Jäger verurteilt, weil er Hündin erschoss
Von Julia Brunke, Redaktion FREIHEIT FÜR TIERE
Der Fall sorgte für Aufsehen über Bayern hinaus: Ein 77-jähriger Hobbyjäger erschoss im Juli 2022 die Hündin Mara von Urlaubern aus Österreich bei einer Kanutour auf dem Main - angeblich, weil die Hündin »gewildert« hätte. Am 20. November 2023 verurteilte das Amtsgericht Haßfurt den Jäger wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu einer Geldstrafe von 5.600 Euro (140 Tagessätzen zu je 40 Euro). Zudem wurde das bei der Tat benutzte Kleinkalibergewehr eingezogen. Dem Urteil zufolge war der angeklagte Hobbyjäger nicht berechtigt, die Hündin zu erschießen. Hinweise darauf, dass die Hündin gewildert hatte, hätten sich nicht ergeben.
Was war geschehen? Im Juli 2022 machten Birgit Brunner und ihr Ehemann Oswald Helm aus Innsbruck mit ihrer Alaskan Malamute-Hündin Mara Urlaub in Unterfranken. Am 18. Juli, einem heißen Tag, waren sie mit einem Kanu auf dem Main unterwegs. »Gegen 17:00 Uhr kamen wir zur Schleuse in Knetzgau«, berichtet Birgit Brunner gegenüber FREIHEIT FÜR TIERE. Birgit stieg an der Schleuse aus, um das Boot festzubinden. »Mara schnüffelte auf der Wiese am Wegrand von der kleinen Schotterstraße. Nachdem ich das Boot angebunden hatte - Oswald bediente währenddessen die Sportbootschleuse - blickte ich wieder zu unserer Hündin, die ich für zwei Minuten während des Anbindens nicht im Auge hatte. Und da sah ich, dass Mara eine schwere Verletzung haben musste.«
Die Hündin krümmte sich und konnte kaum atmen. Erst nach gründlichem Absuchen fand Birgit Brunner die von außen kleine Schussverletzung. Ein 77-jähriger Hobby-Jäger, der offenbar zufällig in der Nähe war, hatte mit seinem Kleinkalibergewehr aus seinem Auto heraus auf Mara geschossen. Die Kleinkaliber-Patrone zerfetzte Maras Lunge, Zwerchfell und Leber. Danach fuhr der Jäger »sehr rasant« weg - ohne mit dem Ehepaar zu sprechen und ohne sich um die schwer verletzte Hündin zu kümmern. »Den Schuss hatten wir nicht gehört, sehr laute Geräusche vom Kraftwerk und der Schleuse hatten ihn übertönt«, so Birgit Brunner.
Wenige Minuten vor dem Schuss: Die Urlauber hatten gerade an der Schleuse in Knetzgau angelegt.
Ein Jäger erschoss Mara auf einer Wiese am Main - angeblich, weil sie einen Hasen gewildert hätte. In Wirklichkeit hatte die 8-jährige Alaskan Malamute-Hündin einen beidseitigen Hüftschaden und konnte nur wenige Schritte rennen ... · Bild: Birgit Brunner
Herbeigeeilte Tierärztin kann schwer verletzte Hündin nicht retten
»Frau Brunner rief die Polizei, die sofort mit einer Tierärztin kam. Die Hündin verstarb an den schweren Verletzungen in deren Praxis«, berichtet FREIHEIT FÜR TIERE-Leserin Irmgard Lexa aus Schonungen, das nicht weit von Knetzgau entfernt am Main liegt. »Die Polizei prüfte den Tatort und ermittelte sehr gewissenhaft gegen den amtsbekannten Jäger wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz.«
Die Staatsanwaltschaft Bamberg erließ Strafbefehl. Weil der Jäger die Geldstrafe - die ihn wahrscheinlich den Jagdschein gekostet hätte - nicht bezahlen wollte, legte er Einspruch gegen den Strafbefehl ein. Daraufhin erhob die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Amtsgericht Haßfurt.
Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen amtsbekannten Jäger
Es ist nicht das erste jagdrechtliche Vergehen des 77-jährigen Hobbyjägers: Er soll seine Waffe auf einen pensionierten Polizisten angelegt und Enten über den Köpfen von Spaziergängern geschossen haben. Bereits 2020 hatte sich der Jäger wegen Bedrohung und Beleidigung von Reitern vor Gericht verantworten müssen.
Verhandlung vor dem Amtsgericht: Richter prüft den Fall sehr gründlich
Tierschützerin Irmgard Lexa hat den Fall der erschossenen Hündin, der sich nur etwa 20 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt ereignet hat, von Anfang an mitverfolgt - und sie war am zweiten Verhandlungstag mit Urteilsverkündung am Amtsgericht Haßfurt dabei. »Richter Patrick Keller nahm sich für den Fall sehr viel Zeit: am ersten Verhandlungstag sieben Stunden, am zweiten Verhandlungstag vier Stunden.« Der Richter habe viele Experten - Jäger, Veterinäre, Biologen, Malamute-Kundige - befragt und bis ins kleinste Detail recherchiert. »An beiden Gerichtstagen war der Saal voll. Die Presse war zahlreich vertreten und berichtete sowohl nach dem ersten als auch dem zweiten Verhandlungstag mit der Urteilsverkündung ganzseitig.«
Anwalt des Jägers fordert Freispruch: Hund habe Hasen gewildert
»Ich schieße normal nicht auf einen Hund«, sagte der Jäger am ersten Verhandlungstag. »Aber der hat einen Hasen gejagt, hatte ihn schon mehrfach gepackt. Ich rief, sah aber keine Besitzer des Tieres. Mein Gewehr lag auf dem Rücksitz. Dann hab' ich geschossen. Es war für mich die letzte Möglichkeit, den Hasen zu retten.«
Der Rechtsanwalt des Jägers forderte einen Freispruch: Die Hündin hätte einen Hasen gewildert und diesen sogar gestellt, so dass der Hase »klagte« (= vor Schmerzen schrie). Sein Mandant habe seine Pflicht getan. Aus Gründen des Jagdschutzes habe er den wildernden Hund schießen müssen.
Hündin hatte schweren Hüftschaden und konnte gar keinen Hasen jagen
Die Staatsanwältin widerlegte alle Aussagen des Jägers und seines Anwalts sehr eindeutig: Die achtjährige MalamutHündin hatte einen angeborenen beidseitigen schweren Hüftschaden, so dass sie nur wenige Schritte rennen konnte. Außerdem war es an dem Tag sehr heiß (35 Grad im Schatten). Malamuts sind arktische Schlittenhunde mit dickem Fell, die im Gegensatz zu Huskys eher behäbig sind.
Richter wirft Grundsatzfragen zur Jagd auf
»Während der Verhandlung sagte der Richter etwas sehr Wertvolles«, so Tierschützerin Irmgard Lexa. »Hinter jeder erschossenen Katze, hinter jedem erschossenen Hund stehe ein weinendes Kind. Dies wolle er allen Jägern sagen.«
Der Richter merkte außerdem kritisch an, dass der Jäger ein Kleinkalibergewehr verwendet hatte, um auf die Hündin zu schießen. Sachverständige sagten während des Prozesses, dass dieses Kaliber nicht geeignet sei, um ein so großes Tier wie einen Schlittenhund zu töten, ohne es unnötig leiden zu lassen. Der angeklagte Hobbyjäger sagte dazu aus, dass er nach dem ersten Schuss ein Gewehr mit einem größeren Kaliber von zu Hause holen wollte. In seinem Kleinkalibergewehr hätte sich eine Patronenhülse verklemmt, weshalb er nicht noch einmal nachschießen habe können. Der Todeskampf der schwer verletzten Hündin dauerte über eine Stunde.
Abschuss der Hündin nicht rechtmäßig - Gab es überhaupt einen Hasen?
In seiner Urteilsbegründung machte der Richter noch einmal ausdrücklich klar, dass hier ein Haustier geschossen wurde. Er stellte infrage, ob die an einem Hüftschaden leidende ältere Hündin überhaupt über eine lange Strecke einem Wildtier habe nachjagen können. Außerdem stellte der Richter aufgrund der vielen widersprüchlichen Aussagen infrage, ob überhaupt ein Hase im Spiel gewesen sei. Der Richter kam zu dem Urteil: Der Abschuss der Hündin war nicht rechtmäßig und ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.
Urteil: 5.600 Euro Geldstrafe
Das Amtsgericht Haßfurt verhängte eine Geldstrafe von 5.600 Euro und den Einzug des Kleinkalibergewehrs. Wegen des laufenden Verfahrens vor dem Amtsgericht hatte das Landratsamt Haßfurt im März 2023 den Jagdschein des Hobbyjägers nicht verlängert, so dass er derzeit die Jagd nicht ausüben darf. Der 77-Jährige hat aber eine Verlängerung des Jagdscheins beantragt. Es gilt als unwahrscheinlich, dass das Landratsamt Haßberge den Jagdschein verlängert.
Nach der Urteilsverkündung legte der Hobbyjäger Berufung ein: Seiner Ansicht nach habe der Hund am Main gewildert. Doch nicht nur der Jäger legte Berufung ein, auch die Staatsanwaltschaft geht gegen das Urteil in Berufung: mit der Begründung, dass das Strafmaß zu niedrig sei. Jetzt geht der Fall vor das Landgericht Bamberg.
Ein Hund ist ein geliebtes Familienmitglied.
Der Abschuss eines Haustieres bedeutet großes Leid für die Familie - und zwar nicht nur für die Kinder, die mit dem Tier zusammengelebt haben. Dem Leid von Menschen durch den Abschuss von Tieren müsste in der Rechtsprechung ebenfalls Rechnung getragen werden. · Bild: Birgit Brunner