Neue Studie: Vegane Ernährung im Sport
Gesundheitlicher Nutzen und Vorteile für Sportler körperlich Aktive
Vegane Ernährung boomt seit vielen Jahren und wird zunehmend in der Gesellschaft akzeptiert und gewertschätzt. Seit Jahren nimmt auch im Sport die Zahl der Vegetarier und Veganer stetig zu: von Formel I-Weltmeister Lewis Hamilton, Tennis-Nr. 1 Novak Djokovic, Fiona Oakes (vier Weltrekorde im Marathonlauf), Ultramarathonläufer Scott Jurek, Gerlinde Kaltenbrunner (eine der erfolgreichsten Höhenbergsteigerinnen der Welt), Strongman Patrik Baboumian (mehrere Weltrekorde, z.B. im Baumstammstemmen) bis zu einer zunehmenden Zahl von Fußballern, Baketball- und Eishockeyprofis. Daher ist es wahrscheinlich, dass die Zahl der veganen Sportler in allen Fitnessstufen, im Freizeit-, Amateur- und Profisport - steigt , so Sportwissenschaftlerin Dr. Katharina Wirnitzer von der Universität Innsbruck. Mit einer neuen Übersichtsstudie fasst sie Ergebnisse aus Studien der letzten 20 Jahre zusammen und vergleicht die potenziellen Vorteile und Risiken der veganen Ernährung für Sportler, Leistungssportler und körperlich aktive Menschen. Die Studie »Vegan Diet in Sports and Exercise - Health Benefits and Advantages to Athletes and Physically Active People« wurde im »International Journal of Sports and Exercise Medicine« veröffentlicht.

Formel I-Star Lewis Hamilton ist seit 2017 Veganer
nachdem er auf Netflix den Dokumentarfilm »What The Health« gesehen hat. Damals hielt der Formel 1-Spitzenreiter in einer Pressekonferenz (16.9.2017) über mehrere Minuten ein flammendes Plädoyer für vegane Ernährung: »Es macht mir zu schaffen, wie grausam Tiere auf der Welt behandelt werden. Das will ich nicht länger mitmachen.« Seither setzt er auf seine riesige Medienpräsenz, um den Tieren eine Stimme zu geben. Ende Juli 2020 nutzte er einen Werbespot für den Mercedes Vision EQS für seine Botschaft für Veganismus und zukunftsorientierte Nachhaltigkeit. »Wenn ich in 20 Jahren zurückblicke, wird Rennfahren nur ein Aspekt meiner Karriere sein«, sagt Lewis Hamilton in dem Werbespot. »Wir sind nicht ohne Grund hier. Es hat lange gedauert, bis mir klar wurde, dass ich diese unglaubliche Plattform habe. Also bin ich aktiv geworden, für Veganismus und damit das Bewusstsein für eine bewusstere Lebensweise wächst.« - Bild: Lewis Hamilton beim Grand Prix-Sieg in Spanien. (cristiano barni - Shutterstock.com)

Alexandra »Alex« Patricia Morgan
ist zweimalige Weltmeisterin im Frauenfußball. Sie spielt für die Orlando Pride und für die US-amerikanische Nationalmannschaft, mit der sie 2015 und 2019 den WM-Titel gewann. Seit 2017 lebt sie vegan: »weil es nicht fair ist, einen Hund zu haben, den ich liebe, und trotzdem die ganze Zeit Tiere zu essen.« Obwohl sie die Entscheidung, vegan zu werden, aus ethischen Gründen fällte, hat Alex auch gesundheitliche Vorteile festgestellt: »Ich hatte seither keine ernsthafte Verletzung und ich schreibe das meiner Ernährung zu. Seitdem ich vegan bin, fühle ich mich rundum besser. Ich habe mehr Energie, schlafe richtig gut, ich bin klarer im Denken und nicht mehr so angewiesen auf Koffein.« Sie hat auch einen Rückgang ihres schlechten Cholesterins festgestellt. Und noch ein ganz wichtiger Vorteil für Sportler: Sie regeniert schneller nach dem Training oder Wettkämpfen. Bild: Alex Morgan feiert die Weltmeisterschaft im Frauenfußball nach dem letzten Spiel der USA gegen die Niederlande am 7.7.2019. (Romain Biard - Shutterstock.com)
Die neue Studie zeigt die verschiedenen Vorteile der veganen Ernährung für junge Sportler und Leistungssportler. Die Autorin, Dr. Katharina Wirnitzer, Sportwissenschaftlerin an der Universität Innsbruck, hat seit zwei Jahrzehnten Erfahrung in der Arbeit mit Sportlern aller Leistungsstufen und in der Beratung zur Umstellung auf eine gesunde, bedarfsgerechte vegane Ernährung. Mit der Übersichtsstudie fasst sie Ergebnisse von neun vorausgegangenen Studien zusammen, die zwischen 2004 und 2020 über pflanzliche Ernährung in Bezug auf Sport veröffentlicht wurden.
Das persönliche Verhalten, also auch die Lebensmittelauswahl, hat mit 40 % den größten Anteil am eigenen (guten oder schlechten) Gesundheitszustand. Damit hat der Athlet selbst auch den größten Einfluss auf sein Heilungspotential. Da inzwischen Ernährung wie auch Sport als Medizin betrachtet werden, ist ihre kontinuierliche Anwendung ein hochwirksames, aber einfaches Instrument zur Verbesserung der individuellen Gesundheit. Ein gesunder Mensch zu sein, ist jedoch eine Grundvoraussetzung, um ein erfolgreicher Athlet zu werden.
2007 stellte der kanadischer Triathlet und Ironman Brendan Brazier mit seinem Buch »Thrive: The Vegan Nutrition Guide to Optimal Performance in Sports and Life« (auf Deutsch: »Vegan in Topform«) eine für Sportler optimierte hochwertige pflanzliche Ernährung vor - mit detaillierten Ernährungsplänen für die Vorbereitung auf den Wettkampf und die anschließende Regenerationsphase. »Vegan in Topform« wurde ein Kultbuch der weltweiten Veganbewegung und ist 2020 in Deutschland bereits in 6. Auflage erschienen. Übrigens: Das Vorwort zur deutschen Ausgabe schreib Dr. Katharina Wirnitzer.
2019 kam der Film »The Game Changers«, eine Dokumentation über vegane Ernährung im Profi-Sport, in die Kinos und läuft seither mit großem Erfolg auf Netflix: Top-Athleten berichten in Interviews, wie sich die Umstellung auf eine rein pflanzliche Ernährung auf ihre sportlichen Leistungen und auf ihr Leben auswirkte, Wissenschaftler klären über die gesundheitlichen Vorteile auf. Oscar-Preisträger James Cameron (»Avatar«, »Titanic«) produzierte diesen Film gemeinsam mit Bodybuilder Arnold Schwarzenegger, Karate-Legende Jackie Chan, Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton, dem fünfmaligen Wimbledon-Gewinner Novak Djokovic und NBA All-Star Chris Paul. Der Film schlug große Wellen: Etliche Sportler berichteten in letzter Zeit in Interviews, dass sie auf pflanzliche Ernährung umgestellt haben, weil sie »The Game Changes« gesehen hatten.

Novak Djokovic, die Nummer 1
der Tennis-Weltrangliste, lässt Milchprodukte aus gesundheitlichen Gründen bereits seit 2010 konsequent weg und ernährt sich seit fast fünf Jahren vegan - für die Gesundheit, für die Tiere und das Klima. · Bild: lev radin - Shutterstock.com
Die russische Neurochirurgin Galina Schatalova, in den 1960er Jahren Leiterin der Kommission zur Auswahl und Ausbildung von Kosmonauten am Institut für Weltraumforschung, zeigte von 1983-1990 in Feldstudien bestehend aus mehreren Serien von Super-Marathons, Trekkingtouren in großen Höhen und Wüstendurchquerungen, dass sich eine Ernährung mit pflanzlichen Vollwertnahrungsmitteln positiv auf die körperliche Leistungsfähigkeit auswirkt: Die Ausdauerleistung mit starker körperlicher Belastung über mehrere Tage und Wochen, auch in großen Höhen und unter extremen Bedingungen (z.B. große Hitze), war bei den Teilnehmern der veganen Versuchsgruppen in allen Feldversuchen besser als die in den Allesesser-Kontrollgruppen.
Dr. Katharina Wirnitzer erklärt in ihrer wissenschaftlichen Arbeit, dass bereits in der Antike Gladiatoren und Philosophen auf pflanzliche Ernährung für körperliche und geistige Leistungen setzten. Bekanntester Vertreter ist der griechische Philosoph Pythagoras, der nicht nur Mathematiker, sondern auch ein olympischer Faustkämpfer war. Die Gladiatoren der Antike folgten einer ausgeklügelten Diät (»gladiatoriam saginam« oder sogar »hordearii«), die aus großen Mengen an Hülsenfrüchten, und Getreide (78% aus Erbsen, Linsen, Gerste, Weizen, Hirse, Mais) bestand, aber ausdrücklich wenig oder keinem Fleisch. Aufgrund archäologischer Ausgrabungen wurde gezeigt, dass die Aufnahme von Protein tierischen Ursprungs durch den Gladiator im Allgemeinen sehr gering war. Dies belegt, dass pflanzliche Ernährung zur Erreichung körperlicher Leistung nicht neu ist, sondern uraltes Wissen.

Dr. Katharina Wirnitzer, Jahrgang 1974,
ist Sportwissenschaftlerin und Hochschuldozentin für Sportwissenschaften an der Universität Innsbruck und der pädagogischen Hochschule Tirol.Im Rahmen ihres Forschungsprojekts bikeeXtreme untersuchte sie die Ausdauerleistungsfähigkeit und das Belastungsprofil von Mountainbikern während eines 8tägigen Etappen-Rennens, der Mountainbike Transalp Challenge.
»Es ist allgemein anerkannt, dass körperliche Aktivität und Sport leistungsstarke Werkzeuge sind, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken und somit bei der Prävention schwerer Krankheiten helfen«, so die Sportwissenschaftlerin. Doch körperliche Aktivität, Sport und ein gesunder Lebensstil (z.B. Nichtrauchen) alleine reichen für die Förderung der individuellen Gesundheit nicht aus. Als Beispiel verweist sie auf den Gründer der Joggingbewegung, James Fuller Fixx: Er war überzeugt, dass Nichtrauchen und Sport genug wären, um Gesundheit und ein langes Leben zu gewährleisten. Gesunde Ernährung war ihm dabei nicht wichtig. James Fuller Fixx starb jedoch an einem Herzanfall während seines täglichen Jogging-Programms.
Eine aktuelle Studie hat ergeben, dass gut trainierte und ambitionierte Ausdauersportler einem erheblichen Risiko von Atherosklerose ausgesetzt sind. Denn der trainingsbedingte höhere Energiebedarf wird in der Regel durch tierische Nahrungsmittel gedeckt. Die hohe Aufnahme von gesättigten Fetten und Cholesterin zusammen mit dem Mangel an gesundheitsfördernden Stoffen (wie Ballaststoffe, Antioxidantien) können zur Verengung und Versteifung der Arterien durch Plaque beitragen. Das könnte erklären, warum Ausdauersportler doppelt so häufig schwere Atherosklerose entwickeln als nicht aktive Menschen. So ist die Intima-Media-Dicke (Messung der inneren und mittlere Schicht der Gefäßwand einer Arterie, um Gefäßverkalkungen festzustellen) bei einer nicht-vegetarischen Ernährung signifikant höher (0,74 mm) als bei Veganern (0,56 mm).
Hier gibt es enormes Potenzial, die eindimensionale Perspektive auf Gesundheit - entweder Ernährung oder Sport - aufzugeben, denn Lebensstilfaktoren werden bzgl. Gesundheit im Allgemeinen isoliert betrachtet. Doch basierend auf wissenschaftlich fundierten Empfehlungen und Richtlinien weltweit führender Ernährungs-, Sport- und Gesundheitsorganisationen ist optimale individuelle Gesundheit durch eine dauerhafte Kombination zwischen Ernährung und Sport zu erreichen, so die Sportwissenschaftlerin.

Bild: Archiv Gerlinde Kaltenbrunner www.gerlinde-kaltenbrunner.at
Gerlinde Kaltenbrunner ist weltweit eine der erfolgreichsten Bergsteigerinnen. Mit dem Erreichen des Gipfels des K2 am 23. August 2011 ist sie die dritte Frau, die alle vierzehn Achttausender bestiegen hat, und die erste, der das ohne zusätzlich mitgeführtem Sauerstoff gelang. Bereits bei der Besteigung des K2 ernährte sich Gerlinde Kaltenbrunner rein pflanzlich. Sie ist überzeugt: »Vollwertige, rein pflanzliche Ernährung ist überaus gesundheitsförderlich und ermöglicht, körperliche sowie mentale Höchstleistungen zu vollbringen. Mit der Umstellung auf eine rein pflanzliche Ernährung stellte sich bei mir z.B. eine deutlich kürzere Regenerationszeit zwischen den Trainingsphasen, verbesserter Schlaf und ein insgesamt sehr positives Lebensgefühl ein.« Auf ihrer Internetseite gerlinde-kaltenbrunner.at schreibt sie, dass ein achtsamer, respekt- und liebevoller Umgang mit der Natur und allen Wesen die Grundpfeiler ihres Lebens sind. Gerlinde Kaltenbrunner unterstützt die NURMI-Study unter der Leitung von Dr. Katharina Wirnitzer.
Die Ernährung sollte den Körper mit allen lebenswichtigen Nährstoffen versorgen, Leistungsfähigkeit (körperlich und geistig) erhalten, das Risiko chronischer Krankheiten verringern und die Gesundheit fördern. Allerdings ist bekannt, dass die moderne Ernährung ernährungsbedingte chronische Erkrankungen verursachen und zu vorzeitigem Tod führen kann. Eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Studien unterstreicht die Tatsache, dass Ernährung in Kombination mit anderen Lebensstilfaktoren wie Nichtrauchen oder Sport eine Schlüsselrolle bei der Prävention von Krankheiten spielt.
Derzeit gibt es einen Boom der veganen Ernährung in der Gesellschaft und im Sport, sowohl aus gesundheitsfördernden Gründen als auch der Bereitschaft, im Sinne von Nachhaltigkeit zu handeln. Mit der neuen Übersichtsstudie möchte Dr. Katharina Wirnitzer eine evidenzbasierte Begründung liefern, dass vegane Ernährung mit sportlichen Leistungen vereinbar ist. Die Studie verknüpft daher erstmals wissenschaftliche Beweise mit Erfahrungen veganer Sportler und schließt damit die Lücke zwischen Wissenschaft und der praktischen Anwendung.
Die wissenschaftliche Literatur beweist, dass vegane Ernährung die Prävention und Therapie von chronischen, entzündlichen und degenerativen Krankheiten positiv beeinflusst und die vorteilhafteste Ernährungsweise zur Vorbeugung von Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ 2, Atherosklerose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und weiteren chronischen Erkrankungen ist. Darüber hinaus hat vegane Ernährung eine besondere Relevanz für Sportler, insbesondere auf einen günstigen BMI sowie Vorbeugung und Therapie von Mikroentzündungen und chronischen systemischen Entzündungen.
Doch immer noch werden Veganer und vor allem vegane Sportler gefragt: Woher bekommst du dein Protein? Protein ist ein Schlüssel zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Körpergewebe und notwendig für die Reparatur und Erneuerung von geschädigtem Gewebe, einschließlich Muskeln. Viele pflanzliche Lebensmittel sind proteinreich, wie Sojabohnen und Lupinen, Erdnüsse und Nüsse. Die pflanzlichen Proteinquellen Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse und Samen ergänzen sich in ihrem Aminosäureprofil. Die Proteinqualität insbesondere von Soja ist vergleichbar mit tierischem Eiweiß. Pflanzliche Proteinquellen wie Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse und Samen bieten außerdem zahlreiche andere gesundheitsfördernde Nährstoffe, wie komplexe Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Vitamine, Mineralien und sekundäre Pflanzenstoffe.

Triathlon-Star Jan Frodeno, Olympiasieger 2008
in Peking und dreimaliger Hawaii-Champion (2015, 2016 und 2019), isst seit 2016 Jahren kein Fleisch mehr. »Nachdem ich aufgehört habe Fleisch zu essen, habe ich sofort die positiven Unterschiede feststellen können«, sagt er im Interview mit FOCUS online (17.7.2020). »Nachdem ich Fleisch weggelassen habe, ist mein Magen viel robuster geworden. Gerade bei Laufeinheiten ist ein Magen schon relativ empfindlich. Aber das Wichtigste für mich war, dass ich einfach weniger Schlaf brauche, weil mein Körper viel weniger Stress mit der Fleischverdauung hat.« - Bild: Jan Frodeno bei den Ironman European Championships in Frankfurt am Main 2018. (Bild: Jürgen Matern - Wikimedia Commons)
In den letzten Jahren hat eine Vielzahl wissenschaftlicher Erkenntnisse die enormen gesundheitlichen Vorteile einer pflanzlichen Ernährung gezeigt. Vegane Ernährung kann auch für Sportler empfohlen werden, als Grundlage für maximale Gesundheit, die eine Voraussetzung für sportliche Leistung und Erfolg ist. Eine gut geplante vegane Ernährung fördert den Aufbau von Muskelmasse, Kraft und Ausdauerleistung sowie den guten Gesundheitszustand von Sportlern. Die Studie kann Athleten und ihre Familien, Trainer und Experten für Gesundheit und Sport dazu ermutigen, offener zu sein, wenn ein Sportler den Wunsch äußert, sich vegan zu ernähren oder rein pflanzliche Ernährung auch einfach nur mal testen will.
Quelle: Katharina C Wirnitzer: Vegan Diet in Sports and Exercise - Health Benefits and Advantages to Athletes and Physically Active People: A Narrative Review. In: International Journal of Sports and Exercise
Medicine 2020, Volume 6, Issue 3. DOI: 10.23937/2469-5718/1510165
Link zur Studie als pdf:
https://clinmedjournals.org/articles/ijsem/international-journal-of-sports-and-exercise-medicine-ijsem-6-165.pdf