Federkleid & Flügelschlag: Vögel im Portrait
Buchvorstellung von Julia Brunke, Redaktion FREIHEIT FÜR TIERE
Informativ und inspirierend dokumentieren die beiden Vogelkundler Thomas Griesohn-Pflieger und Iris Lichtenberg in ihrem Buch »Federkleid & Flügelschlag« die Schönheit unserer Vogelwelt. Die Portraits von 100 heimischen Vogelarten werden illustriert mit den bezaubernden Kunstwerken der Schweizer Naturmaler Paul-André und Léo-Paul Robert.
Von A bis Z werden unsere heimischen Vögel jeweils auf einer großformatigen Doppelseite in Text und Bild vorgestellt: ihre Lebensweise, ihre Biologie und Ökologie. Den beiden Vogelforschern geht es aber nicht nur um reine Wissensvermittlung über Sing-, Greif- und Stelzvögel, sondern um die Begegnung mit ihnen - und es gelingt ihnen, uns die Vögel wirklich nahe zu bringen, auch über persönliche Erlebnisse und Anekdoten.
"Das Beobachten von Vögeln erfüllt uns mit tiefer Freude"
»Wir lieben Vögel. Wir können die Augen nicht von ihnen lassen und wir suchen Vögel«, schreiben Iris Lichtenberg und Thomas Griesohn-Pflieger. »Das Beobachten von Vögeln erfüllt uns mit tiefer Freude und wir fühlen uns vielen Menschen verbunden, denen es ebenso geht. Wir erleben es als großes Glück, wenn es uns gelingt, einen Vogel oder eine Vogelart gründlich kennenzulernen.« Und: »Oft nötigt es uns Respekt ab, wie Vögel sich an die von uns Menschen verursachten eingeschränkten Überlebensmöglichkeiten anpassen, und unser Blick darauf wird durch die Beobachtung geschärft.«
Iris Lichtenberg und Thomas Griesohn-Pflieger sind beide seit vielen Jahren bei birdnet.de aktiv. Sie erklären, dass es lange Zeit in der Biologie und auch in der Naturkunde verpönt war, Emotionen ins Spiel zu bringen - René Descartes lässt grüßen. »Allerdings machen viele Bücher der letzten Jahre Schluss mit diesem Tabu, das in den angelsächsischen Ländern schon lange gefallen ist.«
Verwandtschaft alles Lebendigen
»Noch eine andere Entwicklung hat uns beflügelt. Wir erkennen immer mehr die Individualität der Lebewesen«, so die Vogelkundler. In der Wissenschaft wisse man inzwischen, dass nicht Instinkte, sondern Erfahrungen die Verhaltensweisen von Tieren steuern. »Was wir beim Beobachten draußen erleben, sind Individuen, und zwar vor und hinter dem Fernglas. Wir glauben, dass sich die Verwandtschaft alles Lebendigen untereinander auch in unserer Sprache niederschlagen sollte. So spielen Mauersegler nicht am Himmel, sondern verbringen dort ihr Leben.« Noch wimmle es in unserer Sprache von Abgrenzungen gegenüber dem "Tierischen", bemerken Iris Lichtenberg und Thomas Griesohn-Pflieger: »Tiere fressen ihre Nahrung, sind niedlich und lassen sich in Weibchen und Männchen unterscheiden. Wir wollen sie einfach nicht ernst nehmen - die Mitgeschöpfe. Kann man bei einem weiblichen, 30 Meter langen und 200 Tonnen schweren Blauwal von Weibchen sprechen? Oder bei einem Seeadler mit 2,5 Metern Spannweite?«
Der Buchfink zählt neben der Amsel zu den häufigsten Vögeln in Mitteleuropa. Er bewohnt nicht nur Wälder, sondern auch Gärten und die Parks der Innenstädte.
»Kaum ein anderer Gesang in den noch kahlen und hellen Wäldern des ersten Jahresviertels kündigt den Frühling mit rosa Apfelblüten, hohem Himmel und schwellenden Knospen an wie der Schlag des Buchfinks. ...
Buchfinken singen keineswegs so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, auch ist ihnen ihr Gesang nicht angeboren. Vielmehr lernen sie von Vorbildern. ...
Buchfinken singen den ganzen Tag über, nicht nur nach Sonnenaufgang oder abends, wie die meisten anderen der gefiederten Sänger. Interessant ist, dass Buchfinken mehrere Strophentypen singen können. Warum? Cherchez la femme! In Experimenten konnte gezeigt werden, dass Finkenfrauen stärker auf ein größeres Repertoire reagieren als auf einen monotonen Sänger. ...
Am liebsten singt der Buchfink von einem erhobenen Platz aus. Schlägt er mit einem scharfen "fink" Alarm, wissen wir, woher sein Name rührt.«
(Thomas Griesohn-Pflieger - Aus: »Federkleid & Flügelschlag«)
»Über die Elster ist viel gesagt worden, das meiste davon ist Unsinn und sagt eher etwas über den Menschen als über die Elster. Neben ihrer abergläubischen Bedeutung als Todesbote und Unheilverkünder wird sie heute noch als Dieb und Schädling bezeichnet. Keine dieser Aussagen ist wissenschaftlich belegt, im Gegenteil, gerade ihre Rolle als Schädling von Singvogelpopulationen ist inzwischen widerlegt. Zumal wir nicht vergessen sollten, dass die Elster selbst ein Singvogel ist, einer der wenigen, die auch heute noch in vielen Ländern Europas gejagt werden dürfen. ...
Die Elster wurde zur Landflucht gezwungen, die halboffenen Weidelandschaften mit Hecken und Bäumen sind Monokulturen und Äckern ohne Baum und Strauch gewichen. Hier regieren nun die Aaskrähen, der größte Nahrungskonkurrent der Elster. Und so kommen sie in unsere Siedlungen. ... Und ist die Elster nicht eine Bereicherung unserer Städte? Schauen Sie sich diesen wunderschönen Vogel einmal im Sonnenlicht an, wie sein Gefieder metallisch in Grün, Violett und Blautönen schimmert. Der elegante lange Schwanz, der ihren Flug etwas schwerfällig aussehen lässt, mit dem sie aber geschickt in Sträuchern und Bäumen klettern kann.
Die Elster gehört zu den wenigen Vögeln, die sich im Spiegel selbst erkennen können, also sicher ein Bewusstsein ihrer selbst hat. Ich finde, man sieht es ihr an: die offensichtliche Klugheit, mit der sie ihre Umgebung beobachtet und untersucht.«
(Iris Lichtenberg - Aus: »Federkleid & Flügelschlag«)
»Was hat das Rebhuhn mit Auerochse, Kolbenhirse, Emmer und Vielzeilengerste zu tun? Sie ahnen es: Ohne diese jungsteinzeitlichen Feldfrüchte wäre es kaum aus den Steppen Asiens bei uns eingewandert. ... Es war also die Landwirtschaft, die das Rebhuhn zu uns brachte und leider ist es auch die Landwirtschaft, die das Rebhuhn bei uns an den Rand des Aussterbens bringt. ...
Heute dehnen sich endlose Maisschläge, werden Unkräuter und Insekten mit Bioziden vernichtet, Hecken und Böschungen begradigt und ausgeräumt. ... Die Hühner leiden nicht nur direkt unter Nahrungsmangel durch die Dezimierung von Insekten und Wildkräutern, auch ihr Sozialverhalten wird in der Wüstenei stark beeinträchtigt.«
(Thomas Griesohn-Pflieger - Aus: »Federkleid & Flügelschlag«)
Die bezaubernden Vogelaquarelle stammen von den Schweizer Naturmalern Léo-Paul Robert (1851 - 1923) und seinem Sohn Paul-André Robert (1901 - 1977). Léo-Paul Robert zeichnete und malte im Verlauf seines Lebens Hunderte von Vogelbildern, sowie Studien von Raupen und Insekten sowie Landschaftsbilder. Erste Farbtafeln entstanden in den 1870er Jahren zunächst für Schweizer Schulen, dann für die Publikation »Les oiseaux dans la nature« (1879 - 81). Paul-André führte nach dem Tod seines Vaters 1923 dessen Werk weiter. Er wurde neben den Vogelzeichnungen vor allem durch seine eindrucksvollen Darstellungen von Libellen bekannt. 1973 wurde ihm für seine Studien zu Libellen und ihren Larven der Ehrendoktor der Universität Neuenburg verliehen. |
100 heimische Vögel von A-Z
In ihrem Buch »Federkleid & Flügelschlag« stellen die beiden Vogelkundler vor allem heimische Landvögel vor: von Alpenschneehuhn, Amsel und Blaumeise über Mauersegler, Mönchsgrasmücke, Rebhuhn, Rotmilan und Steinkauz bis Zaunkönig und Ziegenmelker.
Nach den Vogelportraits gibt es eine kleine Einführung in die Vogelbeobachtung mit wertvollen Informationen über Grundausstattung, Vogelfütterung und »Anstandsregeln« bei der Beobachtung von Vögeln.
Vogelbeobachtung
Nun hat nicht jeder die Lust oder die Möglichkeit, Vögel mit Fernglas, Spektiv oder Kameras zu beobachten - denn eine solche Ausrüstung kostet nicht nur einiges, sondern ist auch recht schwer zu schleppen. Doch jeder kann Vögel beobachten und ihre Lebensweise kennenlernen: »Beobachten Sie doch im eigenen Garten an der Vogelfütterung. Oder beginnen Sie, auf Ihren Spaziergängen auf Vögel zu achten, halten Sie vielleicht nur kurz inne und schauen, nehmen wahr, dass dort ein anderes Lebewesen sein Tagwerk verrichtet.«
Iris Lichtenberg und Thomas Griesohn-Pflieger regen uns an, offenen Auges und mit offenem Herzen spazieren zu gehen. Vielleicht bleiben Sie am Weg eine Weile still stehen - dann nähern sich Vögel bei der Nahrungssuche oft von selbst. Wenn sich Vögel nicht gestört fühlen, bewegen sie sich ganz unbefangen und ermöglichen uns so einen Einblick in ihre Lebensweise. Oder Sie richten den Blick in den Himmel. »Und plötzlich fällt auf, dass dort einiges los ist. Ein Turmfalke rüttelt, ein Bussard kreist, ein großer Schwarm Krähen ist auf dem abendlichen Weg zum Schlafbaum. Sie bemerken vielleicht, welche Pflanzen von den Vögeln in Ihrem Garten häufig besucht werden und fragen sich, wie Sie den Garten umgestalten können, um weitere Arten zu unterstützen. All das kann passieren, wenn Sie auf Vögel schauen.«
Das Buch: 100 Vogelarten im Portrait
Thomas Griesohn-Pflieger ist Journalist und Buchautor. Er baute das Magazin VÖGEL auf und gründete später die Zeitschrift Naturgucker . Als Reiseleiter und Dozent leitet er international vogelkundliche Reisen. Im Internet ist er seit 1995 mit birdnet.de aktiv. |
Iris Lichtenberg ist passionierte Vogelbeobachterin und Redaktionsmitglied bei birdnet.de. Die Ingenieurin für Energie- und Umwelttechnik befasst sich seit ihrer Jugend mit Naturkunde und ist passionierte Vogelbeobachterin. |
»Lassen Sie Vögel in Ihr Leben, es lohnt sich!«
Freiheit für Tiere: Mit Ihrem Buch »Federkleid & Flügelschlag« stellen Sie die Schönheit der Vogelwelt vor. Wie kam die Idee zu dem Buchprojekt?
Thomas Griesohn-Pflieger: Es gibt ein Buch, das mir gut gefallen hat. Es heißt »Flora amabilis«, also etwa übersetzt »liebenswerte Pflanzenwelt«. In dem Buch werden 100 Pflanzen arten in beschreibenden Texten und Aquarellen vorgestellt. An den Texten gefällt mir, dass sie über eine sachliche Beschreibung hinausgehen. Dazu kam, dass ich mich seit einigen Jahren grundsätzlich mit dem Verhältnis von Natur und Mensch beschäftigte und ich die Überzeugung gewann, dass wir dringend diese trennende Haltung hier der Mensch - dort die Natur aufgeben sollten. Sie lässt sich nicht sachlich begründen und führt zudem zur Zerstörung der Natur - auch der menschlichen. Die Beschäftigung mit Nature Writing , das langsam auch im deutschsprachigen Raum an Anhängern gewinnt und das ich schon, wenn auch unbewusst, in einigen meiner Büchern gepflegt habe, hat mich zusätzlich motiviert. Also habe ich dem Verlag vorgeschlagen, ein Buch herauszubringen, das den Titel »Avifauna amabilis«, also »liebenswerte Vogelwelt«, tragen könnte mit persönlichen Texten und Bildern, die die Schönheit der Gefiederten unterstreichen. Nach längerer Suche gab es eine Verbindung zur Stiftung Robert in Bern, die gerne Vogelbilder aus ihrem Bestand für ein Buch zur Verfügung stellen würde. Dann ging es schnell, ich fragte Iris, mit der ich viele Auffassungen über unser Verhältnis zur Natur teile, ob sie mitmachen würde. Wir waren uns schnell einig.
Freiheit für Tiere: In »Federkleid & Flügelschlag« geht es Ihnen weniger darum, reines Wissen über Vögel zu vermitteln, sondern Sie haben eine sehr persönliche Herangehensweise, berichten von eigenen Erlebnissen und Beobachtungen von Vögeln.
Iris Lichtenberg: Im deutschsprachigen Raum gilt es noch immer als unseriös, persönliche Gedanken in die Wissensvermittlung einzubringen, obwohl sicher niemand, der sich lange mit einer Tier- oder Pflanzenart beschäftigt, ihr gleichgültig gegenüber steht. Die intensive Beobachtung von Vögeln führt schnell dazu, dass man individuelles Verhalten erkennt, sieht, dass unsere Mitgeschöpfe keine instinktgesteuerten Maschinen sind, sondern Individuen, deren Überlebenswillen ihre Entscheidungen beeinflusst. Wir legen dennoch Wert darauf, auch Wissen zu vermitteln, weil es den Blick für unterschiedliche Verhaltensweisen schärft und die Beobachtung bereichert.
Freiheit für Tiere: Sie klären auch über die Ursachen des dramatischen Rückgangs unserer Vögel auf, vor allem durch den Verlust von Lebensräumen. Was kann jeder Einzelne für Vögel tun?
Iris Lichtenberg: Man kann vor der eigenen Haustür beginnen, indem man im Garten einheimische Sträucher anpflanzt, die Vögeln und Insekten Nahrung bieten. Dafür gibt es gute Ratgeber. Mit der Vogelfütterung im Garten hilft man Vögeln über die Winterzeit und die Brutzeit, man sollte, wenn man die Möglichkeit hat, zumindest bis in den Juni füttern. Vielleicht den gepflegten Rasen in eine Wiese verwandeln, zumindest aber auf tote Schottergärten verzichten. Nistkästen aufhängen und im Herbst reinigen, damit sie als Schlafplatz im Winter dienen. Dann hat man schon viel getan.
Freiheit für Tiere: Sie werben mit Ihrem Buch dafür, dass wir Vögel in unser Leben lassen, sie beobachten, uns für ihre Schönheit begeistern. Vermutlich steht der Gedanke Wir schützen nur, was wir kennen dahinter?
Iris Lichtenberg: Ja, Vögel machen es uns leicht, sie zu beobachten, man sieht sie überall, daher eignen sie sich gut dafür, in die Naturbeobachtung einzusteigen. Wenn man beginnt, bewusst auf sie zu achten, ob vor dem eigenen Fenster oder bei einem Spaziergang, wenn man ihren Stimmen im Jahresverlauf lauscht, fühlt man sich schnell einbezogen in die Natur und möchte mehr erfahren. Und das führt unweigerlich zu einem Wissen über ihre Gefährdung und den Gründen dafür.
Thomas Griesohn-Pflieger: Es steht auch der Gedanke dahinter, dass wir nicht umbringen sollten, was wir lieben. Ich bin überzeugt - und der Umgang von Kindern mit den anderen Bewohnern unserer Lebensgemeinschaft, den Pflanzen, Tieren und Pilzen, lässt es mich immer wieder erleben -, dass es keine Trennung zwischen denen und uns gibt. Wir haben den einen gemeinsamen Ursprung, und unser gemeinsames Schicksal ist an diesen einen Planeten gebunden. Deshalb transportieren die Texte nicht nur Wissen, sondern auch Gefühle und Haltungen: Wir sehen die Vögel mit einem liebenden Auge. Meine Hoffnung: Wer diese Sicht - wenn auch unbewusst - teilt, wird sorgsamer und liebevoller mit den anderen Lebewesen umgehen.
Das Interview mit Iris Lichtenberg und Thomas Griesohn-Pflieger führte Julia Brunke, Redaktion FREIHEIT FÜR TIERE