Wildbienen in der Stadt
Buchvorstellung von Julia Brunke, Redaktion FREIHEIT FÜR TIERE
Mit ihren zahlreichen Parks, Gärten, Brachen, Uferbereichen und Flächen mit Pflasterfugen bieten Städte einen vielfältigen Lebensraum für Wildbienen. Das Buch »Wildbienen in der Stadt« stellt Wissenswertes über diese faszinierenden Tiere vor, die mitten unter uns leben und deren Lebensweise uns doch oft unbekannt ist: Wie kann ich die verschiedenen Wildbienenarten bestimmen? Wie leben sie? In welchen Lebensräumen ist welche Wildbienenart zu Hause? Wo bauen Sandbienen ihre Nester? Wo suchen Hummelköniginnen nach Wohnungen? Dazu gibt es viele praktische Tipps, wie jeder von uns Wildbienen helfen kann, sowie Projektvorschläge für Familien, Schulen und Kindergärten.
2013 beauftragte der Rat der Stadt Osnabrück die Naturschutzverwaltung, in Kooperation mit verschiedenen Institutionen Maßnahmen zu entwickeln, um die Stadt bienenfreundlicher zu gestalten. Bald darauf wurde das Osnabrücker BienenBündnis gegründet, zu dem von Anfang an die Arbeitsgruppe Zoologie/Ökologie/Umweltbildung der Hochschule Osnabrück mit dem Biologen Prof. Dr. Herbert Zucchi und der Landschaftsökologin Janina Voskuhl gehörten. »Waren die Fördermaßnahmen anfangs nur für die Honigbienen gedacht, so rückte bald das ganze Spektrum der Wildbienen in den Fokus«, berichten die beiden Wissenschaftler. »Da effektiver Wildbienenschutz den Schutz einer breiten Palette der Biologischen Vielfalt einschließt, profitieren auch andere Tiergruppen und die Pflanzenwelt davon.«
Vorbild: BienenBündnis der Stadt Osnabrück
Bei dem Projekt wurden Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen von Lebensräumen für Wildbienen in der Stadt erarbeitet. Außerdem wurde ein Konzept für die Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit entwickelt und erprobt, um die Bevölkerung auf die Bedeutung und den Schwund der heimischen Bienenvielfalt aufmerksam zu machen und für den Schutz der Tiere und ihrer Lebensräume zu motivieren. »Die Resonanz war höchst erfreulich: Es gab zahlreiche Anfragen für Unterrichtsprojekte, Exkursionen, Vorträge und Beratungen von Kindergärten, Schulen, Vereinen und Kommunen. Damit in möglichst vielen Städten ähnliche Wege gegangen und gleiche Ziele verfolgt werden, haben wir uns entschlossen, unser Wissen und unsere Erfahrungen mit diesem Buch weiterzugeben,« so Janina Voskuhl und Prof. Dr. Herbert Zucchi.
Zahl der Wildbienen schwindet dramatisch
Fast 70 Prozent der in Deutschland nachgewiesenen Tierarten sind Insekten. Als unverzichtbare Glieder des Ökosystems bestäuben sie die große Mehrzahl der Kultur- und Wildpflanzen, sind an der Verbreitung von Pflanzen und Pilzen beteiligt und wirken beim Abbau toter organischer Substanz mit.
Doch seit einigen Jahrzehnten schwindet die Zahl vieler Insektenarten dramatisch. Untersuchungen von Insektenkundlern zeigen, dass die Zahl der Fluginsekten in den letzten 27 Jahren um über 75 Prozent (!) zurückgegangen ist. Inzwischen sind 60 Prozent der Wildbienen, 65 Prozent der Tagfalter, 73 Prozent der Ameisen auf der Roten Liste.
Hauptgrund ist der Verlust von Lebensräumen, der Einsatz von Insekten- und Pflanzengiften und die Überdüngung der Böden mit riesigen Güllemengen durch die industrielle Landwirtschaft. »Mit dem Verlust von Hecken, Feldgehölzen, Rainen, fließwasserbegleitenden Gehölzbändern und anderen Strukturen ist zugleich der Verlust von Pflanzen als Nektar- und Pollenspender verbunden«, erklären die Wissenschaftler. »Außerdem gehen wichtige Ruhe- und Überwinterungsflächen verloren. Auch die Entwässerung von Feuchtgebieten, die Umwandlung von Wiesen und Weiden in Ackerland sowie die Überdüngung der Landschaft führen zur Pflanzenartenverarmung und ziehen damit automatisch auch einen Insektenrückgang nach sich.« Zusätzlich vernichtet das Totalherbizit Glyphosat die Wildpflanzen auf den Ackerflächen und damit die Nahrungsgrundlage für viele Insekten.
»Wissen über Wildbienen ist in der Gesellschaft so gut wie nicht vorhanden«
Janina Voskuhl und Prof. Dr. Herbert Zucchi berichten, dass sie an Sommertagen immer wieder Hilferufe aus Kindergärten, Schulen oder von Privatleuten wegen bedrohlicher Wildbienen« bekommen - und immer steckten staatenbildende Wespen dahinter. Sie verweisen auch auf einen Artikel, der im August 2017 in einigen norddeutschen Zeitungen zu lesen war: »Bienen attackieren Schülergruppe«. Im Artikel war die Rede davon, dass 22 Kinder von einem Sand- bzw. Erdbienenschwarm gestochen wurden. »Allerdings sind gerade Sandbienen äußerst friedfertig und greifen keine Menschen an, schon gar nicht in einem Schwarm. Ganz offensichtlich handelte es sich dabei um Wespen, denn von ihnen gibt es bodennistende Arten, denen man nicht zu nahe kommen darf«, so die Bienenexperten. »Wissen über Wildbienen ist in der Gesellschaft so gut wie nicht vorhanden. Dies zu ändern, ist uns ein großes Anliegen.«
Wie Wildbienen leben
Die Honigbiene mit ihrem ausgeprägten Sozialverhalten ist den meisten Menschen vertraut. Wildbienen sind nicht nur in ihrem Aussehen vielfältig, sondern haben ganz unterschiedliche Lebensweisen und Lebensräume. Anders als die Honigbienen leben nur einige der bei uns heimischen Wildbienen in einfachen Staaten oder kommunalen Gruppen. Die große Mehrheit der Wildbienen lebt jedoch solitär, also einzeln.
Hummeln: Dicke Brummer mit kleinen Völkern
»Der Westlichen Honigbiene in ihrem Sozialverhalten am nächsten stehen die so genannten primitiv-eusozialen Hummeln«, erklären die Bienenforscher. »Ihre Völker sind deutlich kleiner, weniger komplex organisiert und bestehen nur einige Monate.«
Im Februar und März sind besonders dicke Hummeln zu beobachten, die schwerfällig von Blüte zu Blüte fliegen. Das sind die im letzten Jahr geschlüpften Hummelköniginnen, die ohne Mithilfe von Nachkommen Pollen und Nektar sammeln und ein Nest suchen, in dem sie erste Arbeiterinnen groß ziehen können. Sobald die deutlich kleineren Töchter entwickelt sind, bleibt die Königin im Nest und legt weiter Eier, so dass das Hummelvolk langsam wächst. Das Volk bleibt aber deutlich kleiner als ein Honigbienenstaat. »Nach der Produktion und dem Ausfliegen von Drohnen und Jungköniginnen zwischen Juli und Oktober stirbt der komplette Hummelstaat mitsamt der alten Königin«, erfahren wir in dem Buch. Allein die begatteten Jungköniginnen begeben sich auf die Suche nach einem geeigneten Winterversteck und gründen im Frühjahr neue Staaten, wenn sie überlebt haben.
Tomatenpollen sind nur schwer für Bestäuber
zugänglich. Nur Hummeln können Tomatenblüten bestäuben: Sie hängen sich unter die Staubblätter und zittern mit ihrem Körper, so dass der Pollen aus der Blüte geschüttelt wird. Ein reger Hummelbesuch verspricht folglich eine gute Tomatenernte. · Bild: vallefrias - Shutterstock.com Graphik oben: Janina Voskuhl
Die meisten Wildbienen sind Solitärbienen
Die Weibchen dieser so genannten Solitär- oder Einsiedlerbienen kümmern sich ohne Mithilfe von Arbeiterinnen um die Versorgung der eigenen Brut. »Alleine bauen sie winzige Brutzellen, kleiden diese mit Nistmaterial aus, schaffen Pollen und Nektar heran, verschließen die Zellen nach der Eiablage und machen sich gelegentlich noch die Mühe, ihr Nest mit Grashalmen, Kiefernnadeln etc. zu tarnen«, erklären die Wissenschaftler.
Eine solitär lebende Wildbiene lebt meist nur vier bis neun Monate und versorgt maximal 10 bis 30 Brutzellen. Die Larven schlüpfen bereits nach wenigen Tagen und ernähren sich vom angelegten Futtervorrat. Nach einigen Wochen spinnen die Larven einen Seidenkokon, in dem sie überwintern. Erst im nächsten Jahr verpuppen sie sich und entwickeln sich zu ausgewachsenen, geflügelten Bienen.
Städte bienenfreundlicher gestalten
Jeder kann etwas dafür tun, Lebensraum für Bienen zu schaffen. Ob im eigenen Garten, auf dem Schulhof oder Kitagelände oder in Stadt und Gemeinde: Wichtig sind bienenfreundliche Strukturen und mehr Nahrung. Bienen benötigen von Februar bis Oktober ein vielfältiges Blütenangebot, vor allem heimische Wiesenblumen, ungefüllte Rosen, blühende Obstbäume wie Apfel, Kirsche, Pflaume, Birne, Obststräucher wie Himbeere, Johannisbeere, Stachelbeere, Brombeere und Hecken mit Weißdorn, Schlehen, Kornellkirsche, Schneeball oder Weiden.
Blütengehölze bilden von Februar bis Juni eine wichtige Nahrungsquelle für Wildbienen , erklären die Bienenexperten. Die leuchtend gelben Forsythien dagegen sind jedoch genauso wie gefüllte Rosen und sterile Zierpflanzen eine Mogelpackung, da sie Bienen keine Nahrung bieten.
»Sollten Sie eine neue Obstwiese anlegen, pflanzen Sie möglichst verschiedene Obstarten und -sorten, die mit ihren unterschiedlichen Blütezeiten den Bienen besonders lange Nektar und Pollen bieten«, erklären Janina Voskuhl und Prof. Dr. Herbert Zucchi. Wichtig ist ebenso das Blütenangebot unter den Obstgehölzen. Bestenfalls sollte sich hier eine Blumenwiese entwickeln, die den Bienen auch nach Ende der Obstblüte genügend Nahrung zur Verfügung stellt.
Vor allem im Sommer wird die Nahrung für Bienen knapp. Helfen können wir dann mit zahlreichen ein- und zweijährigen Stauden wie Glockenblumen, Blaukissen, Steinkraut, Goldgarbe oder Mauerpfeffer in Beeten, Töpfen und Balkonkästen sowie mit Kräuter- und Gemüsebeeten. Bei Gemüsepflanzen wie Kohl, Küchenlauch oder Spinat, die vor der Blüte geerntet werden, lassen Sie einige bis zur Blüte im Beet stehen.
»Einen besonders reich gedeckten Tisch können wir den Wildbienen bieten, wenn ein einheitlich grüner Zierrasen in eine bunte und mehrjährige Blühfläche umgewandelt und höchstens zweimal pro Jahr gemäht wird«, so die Bienenexperten. Wer eine Blumenwiese anlegen möchte, sollte aber nicht zur erstbesten Saatmischung aus dem Baumarkt oder Gartencenter greifen, selbst wenn diese ein vermeintlich bienenfreundliches Siegel tragen. Viele dieser Blühmischungen enthalten Pflanzen, die nicht heimisch sind und so nur wenigen Arten Nektar- und Pollenquellen bieten. Achten Sie auf Wildblumenmischungen mit heimischen Wildpflanzen. Besonders geeignet sind in Deutschland zum Beispiel Wildblumenmischungen von Rieger-Hofmann oder Saaten Zeller. Die unterschiedlichen Wildblumenmischungen der beiden Regiosaatguthersteller enthalten in der Regel wenige (eher konkurrenzschwache) Gräser sowie zahlreiche ein-, zwei- und mehrjährige Wildblumen. Und: Wer trotz allem auf den gepflegten Rasen nicht verzichten mag, kann beim Rasenmähen Ovale mit blühendem Klee oder Hahnenfuß stehen lassen oder Inseln mit Wildblumen wie Kamille, Klatschmohn oder Kornblume anlegen.
Denken Sie auch an Nistmöglichkeiten: Holzstapel an einem sonnigen Ort, abgestorbene Obstbäume, Abgrenzungen von Beeten mit Holzstämmen, Natursteinmauern, selbstgebaute Nisthilfen wie angebohrtes Holz oder Insektenhotels.
Der Einsatz von Pestiziden wie Insektengiften, Fungiziden und Herbiziden sollte tabu sein. »Sie vernichten die natürlichen Nahrungsquellen von Bienen und wirken oftmals auch unmittelbar toxisch auf Honig- und Wildbienen oder entfalten langfristig eine negative Wirkung«, so die Bienenexperten.
»Helfen Sie mit, unsere Städte bienenfreundlicher zu gestalten, damit sich auch nachfolgende Generationen an der Wildbienenvielfalt erfreuen und weiterhin viel Obst und Gemüse essen können«, so der Appell der beiden Autoren.