Die dunkle Seite der Milch: Das Leid der Kälbchen
Die Milchindustrie gaukelt uns in der Werbung gerne vor, dass Kühe ein glückliches Leben auf grünen Weiden führen. Wie sieht die Realität aus? Milchkühe müssen ihr Leben in den meisten Fällen ganzjährig im Stall verbringen - zum Teil sogar immer noch in besonders tierquälerischer Anbindehaltung. So hält nach Angaben des Bayerischen Bauernverbands rund die Hälfte der circa 25.000 Milchviehbetriebe in Bayern ihre Tiere in Anbindehaltung. Damit die Kühe immer Milch geben, werden sie jedes Jahr künstlich befruchtet. Die neugeborenen Kälber werden ihren Müttern kurz nach der Geburt weggenommen. Die Milch, welche die Natur für die Kälbchen bestimmt hat, wird maschinell abgepumpt, industriell verarbeitet und im Supermarkt verkauft. Was passiert dann eigentlich mit den Kälbern?
Die Kälbchen werden meist einzeln in so genannte Kälberiglus gesperrt. Mutter und Kind rufen meist tagelang nacheinander. Die Kälbchen erhalten nach der Erstmilch billige Milchaustauscher aus Molkeprotein oder Soja, sogar Fischmehl ist erlaubt. Zusätzlich zur schmerzlichen Trennung von der Mutter leiden die Kälbchen dadurch oftmals an starkem Durchfall oder anderen Infekten. Auch Hitze und Kälte sind sie in den kargen Boxen nicht selten schutzlos ausgeliefert.
Was passiert mit weiblichen Kälbchen?
Die weiblichen Kälber, die für den Bestandserhalt in der Milchindustrie gebraucht werden, werden mit knapp einem Jahr das erste Mal künstlich besamt. Um fast durchgehend unnatürlich hohe Mengen Milch zu produzieren, müssen Kühe etwa jedes Jahr ein Kalb bekommen. Während der rund neunmonatigen Schwangerschaft wird die Kuh gemolken, nur etwa zwei Monate vor der Geburt wird sie »trockengestellt«. Im Alter von durchschnittlich weniger als fünf Jahren - also nach drei oder vier Schwangerschaften - werden die Kühe zum Schlachthof transportiert, weil sie nicht mehr wirtschaftlich Milch »produzieren«.
Was passiert mit männlichen Kälbern?
Etwa die Hälfte der neugeborenen Kälber ist männlich und erfüllt somit für die Milchindustrie keinen Nutzen. Denn anders als dafür gezüchtete Fleisch-Rassen setzen sie nicht viel Fett an, so dass sie für die Mast unwirtschaftlich sind. Und es gibt so viele von ihnen, weil jede der über vier Millionen Milchkühe jedes Jahr ein Kalb bekommen muss, damit sie Milch gibt. Gewollt ist die Milch, nicht die Kälber.
»Unsere Landwirte müssen diese männlichen Kälber loswerden«, erklärte der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Landwirtschaft und Tierschutz, Kai Braunmiller, gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. »Eine eigene Mast lohnt sich für die meisten aus wirtschaftlichen Gründen nicht.« Darum werden männliche Kälber an spezialisierte Mastbetriebe verkauft - und enden nach wenigen Monaten im Schlachthof.
Qualvolle Tiertransporte
Jedes Jahr werden fast 700.000 männliche Kälbchen sowie überzählige weibliche Kälbchen im Alter von vier bis sechs Wochen an Mastbetriebe verkauft. Viele dieser Mastbetriebe befinden sich im Ausland, zum Beispiel in den Niederlanden oder in Spanien. Dies führt dazu, dass wenige Wochen alte Tierbabys stundenlang quer durch Europa in einem Tiertransporter unterwegs sind. Für die Kälbchen - ihrem Alter nach noch Säuglinge - sind die Tiertransporte eine Qual: Sie schreien vor Durst, Hunger, Angst und Stress.
Laut EU-Verordnung sind Langstreckentransporte von bis zu 19 Stunden inklusive einer einstündigen Pause für »noch nicht entwöhnte Jungtiere« erlaubt. Nach neun Stunden Fahrt ist eine Stunde Ruhezeit mit Tränke vorgeschrieben. Doch Wasser bleibt den Kälbchen verwehrt, weil sie die Tränken für erwachsene Kühe nicht bedienen können. Vor Durst lecken sie an den Metallstangen. Und selbst wenn die Tränken für Kälber geeignet wären - die kleinen Kälbchen, die noch Milch brauchen, können mit Wassertränken nichts anfangen. Die Kälbchen werden also völlig unversorgt über lange Strecken transportiert.
Nach der Mast landen die Kälber noch einmal auf dem Tiertransporter: entweder werden sie in den Schlachthof gekarrt, oder sie werden in Drittländer weiterverkauft und transportiert. Von den Mastbetrieben in Spanien werden sie sogar über das Mittelmeer nach Nordafrika und den Nahen Osten verschifft. In den letzten Jahren sind die Exportzahlen von Spanien in Drittländer außerhalb der EU wie in den Libanon oder nach Ägypten und Libyen angestiegen.
Verladung auf ein Schiff Richtung Libanon.
Offiziell exportiert Deutschland keine »Schlachttiere« in Drittländer außerhalb der EU. Dennoch gelangen jedes Jahr unzählige Rinder aus Deutschland durch Schlupflöcher der Tiertransportbranche oder durch Umwegtransporte über andere Mitgliedstaaten in Schlachthöfe nach Zentralasien, in den Nahen Osten oder nach Nordafrika, wo sie unter grausamen Bedingungen geschlachtet werden. · Bild: © Animal Welfare Foundation e.V.
Transporte sogar bis Nordafrika
Der TV-Journalist Edgar Verheyen hat sich für das Magazin »Kontrovers« des Bayerischen Rundfunks auf Spurensuche nach Kälbern aus deutschen Milchbetrieben begeben. Der Titel der TV-Dokumentation: »Das gnadenlose Geschäft mit den Kälbern.« Gemeinsam mit Einsatzteams der Animal Welfare Foundation folgte Edgar Verheyen Kälbern von ihren Geburtsbetrieben in Deutschland über Sammelstellen in anderen EU-Ländern in die Mastbetriebe in Katalonien - bis zu den spanischen Exporthäfen. Von dort werden die Kälber aus Deutschland nach Nordafrika und in den Nahen Osten verschifft. Die verstörenden Bilder kann niemand vergessen, der sie einmal gesehen hat: Jungrinder, die dicht an dicht gedrängt durch einen schmalen Korridor vom LKW auf eine steile Rampe auf ein Frachtschiff gedrängt werden. Viele Tiere sind entkräftet und wackelig auf den Beinen. Wer nicht weitergeht, wird brutal getrieben. Es gibt Tiere mit gebrochenen Knochen, die mit Kränen auf Schiffe verladen werden.
Sobald die Tiere die EU verlassen, kann sie kein Gesetz vor der betäubungslosen Schlachtung in den Zielländern schützen. Aus der Transportliste eines Schiffs nach Libyen geht hervor: viele Tiere stammen aus Deutschland. Das Magazin »Kontrovers« des Bayerischen Rundfunks hat die Ursprungsbetriebe recherchiert und stieß auf Milchbetriebe in der Oberpfalz und im Allgäu. Man habe die Kälber an einen regionalen Viehhändler verkauft - für weniger als 50 Euro pro Tier. Eine Bäuerin erklärt, sie habe zwischen 20 und 50 Euro pro Kalb bekommen. Kälber als »Wegwerfprodukt.«
Was Sie tun können
Wenn Sie das gnadenlose Geschäft mit den überschüssigen Milchkälbern und die Ausbeutung ihrer Mütter nicht unterstützen wollen, kaufen Sie keine Kuhmilch und keine Kuhmilchprodukte! Aus ernährungsphysiologischer Sicht benötigt der Mensch keine Kuhmilch. Im Gegenteil: Kuhmilch kann unserer Gesundheit sogar schaden. Regelmäßiger Milchkonsum wird mit einem erhöhten Risiko für Brustkrebs und Prostatakrebs in Verbindung gebracht. Entscheiden Sie sich für die pflanzlichen Milch-Alternativen, die inzwischen in jedem Supermarkt zu finden sind: von Hafer-, Mandel- und Sojamilch über veganen Joghurt bis hin zu veganen Käse-Alternativen.
Online-Petition: »Ich fordere, dass Tierexporte aus Deutschland gestoppt werden.«
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Quellen:
· Kontrovers - Die Story: Tiertransporte: Das gnadenlose Geschäft mit den Kälbern. Bayerischer Rundfunk, 21.6.2023.
Auf Youtube ansehen: www.youtube.com/watch?v=wQM_VHR2-LM
· Umstrittene Tiertransporte: Handel mit Kälbern aus Bayern. Bayerischer Rundfunk, 23.6.2023.
· Animal Welfare Foundation e.V.: Tierexporte aus Deutschland in Drittstaaten.
animal-welfare-foundation.org/tiertransporte-exportstopp-deutschland
· Bayerischer Bauernverband: Anbindehaltung beim Milchvieh. Abgerufen am 24.6.2023.
www.bayerischerbauernverband.de/anbindehaltung
· Freiheit für Tiere: Milch tötet Tiere.
freiheit-fuer-tiere.de/artikel/milch-toetet-tiere.html