Beschwerde gegen Zwangsbejagung beim EGMR
Ein Tierfreund und Veganer will in seinem Wald in Kärnten die Jagd aus ethischen Gründen verbieten. Der Rechtsanwalt beruft sich auf sein Eigentumsrecht sowie seine Ablehnung der Jagd aus ethischen Gründen und klagte bis vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser lehnte den Jagdfreistellungsantrag im November 2016 ab. Ende Januar 2017 reichte der Grundstückseigentümer Beschwerde gegen die Zwangsbejagung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein.
Der Kläger, ein Rechtsanwalt aus Wien, besitzt etwa sechs Hektar Wald in Kärnten (Bezirk Spittal), in dem er die Jagd aus ethischen Gründen verbieten lassen will. Im Oktober 2014 hatte er die Jagdfreistellung seines Grundstücks bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft beantragt.
Tiere von Jägern erschossen werden
Nach Ablehnung seines Antrags auf Jagdfreistellung legte der Jurist Beschwerde bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft und dann beim Landesverwaltungsgericht ein. Dort hatte er vorgetragen, dass er das Töten von Tieren ablehne, fast vegan lebe und aufgrund seiner ethischen Überzeugung auch die Jagd auf seinem Grundstück verbieten wolle. Das Landesverwaltungsgericht wies die Klage am 18. Mai 2015 ab. Daraufhin rief der Waldeigentümer das höchste österreichische Gericht an. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) lehnte den Jagdfreistellungsantrag mit seinem Urteil G7/2016-29 vom 15.10.2016, veröffentlicht am 3.11.2016, ab.
Der Verfassungsgerichtshof spricht Eigentümern Recht auf Entscheidung über Bejagung ihres Grundstücks ab , kritisierte daraufhin der Wiener Tierschutzverein. Wie viele Richterinnen und Richter im VfGH sind Jägerinnen oder Jäger? , fragte Madeleine Petrovic, Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins.
Der Fall des Waldbesitzers steht stellvertretend für weitere Grundeigentümer in Österreich, die sich die Zwangsbejagung auf ihrem Grund und Boden nicht mehr gefallen lassen wollen.
auf ihrem Grundeigentum verbieten
Immer mehr Menschen sind nicht gewillt, die Zwangsbejagung ihrer Grundstücke zu akzeptieren. Denn jagdfreie Grundstücke bieten wertvolle Schutzgebiete für Natur und Tiere , erklärt Dr. Michaela Lehner von der Anwaltskanzlei Stefan Traxler. Alleine unsere Kanzlei vertritt aktuell um die 30 Personen österreichweit, und es werden von Tag zu Tag mehr. Die Juristin ist auf Tierrecht spezialisiert und sich sicher: Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs wird nicht halten.
seinen Wald einzäunen, um Jagd zu verbieten
Laut dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs sei es nicht unverhältnismäßig, wenn der Gesetzgeber für die Jagdfreistellung eines Grundstückes (...) dessen Umzäunung verlangt. Diese Regelung kann auch von jemandem, der die Jagd aus ethischen Gründen ablehnt, in Anspruch genommen werden.
Madeleine Petrovic, Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins, kritisiert diese Begründung des Verfassungsgerichtshofs: In vielen Fällen ist das weder möglich, noch wirtschaftlich tragbar und entspricht nicht den klaren Intentionen des Forstrechts: Denn der Wald soll der Allgemeinheit dienen, den Menschen zur Erholung, den Tieren als Lebensraum.
Auch der Grundstückseigentümer weist als Jurist darauf hin, dass eine Umzäunung gegen 33f des Forstgesetzes verstoße. Außerdem seien die Kosten einer derartigen Umzäunung nicht zumutbar.
Österreich - Land der Zwangsbejagung
Dr. Dr. Martin Balluch vom Verein gegen Tierfabriken, der die Klage des Waldeigentümers bis vor den Verfassungsgerichtshof begleitet hatte, kritisierte, die Zwangsbejagung werde in Österreich aufrecht erhalten, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in den Fällen Frankreich, Luxemburg und Deutschland bereits entschieden hatte, dass Grundeigentümer, die aus ethischen Gründen die Jagd ablehnen, diese auf ihrem Grund verbieten können müssen.
Die Bundesrepublik Deutschland wurde mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26.6.2012 verpflichtet, ihre Jagdgesetzgebung zu ändern: Grundeigentümer können seit 2013 einen Antrag auf jagdrechtliche Befriedung aus ethischen Gründen stellen.
für Menschenrechte anrufen
Ende Januar 2017 reichte der Rechtsanwalt aus Wien Beschwerde gegen die Republik Österreich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Er hält es aufgrund seiner ethischen Überzeugung für unzumutbar, dass er als Grundstückseigentümer die Jagd auf seinen Grundstücken dulden muss. Unter Bezugnahme auf die vorangegangenen Urteile des höchsten europäischen Gerichts sieht sich der Beschwerdeführer in seinen durch die Europäische Menschenrechtskonvention EMRK verbrieften Menschenrechten, insbesondere Artikel 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK (Schutz des Eigentums), verletzt.
Auch Juristin Michaela Lehner will für die Mandanten ihrer Kanzlei ganz konkrete verfassungsrechtliche Bedenken gegen weitere VfGH-Urteile vorbringen. Denn Grundrechte wie das Recht auf Achtung des Eigentums oder das Recht auf Gewissensfreiheit sind ein wichtiges Fundament unseres Rechtsstaates , erklärt sie. Österreich wird - wie zuletzt die Bundesrepublik Deutschland - durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verpflichtet werden, seine Jagdgesetzgebung zu ändern: Grundeigentümer werden spätestens dann einen Antrag auf jagdrechtliche Befriedung aus ethischen Gründen stellen können.
Österreichern müssen dieselben Möglichkeiten des Austrittes aus der Zwangsbejagung eingeräumt werden, wie es in anderen Ländern Europas mittlerweile eine Selbstverständlichkeit ist , fordert Dr. Christian Nittmann, Sprecher von Zwangsbejagung ade Österreich . Die Bürgerinitiative unterstützt Grundstückseigentümer, den Antrag auf Jagdfreistellung bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zu stellen.
Quellen:
Fast veganer Grundstücksbesitzer reicht Beschwerde gegen Zwangsbejagung beim EGMR ein. oekonews.at, 28.1.2017
Urteil des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs G7/2016-29 vom 15.10.2016, veröffentlicht am 3.11.2016
Initiative Zwangsbejagung ade Österreich. www.zwangsbejagung-ade.at
Tierfreund. Magazin des Wiener Tierschutzvereins. Ausgabe 12/2016
Jagd gegen Willen von Waldbesitzer erlaubt. ORF, 4.11.2016
Verein gegen Tierfabriken. Pressemeldung vom 4.11.2016
Informationen:
Zwangsbejagung ade Österreich |