Für Bienen, Schmetterlinge, Vögel, Igel & Co.: Natürlich gärtnern für die Artenvielfalt
Von Julia Brunke, Redaktion »Freiheit für Tiere«
Was hat unser Garten mit Tierschutz und Artenvielfalt zu tun? Auf den ersten Blick erst einmal nicht so viel. Doch vor dem Hintergrund des dramatischen Artensterbens könnten private Gärten und öffentliche Parks eine bedeutende Rolle spielen, um Inseln der Artenvielfalt zu schaffen. Und erfreulicher Weise erscheinen immer mehr Ratgeber für nachhaltiges und natürliches Gärtnern - als Gegenentwurf zum weltweit fortschreitenden Lebensraumverlust von Tieren und Pflanzen.
Mit Titeln wie »Lass wachsen«, »Einfach gärtnern« oder »Schau mal, was da wächst« zeigen uns Fachleute aus Biologie, biologischem Gartenbau und Naturpädagogik, wie wir auch ohne Vorerfahrung aus unserem Garten ein kleines Paradies schaffen können: für Tiere und Pflanzen, aber auch für uns selbst. Und auch wer keinen Garten hat, kann mit Topfgärten auf Terrasse und Balkon zur Artenvielfalt beitragen.
Jede fünfte (!) Pflanzen- und Tierart vom Aussterben bedroht
Es ist mehr als dramatisch: Vor fünf Jahren, 2019, hatte der Weltbiodiversitätsrat geschätzt, dass von acht Millionen Arten auf dieser Erde eine Million vom Aussterben bedroht sind. Inzwischen ist einer Studie zufolge jede fünfte (!) Pflanzen- oder Tierart in Europa vom Aussterben bedroht.
Der wichtigste Faktor für das Aussterben von Tieren ist der Mensch: Vernichtung von Lebensräumen, industrielle Landwirtschaft mit Monokulturen und Pestiziden, industrielle Massentierhaltung mit all ihren dramatischen Folgen für Böden, Gewässer, Regenwald und Klima, massive Abholzung, Umweltverschmutzung, Jagd, Überfischung und vieles mehr sorgen für das unwiederbringliche Verschwinden zahlreicher Tierarten.
Die Blauschwarze Holzbiene ist »Wildbiene des Jahres 2024«.
Sie brummt laut, ist aber sehr friedfertig. Auffällig sind die wunderschön blauschillernden Flügel und der metallisch-schwarz glänzende Körper. Wenn Sie ihr und anderen Insekten ein Zuhause geben wollen, lassen Sie alte Bäume stehen, Totholz und Holzhaufen liegen. Oder stellen Sie ein Insektenhotel auf. Die Holzbiene liebt - wie alle Bienen, Hummeln und Schmetterlinge - Kräuterbeete mit Lavendel, Salbei, Minze, Rosmarin und Ringelblume, Gemüsebeete mit Topinambur, Erbsen, Gartenbohnen und Lupinen sowie Blumenbeete und Wildblumenwiesen mit Sonnenblumen, Margeriten, Wiesensalbei, Wiesenklee und Löwenzahn. · Bild: TP
Resignieren ist nicht angesagt: Nutzen wir unsere Macht - beim Einkauf und auf dem eigenen Grundstück!
Krisen, wohin man auch schaut. Und manchmal möchte man am liebsten wegschauen. »Da wir Menschen an fast jedem Übel der Welt selbst schuld sind, fühlt man sich gleich ganz schlecht und vor allem ohnmächtig, denn alleine kann man es doch nicht mehr zum Guten wenden, oder?«, schreibt die Biologin Elke Schwarzer in ihrem Buch »Lass wachsen«.
Doch Resignieren ist nicht angesagt: Jede und jeder Einzelne hat mehr Macht, als sie oder er denkt! Durch das, was wir kaufen und vor allem auch das, was wir eben nicht kaufen, entscheiden wir, ob wir Lebensraumverlust, Artensterben und Tierausbeutung unterstützen oder biologischen und veganen Landbau, Fair Trade und nachhaltige Produktion.
Und: Jede und jeder Einzelne kann aktiv Lebensräume schaffen: durch die Gestaltung des eigenen Gartens als Tierparadies, durch ganzjährige Futterstellen und Nistkästen für Vögel sowie Fledermauskästen und Insektenhotels, durch die Anlage von Hecken, Streuobstwiesen und Teichen oder durch Projekte auf kommunaler Ebene.
»Lass wachsen«: Wildblumenwiesen sind für uns eine Augenweide und bieten Wildbienen, Schmetterlingen und Vögeln Lebensraum und Nahrung.
Wichtig: Lassen Sie Wiesen und Stauden über den Winter bis in den Mai hinein stehen. Viele Insekten nutzen hohle Stängel als Winterquartier, darunter viele Wildbienenarten. An Stängeln und Gräsern verbergen sich Eier, Raupen und Puppen von Schmetterlingen. Die Samenstände bieten Vögeln Nahrung. · Bild: Freiheit für Tiere
»Lazy Gardening« ist im Trend: Mit etwas Faulenzen der Natur Gutes tun und den Insekten helfen.
Die Aktion »No Mow May« oder zu Deutsch »Mähfreier Mai« ruft dazu auf, den Rasenmäher im Mai im Schuppen stehen zu lassen. Ziel der Aktion ist es, den Insekten Nahrungsquellen und Nistmöglichkeiten zu bieten, indem man Wildkräutern und Blumen wie Gänseblümchen die Chance gibt, sich zu vermehren. Die Aktion »No Mow May« hat übrigens ihren Ursprung ausgerechnet in Großbritannien, dem Land der feinen Rasenkultur. Dort werden inzwischen Rasenflächen mit Wildblumen als Zeichen für umweltbewusstes Gärtnern und nicht als Schlampigkeit angesehen. · Bild: Freiheit für Tiere
Insektensterben: Drei Viertel aller Fluginsekten sind in den letzten 30 Jahren verschwunden
Die Zahl der Insekten in Deutschland ist nicht nur zurückgegangen, sie ist regelrecht eingebrochen: Dreiviertel aller Fluginsekten ist im Verlauf von nicht einmal dreißig Jahren verschwunden, so dass schockierende Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2017. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2020 kam zu dem Ergebnis, dass jedes weitere Jahr fast ein Prozent der Insekten verschwinden. So genau kann man das alles nicht sagen, denn auf der Roten Liste Deutschlands ist nur etwa ein Viertel der Insektenarten überhaupt erfasst. Und von diesen Arten sind fast die Hälfte in ihrem Bestand rückläufig: Bienen und Hummeln, Schmetterlinge, Heuschrecken und Fliegen, aber auch Insekten, die für gesunde und fruchtbare Böden sorgen. |
Fledermäuse: Am Rand der Ausrottung
Fledermäuse leben seit 50 Millionen Jahren auf dieser Erde. Die letzten 50 Jahre haben sie bei uns an den Rand der Ausrottung gebracht: In Deutschland leben noch 25 Fledermausarten. Davon stehen 17 Arten auf der Roten Liste. Zur Hauptbedrohung der Fledermäuse zählen die Zerstörung ihrer Lebensräume und das dramatische Insektensterben. |
Die Idee: Im Garten die Welt retten. - Geht das?
Im Garten die Welt retten? - »Das klingt zugegebenermaßen etwas übertrieben, aber selbst das kleinste Fleckchen Grün rettet ein bisschen die Welt vor deiner Haustür«, schreibt die Biologin Elke Schwarzer. Und sie ruft uns alle auf: »Mach mit, sei Teil der Lösung und lass dich vor allem nicht unterkriegen!« In ihrem Buch »Lass wachsen« zeigt sie uns, wo wir anpacken können.
»Als Gartenmenschen stehen wir sogar ziemlich gut da, denn wir haben einen ganzen blühenden und grünenden Werkzeugkasten zur Verfügung, mit dem wir gegen die Klimakrise und das Artensterben gleichzeitig anpflanzen können - und schon ist die persönliche Krise aufgrund der Katastrophenmeldungen auch ein wenig gemildert«, so Elke Schwarzer.
»Die gute Nachricht ist: In Deutschland gibt es rund 17 Millionen Gärten mit einer Gesamtfläche von etwa 6.800 km².« Dazu kommen unzählige Balkone, Terrassen, Dachterrassen, Flachdächer und versiegelte Flächen, die wir mit Kisten, Kübeln, Hochbeeten oder Dachbegrünung wiederbeleben könnten. »Anstatt also nur das Schlechte zu sehen und den Kopf in den Sand zu stecken, stecken wir die Hände lieber in Gartenerde und konzentrieren uns auf das, was wir beeinflussen können«, schreibt die Biologin.
Und beeinflussen können wir in unserem Garten viel: Alleine durch selteneres Mähen kann so ohne viel Aufwand die Artenvielfalt gesteigert werden. Projekte wie der »Blühende Campus« der Freien Universität Berlin zeigen beeindruckende Ergebnisse: Auf seltener gemähten Flächen konnte eine bis zu vierzigfache Zunahme der Insektenmenge in nur zwei Jahren beobachtet werden! (A. Proske, S. Lokatis, J. Rolff: Impact of mowing frequency on arthropod abundance and diversity in urban habitats: A meta-analysis. Urban forestry & urban greening. 2022)
Machen Sie aus Ihrem Garten ein kleines Paradies für Menschen und Tiere!
Denken Sie auch an ganzjährig an Wasserstellen, an denen Insekten und Vögel trinken können. Vögel lieben es auch, zu baden, weswegen Sie regelmäßig für frisches Wasser sorgen sollten. An der Wasserstelle sollten Äste und Zweige sein, damit die Vögel ihr Gefieder trocknen können. Für Igel stellen Sie eine Wasserschüssel auf den Boden. · Bild: Freiheit für Tiere
Topinambur-Knollen enthalten viel wertvolles Ballaststoff Inulin.
Der Ballaststoff sorgt für einen konstanten Blutzuckerspiegel (»Diabetikerkartoffel«) und baut als Präbiotikum eine gesunde Darmflora auf. Außerdem enthalten die Superknollen Vitamin C, B-Vitamine, Magnesium, Kalzium, Phosphor und Eisen. · Bild: Freiheit für Tiere
Vogelsterben: Fast jede zweite Brutvogelart auf der Roten Liste
Im Vergleich zum Jahr 1800 leben heute 80 Prozent weniger Vögel in Deutschland. Über die Hälfte der heute noch in Deutschland brütenden Vogelarten nimmt im Bestand ab, darunter sind selbst ehemalige »Allerweltsarten« wie Star und Spatz. Fast jede zweite der 259 regelmäßig in Deutschland brütenden Vogelarten steht inzwischen auf der Roten Liste. Zehn Vogelarten sind bereits ausgestorben. Besonders bedroht sind Vogelarten der Agrarlandschaft: |
Hängen Sie Nistkästen im Garten auf. So viele wie möglich.
Der Nistkasten dient als Brutstätte und warmes Winterquartier und die Obstbäume locken Insekten an - lebensnotwendige Nahrung für die immer hungrigen Vogelkinder. Und auch Fledermäuse sind hier am Abend auf der Jagd nach Insekten zu beobachten. · Bild: Freiheit für Tiere
Ökologisch gärtnern - aber wie?
In ihrem Gartenratgeber »Lass wachsen!« erklärt uns Bestseller-Autorin Elke Schwarzer alles Wissenswerte rund ums ökologische Gärtnern: die Ausgangslage, die nötigen Basics und das Wissen zum Tieferbuddeln. Wer lebt im Boden? Wie funktioniert der Nährstoffkreislauf oder das Pflanzen & Pflegen mit Kompost, Mulch und organischem Dünger von Brennnesseljauche bis Holzasche? Wie gestalte ich Garten, Terrasse und Balkon vielfältig und besonders tierfreundlich? Welche cleveren Pflanzenkombis sind unwiderstehlich für Biene, Schmetterling & Co.? Warum sind Nisthilfen für Insekten so wichtig?
Gärten für Tiere
Vögel mögen fast jeden Gartenstil, solange sie Insekten, Früchte und Samen finden, dazu Wasser und einen geschützten Brutplatz.
Je mehr Arten wir in den Garten locken können - viele verschiedene Vögel, aber auch Schmetterlinge, Libellen, Wildbienen, Igel, Fledermäuse & Co. - umso mehr haben wir auch das Gefühl, etwas bewirkt zu haben. »Wir setzen eine Aufwärtsspirale in Gang, für uns selbst und die Tiere«, so Elke Schwarzer. Ihr Buch »Lass wachsen« macht richtig Lust darauf, gleich nächstes Wochenende mit dem Gärtnern zu beginnen - für Menschen, Tiere und die Welt.
Großstädte als Inseln der Artenvielfalt
Inmitten der Agrarwüsten mit Monokulturen, Gift und Gülle sind ausgerechnet unsere Großstädte mit ihren vielen Parks, Seen und Flüssen, dem Mosaik privater Gärten und Schrebergärten sowie Industriebrachen zu Inseln der Artenvielfalt geworden, die mit den besten Naturschutzgebieten mithalten können. |
»Lass wachsen!« - Die Autorin
Spiegel-Bestseller-Autorin Elke Schwarzer ist Diplom-Biologin. Aus ihrem kleinen Reihenhausgarten in NRW hat sie in wenigen Jahren ein Naturparadies geschaffen. Natürlich gärtnert sie mit Kompost, torffreier Erde und ohne Pestizide. Bienenhotels, einen Hummelnistkasten und Aurorafalter, die ihre Eier am Silberblatt ablegen, gibt es in ihrem Garten zu entdecken, allerdings auch etliche Nacktschnecken, denen sie mit einer entsprechenden Pflanzenauswahl den Appetit verdirbt. Von ihrer Arbeit im Garten und ihren Ausflügen in die Natur, bei denen sie gerne Insekten und Pflanzen fotografiert, berichtet sie regelmäßig in ihrem Blog. Elkes Blog: guenstiggaertnern.blogspot.com |