000 Jahren steht das Pferd im Dienst des Menschen. Das einstige Steppentier hat seine Freiheit verloren. In seinem Verhalten und hinsichtlich seiner Bedürfnisse hat es sich jedoch nicht verändert.
Wenn wir also ein Pferd zu uns nehmen, liegt es auch in unserer Verantwortung dem Pferd gegenüber, ihm so natürliche Lebensbedingungen zu bieten wie möglich. Da wir Menschen so genannte Höhlentiere sind, verstehen wir oftmals die Pferde nicht: Diese sind Fluchttiere und brauchen die Weite - in einer Box haben sie permanenten Stress. Für die meisten Menschen ist es jedoch ein normaler Anblick geworden, wenn uns Pferde aus Boxen anschauen, in denen sie sich nur um sich selbst drehen können. Hinter Gitterstäben und in Einzelhaft verbringen sie ihr Dasein tagein, tagaus - und das oftmals 23 Stunden am Tag (so es eine Stunde täglich bewegt/geritten wird), ohne jeglichen sozialen Kontakt zu anderen Pferden. Ständig haben sie den scharfen Geruch von Ammoniak in der Nase, weil die Box sowohl als Ess- und Schlafplatz sowie als Toilette dient. Wir dürfen auch nicht vergessen: Pferde haben einen ganz anderen Tag-Nacht-Rhythmus. Sie schlafen nicht, nur weil es dunkel ist. In freier Natur sind sie Tag und Nacht auf den Beinen und legen sich nur selten hin.
Einzelhaft für Pferde?
Ein Vergleich dazu: Stellen Sie sich einen Hund (im Unterschied zum Pferd ein Höhlentier, das sehr viel schläft) vor, untergebracht in einer Gitterbox, in der er sich nur um sich selbst drehen kann. In dieser Box verbringt er etwa 23 Stunden des Tages. »Das ist Tierquälerei!«, würden wir sagen. Das stimmt auch! Für Pferde jedoch, die Lauftiere sind, ist es im Vergleich wesentlich schlimmer, in Boxen gehalten zu werden! Und wie oft hört man: Das ist doch normal so...
Für viele Menschen ist es bequem, ein Pferd zu haben, das in der Box steht: stets griffbereit, nicht verdreckt vom Wälzen auf der Erde, ohne dass ihm in der kalten Jahreszeit das lästige dicke Winterfell wächst. Man kann es aus der Box holen, ohne es noch lange auf der Wiese einfangen zu müssen - wie ein Motorrad, das man fahrbereit aus der Garage holt.
Unnatürliche Haltungsbedingungen führen zu Krankheiten und Verhaltensstörungen
Obwohl Pferde über 30 Jahre alt werden können, erreichen sie heute im Durchschnitt nicht einmal ein Alter von 10 Jahren. Woran liegt das? Die Pferdezucht ist in der Regel ein reines Geschäft. Ein junges Pferd, das nicht die »richtigen« Rassemerkmale mitbringt oder sich nicht zum gewünschten Preis verkaufen lässt, landet nicht selten beim Metzger - in der Haflingerzucht enden 80 bis 90 Prozent (!) der Fohlen »in der Wurst«. Ebenso geht es jungen Pferden, die für Rennen gezüchtet werden und nicht schnell genug sind - oder Trabrennpferden, die - statt zu traben - in Galopp fallen.
Oft führen auch die unnatürlichen Haltungsbedingungen zu Hufproblemen und den verschiedensten Erkrankungen sowie Verhaltensstörungen - und so landen Reitpferde nicht selten schon in jungen oder mittleren Jahren beim Pferdemetzger.
Der Offenstall sollte mehrere Ausgänge haben, damit innerhalb der Herde ein reibungsloses Ausweichen möglich ist. Man kann den Stall mit Raumteilern versehen und so Liegebereiche schaffen, so dass jedes Pferd sich bequem hinlegen kann. Diese Bereiche sollten dick mit weicher, saugfähiger Einstreu (Stroh, Späne o.ä.) eingestreut werden. Durch Raumteiler können rangniedrigere Pferde mit sozial höheren Tieren ohne Stress in einem Raum sein und Kontakte zu ihnen pflegen.
Im Stall soll es natürlich windgeschützt sein. Besonders in der kalten Jahreszeit bietet es sich an, Kunststoff-Lamellen an den Ausgängen des Offenstalls anzubringen. Ein guter Luftaustausch ist notwendig, damit Ammoniak abziehen kann und die Luftfeuchtigkeit nicht zu hoch steigt.
Die Tränke
Ammoniak verbindet sich sofort mit Wasser, deswegen ist es viel gesünder, die Tränke im Freien anzubringen. Am besten verwendet man eine Tränke mit möglichst schnellem Wasserzulauf, das bietet den Pferden die Möglichkeit, so schnell zu trinken, wie sie wollen und nicht auf jeden Schluck warten zu müssen (z.B. Nelson-Tränke).
Die Futterstelle
Gutes Heu sollte 24 Stunden am Tag angeboten werden. Damit die Pferde sich nicht damit voll stopfen können, bringt man Futterraufen an oder man verwendet Heunetze.
Pferde auf der Weide haben beim Grasen den Kopf am Boden. Darum müssen auch die Raufen bodenbündig angebracht werden. Eine Raufenhöhe von 80cm ist ausreichend. Die Raufe sollte mit einem Deckel versehen werden, damit die Pferde nicht oben herausessen. Somit ist gewährleistet, dass die Pferde mit dem Kopf am Boden essen und nicht in unnatürlicher Haltung nach oben gebeugt (wie man es leider oft sieht), was zu Rückenproblemen und Muskelverspannungen führen kann.
Für eine individuelle Zusatzfütterung mit Kraft- und/oder Mineralfutter kann man Futterstände bauen. Diese müssen an den Seiten geschlossen und so hoch sein, dass die Pferde nicht von ihren Nachbarn gestört werden. Die Breite wählt man so, dass im besetzten Ständer sich kein anderes Pferd von hinten drängen kann. Sie werden staunen, wie schnell alle Pferde in den Ständern stehen, wenn Sie morgens mit dem Futtereimer kommen - und wie friedlich die Fütterung verläuft.
Der Außenbereich
Pferde sollten ganzjährig Zugang zu Heu und Weide haben, damit es nicht zu den fatalen plötzlichen Futterumstellungen kommt, die so viele der schweren Koliken auslösen. Der Außenbereich kann sehr vielfältig gestaltet werden: Zum Beispiel kann man Tränke und Futterstellen von einander entfernt anlegen, damit die Pferde Bewegungsanreize haben. Der Bodenbeschaffenheit sind keine Grenzen gesetzt. Große Schottersteine sind gut für die Hufe und den Hufabrieb und ahmen natürliches Gelände nach.
Auch sollte ein Hufbad nicht fehlen. Wild lebende Pferde stehen täglich im Wasser, dies sorgt für gesundes Hornwachstum. Zum Beispiel kann man die Tränke im Hufbad anbringen. Oder man baut ein Hufbad auf dem Weg zur Weide.
Der Auslaufboden sollte leicht zu reinigen sein, zumindest sollten die ersten Meter um den Stall befestigt sein, da sonst im Herbst alles vermatscht. Matsch ist zwar nicht ungesund für die Pferde, im Gegenteil; aber da sich Pferde sehr viel um den Stall herum aufhalten, entsteht dort mit der Zeit eine Güllegrube. Die Pferde bekommen dann schnell Mauke, eine bakterielle Hautentzündung in der Fesselbeuge. Um dies zu umgehen, ist es besser, eine Drainage zu legen oder den Auslauf zu befestigen, z.B. mit Rasengittersteinen oder Mineralbeton.
Der Auslauf muss natürlich täglich »abgeäppelt« werden!
Glückliche und gesunde Pferde
Die Offenstallhaltung ist also die natürlichste Haltungsform für Pferde. Und zwar nicht nur für robuste Ponys, sondern für jedes Pferd - ob Kaltblut, Warmblut, Vollblut oder Pony. Ihr Pferd wird zum glücklichsten Pferd werden, wenn es sich frei bewegen kann und Kontakt zu Artgenossen hat, wann immer es will. Es kann sich aussuchen, ob es sich in den Stall stellt (z.B. bei Hitze oder bei Dauerregen) oder ob es sich lieber auf der Weide und im Auslauf tummelt. Es wird ausgeglichener werden, nicht mehr so krankheitsanfällig sein, und die Hufe werden sich enorm verbessern.
Der einzige Nachteil: Wenn Sie Pech haben, hat sich das Pferd gerade im Schlamm gewälzt, wenn Sie es von der Weide holen, um auszureiten - oder es ist klatschnass vom Regen. Aber nimmt man dies nicht dem Pferd zuliebe in Kauf?