Angst vor Wölfen? Lasst die Tiere in Ruhe und schützt die Herden!
Von Dr. Helga Körnig, Internationaler Tierschutzverein Grenzenlos e.V.
Das Bedürfnis der Menschen nach »Sicherheit« ist oft sehr irrational, unbegründet und nicht nachvollziehbar. Warum haben so viele Menschen vor Wildtieren - vor Wölfen oder auch mal einem einzelnen Bären - so große Angst, vor Atomkraftwerken aber nicht?
Während in Deutschland seit ihrer Rückkehr vor rund 25 Jahren kein einziger Mensch durch Wölfe zu Tode kam oder auch nur verletzt wurde, kommen in nur einem Jahr rund 2400 Menschen durch den Straßenverkehr zu Tode. Dennoch haben wir keine Angst vor Autos.
Viele Menschen lassen sich offenbar von Stimmungsmache durch Vertreter bestimmter Interessen in die Irre führen und blenden, ohne selbst nachzudenken und wissenschaftlichen Erkenntnissen Glauben zu schenken.
Die Wölfe sind 150 Jahre nach ihrer Ausrottung durch den Menschen nach Deutschland zurückgekehrt. Sie finden hier geeignete Lebensräume mit viel Wild vor: Zu über 90 Prozent ernähren sie sich von Rehen, Hirschen und Wildschweinen.
Menschen stehen - entgegen dem Märchen von Rotkäppchen - nicht auf ihrem Speiseplan. An Pferden und Rindern auf der Weide haben sie wenig Interesse, weil diese sich zur Wehr setzen können, wohl aber an leicht zu erreichender Beute wie ungesicherten Schafe. Woher sollten sie auch wissen, dass diese Schafe Menschen gehören und keine Beute für sie sind?
Maßnahmen zum Herdenschutz
Die menschlichen Eigentümer aber sollten die Eigenschaften eines Beutegreifers wie dem Wolf inzwischen kennen. Sie können und müssen ihre Herden schützen: durch entsprechend gesicherte Elektro-Zäune, durch Herdenschutzhunde und auch durch Hirten. Finanzielle Unterstützung für Schutzmaßnahmen und Entschädigungszahlungen, wenn finanzieller Schaden entsteht, stehen durch die Bundesländer zur Verfügung.
Gemäß § 3 der Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung - TierSchNutztV) ist es außerdem die Pflicht der Tierhalter, ihre Tiere zu beschützen.
Das alles ist bekannt. Aber der Protest gegen die Wölfe nimmt kein Ende. Die Jäger möchten gern schießen, die »Nutz«Tierhalter möchten keine zusätzlichen Mühen auf sich nehmen, die ihren Tieren Schutz bieten würden. Der Bevölkerung wird suggeriert, dass die Wölfe Menschen angreifen. Nun erreicht diese durchsichtige Agitation die Politik.
Wölfe sind vorsichtige Wildtiere, die Begegnungen mit Menschen in der Regel meiden.
Spaziergänger werden einen Wolf kaum aus der Nähe zu Gesicht bekommen. Der Naturfotograf Heiko Andres, von dem diese Fotos stammen, arbeitet nicht nur mit leistungsstarken Teleobjektiven, sondern auch mit Tarnzelt und Tarnkleidung, um Wölfe vor die Linse zu bekommen. »Nehmen die Wölfe, von mir natürlich nicht gewollt, mich als Menschen wahr, ziehen sie sich schnell zurück.« · Bilder: © Heiko Anders · www.andersfotografiert.com
Wölfe sind durch internationales und europäisches Recht sowie das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt
Wölfe sind durch das Washingtoner Artenschutzabkommen sowie die Berner Konvention streng geschützt. Deutschland hat beide Abkommen ratifiziert, sodass diese völkerrechtlich verbindlich sind. Auch die Europäische Union hat Wölfe in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie unter besonderen Schutz gestellt. Als EU-Mitglied hat sich Deutschland verpflichtet, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie umzusetzen und »Natura 2000«, ein EU-weites Netz von Schutzgebieten zur Erhaltung gefährdeter oder typischer Lebensräume und Arten zu etablieren - und dafür Sorge zu tragen, dass Wölfe langfristig einen lebensfähigen Bestand aufbauen können. Das ist eine eindeutige Regelung, der alle europäischen Staaten zugestimmt haben. Wie oft wird an die »europäische Gemeinsamkeit« appelliert! Daran sollte man sich halten.
Doch um potenziellen Wählerinnen und Wählern gefällig zu sein, wird der Wolfsschutz schon mal aufgeweicht. Es sind ja nur Tiere. Die haben keine Rechte, nicht einmal das Recht auf Leben. So wurde der Wolf 2022 in das Niedersächsische Jagdgesetz aufgenommen und mit einer ganzjährigen Schonzeit belegt. Auch in anderen Bundesländern und auf Bundesebene strebt man eine entsprechende Gesetzesänderung an. Dadurch würde die Bejagung, sollte der Status der Wölfe herabgestuft werden, erleichtert. Man müsste nur die Schonzeit ändern -und die Jagd kann beginnen.
Bereits jetzt werden Ausnahmegenehmigungen zum Abschuss so genannter »Problemwölfe« erteilt. Daneben gibt es die vielen illegalen Wolfstötungen, die kaum geahndet werden.
Es ist müßig, darüber zu diskutieren, welcher Wolf aus einem Rudel geschossen werden darf und welcher nicht. Letztlich führt jede »Auswahl« zu Problemen im Rudel und zu unerwartetem Verhalten der anderen Wölfe, bis schließlich wieder einer auf der Todesliste steht...
Dabei würde sich ohne Eingreifen des Menschen die Population in einem bestimmten Gebiet selbst stabilisieren - wie auch bei den Füchsen in Luxemburg, die seit inzwischen acht Jahren nicht geschossen werden dürfen. Wenn eine gewisse Populationsdichte erreicht ist, dann nimmt die Reproduktion ab. Also: Keine Angst vor zu vielen Wölfen! Lasst die Tiere in Ruhe und schützt die Herden.